Weil nicht einmal zehn im religiösen Sinn Erwachsene zusammenkommen konnten, um einen Gottesdienst zu feiern, gibt es keine Synagoge, auch keinen jüdischen Friedhof in Wernigerode. Zwar hatte im Mittelalter eine Judengasse existiert, doch war den Juden ab 1592 das Wohnrecht in der Grafschaft jahrhundertelang entzogen. Erst Ende des 19. Jahrhunderts sind wieder fünf jüdische Familien in der Stadt nachweisbar. Peter Lehmann hat anhand zahlreicher Dokumente und Forschungsergebnisse die Lebensgeschichten zehn hiesiger jüdischer Familien recherchiert. Da ist der Journalist und Stadtrat, der zur Selbsttötung getrieben wurde. Da sind drei Familien, die Bekleidungs- und Modegeschäfte betrieben. Der Rektor des Lyzeums fehlt ebenso wenig wie der Pfarrer ohne Kanzel, der Jurist mit Berufsverbot, der Käsefabrikant oder der Händler mit Waren des täglichen Bedarfs. Sie alle gerieten in die vernichtenden Räder des nationalsozialistischen Rassenwahns. Einige konnten fliehen, von vielen verlieren sich die Spuren. Erzählt wird aber auch von einer Familie, die aus der Ferne wieder Kontakt mit Wernigerode aufgenommen hat und woraus eine neue Freundschaft entstand. Ergänzt werden diese Berichte durch eine Sammlung von Namen und Personen, die zwar in der Stadt geboren wurden oder nur kurzzeitig hier lebten, über die aber bisher nur wenig zu erfahren war. Eine jüdische Weisheit lautet: »Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist.« Wie kann heute erinnert werden? Wie lässt sich der wenigen jüdischen Mitmenschen gedenken? Das Buch geht auch diesen Fragen nach. Die hier dokumentierte Wernigeröder Spurensuche ist beispielhaft für den ganzen Harzraum.