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Stalins Leben - ohne Schnörkel geschildert
Wer war noch gleich Georgij V. Cicerin? Historisch Interessierte, vielleicht auch nicht des Russischen mächtige Historiker kennen den Mann in der Regel in der "Wald- und Wiesenschreibweise" Tschitscherin, Volkskommissar für Auswärtige Angelegenheiten der frühen Sowjetunion. In dieser Biographie des Diktators Stalin (dessen Name glücklicherweise überall gleich geschrieben wird) tauchen alle Protagonisten in wissenschaftlicher Umschrift auf, was einem solchen Werk sicher angemessen ist. Es ist aber andererseits schade, weil auch der sprichwörtliche "interessierte Laie" dieses Buch mit viel Gewinn lesen kann, allerdings Gefahr läuft, bei so manchem Namen ins Grübeln zu geraten. Dramaturgisch ist das Buch aufgebaut wie eine Fernsehdokumentation. Der Autor schildert am Anfang anschaulich den Todestag Stalins, die Angst des Führungszirkels selbst vor einem Todkranken und die Trauerfeierlichkeiten. Dann zieht er eine Bilanz der Herrschaft Stalins. Diese krankt ein wenig daran, dass man heutzutage natürlich weiß, wie es mit und in der Sowjetunion ausgegangen ist. Deshalb wirkt die eine oder andere Aussage in ihrer Zwangsläufigkeit etwas überzogen. Nach der Bilanz wendet sich der Autor der Chronologie eines Lebens zu. Hier verlässt er in durchaus erfrischender Weise die ausgetretenen Pfade früherer Biographen und zitiert auch immer wieder Personen, deren Aussagen noch nicht hundertfach in den Bücherregalen stehen.
Stalin-Biographien gibt es reichlich. Die große Schwäche vieler dieser Werke ist, dass sie entweder mit enthemmtem Hass über den "Führer" der Sowjetunion herfallen, oder dass die Schilderung in eine Rechtfertigung für die blutige Herrschaft Stalins ausartet. Beides vermeidet Stefan Creuzberger gekonnt. Das Buch enthält alles Notwendige, ohne Schnörkel, vor allem aber sehr lesbar. Es stellt deutschen Historikern kein gutes Zeugnis aus. Aber solange sich der wissenschaftliche "Wert" an der Kompliziertheit der verwendeten Sprache orientiert, muss darauf hingewiesen werden. Creuzbergers Buch verdient unter anderem deshalb eine breite Leserschaft, weil sich mit wachsendem zeitlichen Abstand der Schrecken, den Stalin für Millionen Menschen innerhalb und außerhalb der Sowjetunion verkörperte, zu verflüchtigen droht.
PETER STURM
Stefan Creuzberger: Stalin. Machtpolitiker und Ideologe. Verlag Kohlhammer/Urban, Stuttgart 2009. 343 S., 19,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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