Isaiah Quintabe, der geniale Privatdetektiv ohne Lizenz, der meistens für die einfachen Leute in Long Beach, L.A., Probleme löst, stößt auf das Wrack des Autos, mit dem vor Jahren sein Bruder Marcus getötet worden war Schnell ist ihm klar: Es war kein Unfall, sondern Mord. Gleichzeitig meldet sich die damalige Freundin seines Bruders – ihre Halbschwester in Las Vegas steckt in Schwierigkeiten. Hoffnungslos spielsüchtig hatte die mit ihrem Freund versucht, die 14K-Triade zu erpressen. IQ und sein Sidekick Dodson machen sich auf nach Las Vegas, um die Situation zu entschärfen. Gleichzeitig regt sich der Verdacht, dass IQs toter Bruder Marcus vielleicht doch kein Heiliger war und Verbindungen zu dem ruandischen Gangster Seb Habimana hatte. IQ muss an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen, denn zudem haben sich noch ein übler Kredithai und die Locos Surenos 13, eine mächtige Gang, an seine Fersen geheftet. Schwerstarbeit für IQ und Dodson, die zur Hochform auflaufen. Und im Hintergrund lauert ein düstrer Feind …
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Leben und Sterben in Long Beach: Joe Ide "Stille Feinde"
Es war kein Unfall, es war Mord. Diese Erkenntnis stellt die ohnehin schon turbulente Welt des gerade einmal 25 Jahre jungen Privatdetektivs Isaiah Quintabe, kurz I. Q. genannt, komplett auf den Kopf. Sein geliebter Bruder Marcuswar nicht nur sein bester Freund. In ihm sah und sieht der grüblerische Einzelgänger die unerreichbare, bessere Version seiner selbst. Marcus war freundlich und aufgeschlossen, so ehrlich wie das Handwerk, mit dem der gelernte Maler seine Brötchen verdiente. Er war eine Rarität in Long Beach, L.A.,wo die ungleichen Brüder zusammenhielten, wie Pech und Schwefel. Doch dann trat zunächst Sarita in Marcus' Leben, eine Frau, fast zu perfekt um wahr zu sein, eigentlich zu ambitioniert, um sich länger mit jemandem von Marcus' sozialem Status abzugeben. Doch die beiden wurden ein Paar. Die Brüder entfremdeten sich zunehmend voneinander. Und schließlich kam jener verhängnisvolle Tag, an dem I. Q. dem sterbenden Marcus am Straßenrand die Hand hielt. Ein Auto hatte ihn angefahren, der Fahrer die Flucht ergriffen, jede Hilfe kam zu spät.
Acht Jahre ist das her. Seitdem hält sich I. Q. engerezwischenmenschliche Bindungen vom Leib. Dabei stets zu Diensten ist ihm sein Pitbull Ruffin, der allein aufgrund seiner Präsenz jene Blase vor Fremdeinwirkungen schützt, in der sein Herrchen sich ungestört seinen Gedankenspielen und seiner Trauer hingeben kann. In seinem Viertel genießt I. Q. trotzdem einen guten Ruf. Als Privatdetektiv hat er dank seines Instinktes und scharfen Verstandes so manchen Fall gelöst, für den sich die Polizei nie wirklich interessiert hätte. Zum Beispiel sorgte er dafür, dass eine Schule ihre aus den Klassenzimmern gestohlenen Computer zurückbekam und dass ein Feuerteufel gefasst wurde. Kurz: I. Q. genießt Respekt und Schutz. Das ist kaum zu überschätzen in einer Stadt, in der die Revierkämpfe rivalisierender Banden den Alltag mit schwelender Aggression prägen, in der Gewalt jederzeit und überall explodieren kann.
Doch all das setzt I. Q. ohne zu zögern aufs Spiel, als er zufällig auf einem Schrottplatz jenen Honda Accord entdeckt, der das Leben seines Bruders - und dadurch auch sein eigenes - so brutal und unverhofft zerstört hatte. Einige Recherchen später steht für ihn fest: Marcus ist kaltblütig ermordet worden. I. Q. würde alle Aufträge stehen und liegen lassen, um den Täter und dessen Motive herauszufinden. Aber plötzlich steht auch noch Sarita vor ihm und bittet ihn, sich um ihre Schwester Janine zu kümmern. Die ist in Las Vegas als DJ gut im Geschäft, verjubelt aber gemeinsam mit ihrem spielsüchtigen Freund Benny alle Einnahmen undmehr in den Casinos. Ihre Geldeintreiber sind gerade dabei, von den üblichen Drohungen zu handfesten Foltermaßnahmen überzugehen. I. Q. kann nicht anders, als Saritas Bitte zu entsprechen. Schließlich hatte er schon zu Marcus' Lebzeiten heimlich ein Auge auf sie geworfen ...
