Serienmörder das wissen wir aus der Forschung, treten sehr selten auf. Vermutlich nur ein Prozent aller Tötungsdelikte werden von ihnen begangen, und doch erschüttern uns ihre Verbrechen wie keine anderen. Sie morden um des Mordens willen, und jeder könnte ihr Opfer werden, solange er in das Muster des Täters passt. Wie im Fall des "Monsters von Florenz", des Mannes, der von 1968 bis 1985 Liebespaare in den Hügeln der Toskana tötete. Seine Taten prägten eine Stadt, eine Region, das ganze Land. Der Fall des "Monsters" wurde zum Symbol für eine unfähige Justiz, für eine Gemeinschaft, in der man sich gegenseitig verdächtigte, für eine Bevölkerung, die kein Vertrauen in die Polizei hatte. Vor allem aber schuf er ein alles durchdringendes Bedrohungsgefühl. Der Fotograf Mirko Viglino, der seit Jahren diesen Fall begleitet und dessen Bilder uns zu unserer Titelgeschichte inspiriert haben, sagt: "Als kleiner Junge las ich alles darüber. Wie jeder Italiener war ich voller Angst und trotzdem gebannt von diesen Morden. Keiner fühlte sich mehr sicher." So selten Serientäter sind, so sehr kann die Furcht, die sie verbreiten, das Verhalten ganzer Generationen prägen. Wie in jeder italienischen Stadt war es auch in Florenz unter jungen Verliebten üblich, vor den strengen Sitten in Parks, Wälder und auf abgelegene Hügel zu fliehen. In der Enge ihrer Autos konnten sie unbemerkt von den Eltern zusammen sein. Nach den Morden wagte das kaum einer mehr. Und Eltern scherten sich nicht mehr um alte Tabus und ließen ihre Kinder zu Hause gewähren. Doch die Angst vor den strengen Moralgesetzen scheint größer zu sein als die vor einem Mörder. Als Viglino in den letzten Jahren rund um Florenz fotografierte, stellte er fest, dass nachts wieder viele Autos in den Hügeln zu sehen sind. Es gibt eine neue Generation von Liebespaaren, die wieder die versteckte Einsamkeit sucht. Auch an den Tatorten des "Monsters von Florenz".
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