Tomaz salamun ist eine Legende. Ein Dichter, der nicht nur die slowenische Lyrik revolutioniert hat, sondern auch international höchstes Ansehen genoss. In den USA wird er bis heute als einer der bekanntesten europäischen Dichter seiner Generation verehrt.
Zu Beginn seiner Karriere gab er das Literaturmagazin Perspektive heraus und wurde wegen eines vermeintlich regimekritischen Gedichts für einige Tage verhaftet. Er studierte Kunstgeschichte an der Universität von Ljubljana, arbeitete als Broker an der Börse, später auch als Kulturattaché in New York. Seit den 1960er Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 2014 veröffentlichte er mehr als fünfzig Gedichtbände, seine Werke wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.
Als »Steine aus dem Himmel« bezeichnete Tomaz salamun seine Gedichte und die Weise, wie sie ihm zufielen. Der Band versammelt eine repräsentative Auswahl aus salamuns lyrischem Spätwerk erstmals in deutscher Sprache, brillant übertragen und mit einem Nachwort versehen von Monika Rinck und Matthias Göritz.
Zu Beginn seiner Karriere gab er das Literaturmagazin Perspektive heraus und wurde wegen eines vermeintlich regimekritischen Gedichts für einige Tage verhaftet. Er studierte Kunstgeschichte an der Universität von Ljubljana, arbeitete als Broker an der Börse, später auch als Kulturattaché in New York. Seit den 1960er Jahren bis zu seinem Tod im Jahr 2014 veröffentlichte er mehr als fünfzig Gedichtbände, seine Werke wurden in mehr als zwanzig Sprachen übersetzt.
Als »Steine aus dem Himmel« bezeichnete Tomaz salamun seine Gedichte und die Weise, wie sie ihm zufielen. Der Band versammelt eine repräsentative Auswahl aus salamuns lyrischem Spätwerk erstmals in deutscher Sprache, brillant übertragen und mit einem Nachwort versehen von Monika Rinck und Matthias Göritz.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, D, I ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.08.2023Zu Hause ist, wo wir sind
"Du bist Slowene, darum bist du traurig": Das supranationale lyrische Universum des Dichters Tomaz Salamun
In der vergänglichen Welt findet der slowenische Dichter Tomaz Salamun unvergängliche Bilder, indem er die "Erdkruste des Steins" durchdringt. Der Karst, die weiße Leinwand seiner lyrischen Projektionen, ist in seinen Gedichten stets oszillierend anwesend, als Ort in der Landschaft, als imaginierte Kraft der menschlichen Seele, vor allem aber als Klettergerüst seiner Worte. Beim Durchdringen seines Werks wird der steinige Urgrund seiner ersten Lebenslandschaft mehr und mehr zu einer Art ätherischer Körper, der sich am Logos entlang dem Logos entzieht. Dieses Paradoxon ist seinem ganzen dichterischen Werk und seiner aufspringenden Bildwelt eigen.
Tomaz Salamun kam 1941 im vom Faschismus heimgesuchten Zagreb zur Welt, wuchs in der slowenischen Seehafenstadt Koper auf und war einer der bekanntesten Dichter seines Landes, dessen Arbeiten in fast alle europäischen Sprachen übersetzt wurden. 2014 starb er in Ljubljana.
Ein seltsam schönes lyrisches Ich ist in seinen Gedichten chamäleonartig am Werk. Es vermag von sich selbst abzusehen und in der Einheit mit einem Baum zu sein, während es gleichzeitig bei Meister Eckhart und einem slowenischen Teenager fündig wird: "Und dort würgt, reißt, baut dir Gott / einen Wasserfall auf den Kopf." Die Aushebelung jeglicher Orientierung ist die Folge, und das macht seine Gedichte zu einem modernen mystischen Tanz, der verwirrt, abstößt und zeitgleich umarmt.
Seine transzendenten Wendungen und die Einwirbelungen seiner Gedanken in die moderne Alltagswelt haben Salamun weltberühmt gemacht. Doch nicht die bloß äußere Kraft seiner Sprache hat ihm dabei die Feder geführt, es war wohl eher seine Annahme, dass die Welt, in der wir leben, uns von Grund auf verletzlich macht. In einem Gespräch mit seinem jüngeren Dichterkollegen Ales Steger sagte Salamun einmal, man sei wahrscheinlich durch das, was die Welt aus einem herausholen will, enorm belastet. Doch das hat ihn nicht davon abgehalten, seine Sätze unter diesem Weltdruck wie "miteinander galoppierende Pferdchen" anzuordnen, die "lossausen", ohne ihn um Erlaubnis zu fragen.
