Was heißt es, für andere zu sprechen? Was, wenn für einen gesprochen wird? Gegenwärtige Krisen geben der Frage nach dem Sprechen und Handeln für andere eine neue Dringlichkeit. Wie tritt man für diejenigen ein, deren Stimme nicht gehört wird? Für Staatenlose, künftige Generationen, nichtmenschliche Akteure, Umwelten? Die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen von Repräsentation stellt sich vor diesem Hintergrund neu und kann durch die hier einspringende Technik der Stellvertretung anders gewendet werden. Dabei erweist sich diese Technik nicht als bloße Ausnahme für vermeintliche Grenzfälle. Vielmehr wohnt der Stellvertretung, wie dieses Buch zeigt, einem jeden Sprechen und Handeln inne. In der Geschichte der theatralen, theologischen, juridischen und narrativen Modelle der Stellvertretung zeigt sich die konstitutive Ambivalenz solcher Auftrittsszenen: Stellvertretung kann gerade diejenigen, die sonst nicht gehört werden, hervortreten lassen; als Vertretung der Stelle verdoppelt und spaltet sie diese aber gleichzeitig und droht eben jene zu verdrängen, die sie vertritt. In Lektüren von Aischylos über Shakespeare und Hobbes, Kleist und Kant, bis hin zu Kafka und den "ecopoetics" entfaltet Katrin Trüstedt die vielschichtige Archäologie der Stellvertretung. Dabei zeichnet sich auch eine andere Geschichte der Person ab, die nur vermeintlich einfach selbst sprechen kann, aber doch auf die Struktur der Stellvertretung verwiesen bleibt. Entgegen dem Versuch ihrer Überwindung und Verinnerlichung im Subjekt will dieses Buch die interpersonale Technik der Stellvertretung in all ihrer Komplexität entfalten, um so eine dynamischere Szene der Person und der Repräsentation zu eröffnen.
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