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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
Ob das Internet nun ein seelischer Nicht-Ort, eine fremdgesteuerte Egoblase oder die längste Prolltheke der Welt ist, darüber wird unter Kulturkritikern nur bezüglich der Reihenfolge gestritten. Kulturkritiker sind laut Kathrin Passig Leute, die vor Zeiten vor den Gefahren des Lesens warnten und die jetzt das Buch aus Geruchsgründen bewerben. Die Autorin, die sich in einer bücherregallosen Welt ohne Einbußen an innerer Zufriedenheit eingerichtet hat, gibt der Gutenberg-Galaxis und ihren Advokaten in den Kolumnen, die sie für den "Merkur" schrieb und die jetzt zu einem - Sie ahnen es - Buch kompiliert wurden, einen Abschied ohne Wehmut. Dass Leserkommentatoren grundsätzlich die dümmeren Menschen und überforderte Buchverkäufer klüger als effiziente Empfehlungsalgorithmen seien, dass es besser sei, sich einer duseligen Stimmung hinzugeben, als sich mit digitalen tools in der Realität zu verorten, dagegen weiß Passig viele Argumente. Nicht jedes davon überzeugt. Mal findet sie gerade etwas anderes interessanter als das Argument der Gegenseite, mal setzt sie eine Pointe an Stelle einer Erklärung, mal rät sie Kritikern, doch woanders hinzuziehen und es besser zu machen. Beeindruckend ist der unerschütterliche Wille, sich im positiven Denken nicht beirren zu lassen, was sie am Ende selbst mit Benjamin Franklins Selbsterziehungsprogrammen sympathisieren lässt, die den Tag in Minuteneinheiten zerlegten. Selten wurde aber auch so pointensicher und elegant über das Internet und seine konkreten Vorzüge geschrieben, dass auch der Kulturkritiker Gefallen daran findet. (Kathrin Passig: "Standardsituationen der Technologiekritik". Suhrkamp Verlag, Berlin 2013, 103 S., br., 12,- [Euro].)
thom
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