Rätselhaft auf den ersten Blick in diesem supranationalen dichterischen Universum ist die plötzliche Einbringung der eigenen kollektiv gedachten Melancholie: "Du bist Slowene, darum bist du traurig." Doch einem jeden ist ein Anfang eingeschrieben, und dorthin kehrt auch das Doppelbödige seiner Trauer zurück. Bei Salamun ist das mehr als nur eine Blickkonstante, es ist die Aufforderung, "immer tiefer in den Samen zu ritzen", sich anders zu sehen, in einem größeren Zusammenhang, in Verflechtungen, in denen Ideen, Dinge, Steine und Elemente neu zu sprechen beginnen - sogar die Hostien "quietschen" dann bei ihm, und die "Siegel" sind "gelb umrandet". Die Tonlage des Johannesevangeliums, Posaunen, die das Niederknien schwer machen - all das wird zwar in diesen Gedichten konterkariert etwa mit "verfaultem Zahnfleisch", doch im Wissen, dass alles "am Grund des Flusses" rund sein wird wie die Steine in seinem Gedicht "Es ist zu heiß".
"Werden die Schwalben tief fliegen? Wer wird uns die Hände abschneiden?" Die religiösen Bilder dieses Dichters, die einem tief katholischen Universum entstammen, werden mit morbidem Material der körperlichen Vergänglichkeit und manchmal auch mit Gewalt konfrontiert. Aber dennoch wirkt ein helles Leuchten, ein mäanderndes Flimmern darin selbsttätig weiter, wenn etwa gesagt wird: "Ich wünsche mir Boden im Himmel, / dass ich paarig wäre beim Lecken der Augenlider. / Dass sie sich nicht höben."
Im Zusammenhang der Umkehrung von Himmel und Erde wird immer wieder ein anderes Sehen aufgerufen und darin das Schicksal als brütender Augenblick verstanden: "Manchmal wie ein Ei. Manchmal prügelt es mich / mit den Pfoten über den Hügel." Und doch müsse man zum Tod freundlich sein: "Alles gemeinsam in einem nassen Knödel. Zuhause ist, wo wir sind. / Wir sind nur einen Augenblick am Leben. Solange der Lack trocknet." In Sicherheit wähnt sich der Dichter, solange er seine Augen nicht schließt. Doch weiß er zu gut, dass sich irgendwann alles "wie am Münchener Straßenrand" umstellt auf die "Linie", "die später mit dem Schicksal synchronisiert wird".
Ob Gott, Weltgewebe oder die Frage nach der Eifersucht der Fische, alles in diesem poetischen Universum schwingt sich auf als Fürbitte, die es geschafft hat, den Sozialismus, die Traktoren und Müllhalden zu überleben, und dann überrascht es auch nicht, dass "die Sprache als Retterin der Liebe, / der Blumen, der Menschheit" verstanden wird und nicht zuletzt auch als "ein Werkzeug Gottes". Dabei weiß dieser Dichter sehr genau, dass der Mensch von zu viel Pracht in die Luft fliegt, wie es in einem seiner Gedichte heißt. Davor hütet er sich in seinem ganzen Werk.
Eine beachtliche Arbeit muss es für die Übersetzer Matthias Göritz, Liza Linde und Monika Rinck gewesen sein, überhaupt eine Auswahl aus dem großen Kosmos der salamunschen Sprachwelt zu treffen. Im "Zeichensaal" der Dichtung nimmt Tomaz Salamun einen würdevollen Platz ein, und sein Werk wird auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse mitten in der von ihm so lustvoll durchdrungenen geliebten Welt ein metaphysischer Schwerpunkt werden, während er selbst vielleicht im Himmel voller Steine seine "Zicklein hütet". Diesem Dichter, der wusste, dass er nur Gast in seinem Leben ist, war auch klar, dass es wichtig ist, ein genaues Hörvermögen zu entwickeln und die gleichmäßigen Abstände zwischen Dingen und Menschen als "beruhigend" zu empfinden. Vielleicht konnte er sich deshalb in aller Gelassenheit schon schreibend dem Tod stellen, mit einer Ruhe, vor der die meisten Menschen sich fürchten: "Warum nicht einmal ganz einfach / sagen, ich habe Angst vor dem Tod?" MARICA BODROZIC
Tomaz Salamun: "Steine aus dem Himmel". Gedichte.
Zweisprachige Ausgabe.
Ausgewählt und aus dem Slowenischen von Matthias Göritz, Liza Lunde und Monika Rinck. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023. 237 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Du bist Slowene, darum bist du traurig": Das supranationale lyrische Universum des Dichters Tomaz Salamun
In der vergänglichen Welt findet der slowenische Dichter Tomaz Salamun unvergängliche Bilder, indem er die "Erdkruste des Steins" durchdringt. Der Karst, die weiße Leinwand seiner lyrischen Projektionen, ist in seinen Gedichten stets oszillierend anwesend, als Ort in der Landschaft, als imaginierte Kraft der menschlichen Seele, vor allem aber als Klettergerüst seiner Worte. Beim Durchdringen seines Werks wird der steinige Urgrund seiner ersten Lebenslandschaft mehr und mehr zu einer Art ätherischer Körper, der sich am Logos entlang dem Logos entzieht. Dieses Paradoxon ist seinem ganzen dichterischen Werk und seiner aufspringenden Bildwelt eigen.
Tomaz Salamun kam 1941 im vom Faschismus heimgesuchten Zagreb zur Welt, wuchs in der slowenischen Seehafenstadt Koper auf und war einer der bekanntesten Dichter seines Landes, dessen Arbeiten in fast alle europäischen Sprachen übersetzt wurden. 2014 starb er in Ljubljana.
Ein seltsam schönes lyrisches Ich ist in seinen Gedichten chamäleonartig am Werk. Es vermag von sich selbst abzusehen und in der Einheit mit einem Baum zu sein, während es gleichzeitig bei Meister Eckhart und einem slowenischen Teenager fündig wird: "Und dort würgt, reißt, baut dir Gott / einen Wasserfall auf den Kopf." Die Aushebelung jeglicher Orientierung ist die Folge, und das macht seine Gedichte zu einem modernen mystischen Tanz, der verwirrt, abstößt und zeitgleich umarmt.
Seine transzendenten Wendungen und die Einwirbelungen seiner Gedanken in die moderne Alltagswelt haben Salamun weltberühmt gemacht. Doch nicht die bloß äußere Kraft seiner Sprache hat ihm dabei die Feder geführt, es war wohl eher seine Annahme, dass die Welt, in der wir leben, uns von Grund auf verletzlich macht. In einem Gespräch mit seinem jüngeren Dichterkollegen Ales Steger sagte Salamun einmal, man sei wahrscheinlich durch das, was die Welt aus einem herausholen will, enorm belastet. Doch das hat ihn nicht davon abgehalten, seine Sätze unter diesem Weltdruck wie "miteinander galoppierende Pferdchen" anzuordnen, die "lossausen", ohne ihn um Erlaubnis zu fragen.
Rätselhaft auf den ersten Blick in diesem supranationalen dichterischen Universum ist die plötzliche Einbringung der eigenen kollektiv gedachten Melancholie: "Du bist Slowene, darum bist du traurig." Doch einem jeden ist ein Anfang eingeschrieben, und dorthin kehrt auch das Doppelbödige seiner Trauer zurück. Bei Salamun ist das mehr als nur eine Blickkonstante, es ist die Aufforderung, "immer tiefer in den Samen zu ritzen", sich anders zu sehen, in einem größeren Zusammenhang, in Verflechtungen, in denen Ideen, Dinge, Steine und Elemente neu zu sprechen beginnen - sogar die Hostien "quietschen" dann bei ihm, und die "Siegel" sind "gelb umrandet". Die Tonlage des Johannesevangeliums, Posaunen, die das Niederknien schwer machen - all das wird zwar in diesen Gedichten konterkariert etwa mit "verfaultem Zahnfleisch", doch im Wissen, dass alles "am Grund des Flusses" rund sein wird wie die Steine in seinem Gedicht "Es ist zu heiß".
"Werden die Schwalben tief fliegen? Wer wird uns die Hände abschneiden?" Die religiösen Bilder dieses Dichters, die einem tief katholischen Universum entstammen, werden mit morbidem Material der körperlichen Vergänglichkeit und manchmal auch mit Gewalt konfrontiert. Aber dennoch wirkt ein helles Leuchten, ein mäanderndes Flimmern darin selbsttätig weiter, wenn etwa gesagt wird: "Ich wünsche mir Boden im Himmel, / dass ich paarig wäre beim Lecken der Augenlider. / Dass sie sich nicht höben."
Im Zusammenhang der Umkehrung von Himmel und Erde wird immer wieder ein anderes Sehen aufgerufen und darin das Schicksal als brütender Augenblick verstanden: "Manchmal wie ein Ei. Manchmal prügelt es mich / mit den Pfoten über den Hügel." Und doch müsse man zum Tod freundlich sein: "Alles gemeinsam in einem nassen Knödel. Zuhause ist, wo wir sind. / Wir sind nur einen Augenblick am Leben. Solange der Lack trocknet." In Sicherheit wähnt sich der Dichter, solange er seine Augen nicht schließt. Doch weiß er zu gut, dass sich irgendwann alles "wie am Münchener Straßenrand" umstellt auf die "Linie", "die später mit dem Schicksal synchronisiert wird".
Ob Gott, Weltgewebe oder die Frage nach der Eifersucht der Fische, alles in diesem poetischen Universum schwingt sich auf als Fürbitte, die es geschafft hat, den Sozialismus, die Traktoren und Müllhalden zu überleben, und dann überrascht es auch nicht, dass "die Sprache als Retterin der Liebe, / der Blumen, der Menschheit" verstanden wird und nicht zuletzt auch als "ein Werkzeug Gottes". Dabei weiß dieser Dichter sehr genau, dass der Mensch von zu viel Pracht in die Luft fliegt, wie es in einem seiner Gedichte heißt. Davor hütet er sich in seinem ganzen Werk.
Eine beachtliche Arbeit muss es für die Übersetzer Matthias Göritz, Liza Linde und Monika Rinck gewesen sein, überhaupt eine Auswahl aus dem großen Kosmos der salamunschen Sprachwelt zu treffen. Im "Zeichensaal" der Dichtung nimmt Tomaz Salamun einen würdevollen Platz ein, und sein Werk wird auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse mitten in der von ihm so lustvoll durchdrungenen geliebten Welt ein metaphysischer Schwerpunkt werden, während er selbst vielleicht im Himmel voller Steine seine "Zicklein hütet". Diesem Dichter, der wusste, dass er nur Gast in seinem Leben ist, war auch klar, dass es wichtig ist, ein genaues Hörvermögen zu entwickeln und die gleichmäßigen Abstände zwischen Dingen und Menschen als "beruhigend" zu empfinden. Vielleicht konnte er sich deshalb in aller Gelassenheit schon schreibend dem Tod stellen, mit einer Ruhe, vor der die meisten Menschen sich fürchten: "Warum nicht einmal ganz einfach / sagen, ich habe Angst vor dem Tod?" MARICA BODROZIC
Tomaz Salamun: "Steine aus dem Himmel". Gedichte.
Zweisprachige Ausgabe.
Ausgewählt und aus dem Slowenischen von Matthias Göritz, Liza Lunde und Monika Rinck. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023. 237 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Spektakulär findet Rezensent Alexandru Bulucz die surrealistischen Gedichte von Tomaž Šalamun, versammelt in diesem, wie er lobt, trefflich übersetzten Band, mit dem der Autor wieder zu alter Größe findet. Dabei sind sie aber nichts für schwache Nerven, warnt er: Die Texte überfallen den Leser mit einem "Irrationalen inszenierenden Assoziations- und Anspielungsfuror", der es in sich hat, und lassen dabei einen Tabubruch auf den nächsten folgen. Es geht dabei um Persönliches und Gesellschaftliches, um Liebe, um das Verhältnis von Surrealismus und sexueller Freiheit, und um die Sprache selbst, so der Kritiker. Konventionen würden dabei programmatisch ignoriert, zum Beispiel wenn Salamun sein lyrisches Ich in die Nähe Gottes rückt : "Ich bin nur einen Steinwurf von Gott entfernt./ Er streichelt mir die Nasenlöcher, ich weiß, sein Streicheln ist wie Kokain." Ein Ereignis, jubelt der Kritiker.
© Perlentaucher Medien GmbH
© Perlentaucher Medien GmbH
»... ein guter Einstieg in den lyrischen Kosmos des Dichters.« ORF 20231102