Wie in seinem Debütroman "I.Q." gelingt es Joe Ide auch diesmal, seine Leserschaft mit etlichen Spannungsfäden zu fesseln und ein atmosphärisches, von popkulturellen Anspielungen durchsetztes Bild von Long Beach, L.A., zu entwerfen. In den Geschichten um Gangs, organisiertes Verbrechen und verrohte Teenager, die nicht einmal mehr das Gesetz der Straße zu respektieren scheinen, mag es bisweilen drastisch und deftig zugehen. Gleichzeitig bietet das persönliche Drama von Detektiv Isaiah Quintabe, das diesmal im Mittelpunkt steht, einen emotionalen Zugang, der diese Welt nachvollziehbar macht. Das funktioniert nicht zuletzt auch deshalb so gut, weil der Berlinerin Conny Lösch hier einmal mehr eine kongeniale Übersetzung dieser sehr spezifischen US-amerikanischen Lebens- und Gedankenwelt gelungen ist.
Es war kein Unfall, es war Mord. Diese Erkenntnis stellt die ohnehin schon turbulente Welt des gerade einmal 25 Jahre jungen Privatdetektivs Isaiah Quintabe, kurz I. Q. genannt, komplett auf den Kopf. Sein geliebter Bruder Marcuswar nicht nur sein bester Freund. In ihm sah und sieht der grüblerische Einzelgänger die unerreichbare, bessere Version seiner selbst. Marcus war freundlich und aufgeschlossen, so ehrlich wie das Handwerk, mit dem der gelernte Maler seine Brötchen verdiente. Er war eine Rarität in Long Beach, L.A.,wo die ungleichen Brüder zusammenhielten, wie Pech und Schwefel. Doch dann trat zunächst Sarita in Marcus' Leben, eine Frau, fast zu perfekt um wahr zu sein, eigentlich zu ambitioniert, um sich länger mit jemandem von Marcus' sozialem Status abzugeben. Doch die beiden wurden ein Paar. Die Brüder entfremdeten sich zunehmend voneinander. Und schließlich kam jener verhängnisvolle Tag, an dem I. Q. dem sterbenden Marcus am Straßenrand die Hand hielt. Ein Auto hatte ihn angefahren, der Fahrer die Flucht ergriffen, jede Hilfe kam zu spät.
Acht Jahre ist das her. Seitdem hält sich I. Q. engerezwischenmenschliche Bindungen vom Leib. Dabei stets zu Diensten ist ihm sein Pitbull Ruffin, der allein aufgrund seiner Präsenz jene Blase vor Fremdeinwirkungen schützt, in der sein Herrchen sich ungestört seinen Gedankenspielen und seiner Trauer hingeben kann. In seinem Viertel genießt I. Q. trotzdem einen guten Ruf. Als Privatdetektiv hat er dank seines Instinktes und scharfen Verstandes so manchen Fall gelöst, für den sich die Polizei nie wirklich interessiert hätte. Zum Beispiel sorgte er dafür, dass eine Schule ihre aus den Klassenzimmern gestohlenen Computer zurückbekam und dass ein Feuerteufel gefasst wurde. Kurz: I. Q. genießt Respekt und Schutz. Das ist kaum zu überschätzen in einer Stadt, in der die Revierkämpfe rivalisierender Banden den Alltag mit schwelender Aggression prägen, in der Gewalt jederzeit und überall explodieren kann.
Doch all das setzt I. Q. ohne zu zögern aufs Spiel, als er zufällig auf einem Schrottplatz jenen Honda Accord entdeckt, der das Leben seines Bruders - und dadurch auch sein eigenes - so brutal und unverhofft zerstört hatte. Einige Recherchen später steht für ihn fest: Marcus ist kaltblütig ermordet worden. I. Q. würde alle Aufträge stehen und liegen lassen, um den Täter und dessen Motive herauszufinden. Aber plötzlich steht auch noch Sarita vor ihm und bittet ihn, sich um ihre Schwester Janine zu kümmern. Die ist in Las Vegas als DJ gut im Geschäft, verjubelt aber gemeinsam mit ihrem spielsüchtigen Freund Benny alle Einnahmen undmehr in den Casinos. Ihre Geldeintreiber sind gerade dabei, von den üblichen Drohungen zu handfesten Foltermaßnahmen überzugehen. I. Q. kann nicht anders, als Saritas Bitte zu entsprechen. Schließlich hatte er schon zu Marcus' Lebzeiten heimlich ein Auge auf sie geworfen ...
Wie in seinem Debütroman "I.Q." gelingt es Joe Ide auch diesmal, seine Leserschaft mit etlichen Spannungsfäden zu fesseln und ein atmosphärisches, von popkulturellen Anspielungen durchsetztes Bild von Long Beach, L.A., zu entwerfen. In den Geschichten um Gangs, organisiertes Verbrechen und verrohte Teenager, die nicht einmal mehr das Gesetz der Straße zu respektieren scheinen, mag es bisweilen drastisch und deftig zugehen. Gleichzeitig bietet das persönliche Drama von Detektiv Isaiah Quintabe, das diesmal im Mittelpunkt steht, einen emotionalen Zugang, der diese Welt nachvollziehbar macht. Das funktioniert nicht zuletzt auch deshalb so gut, weil der Berlinerin Conny Lösch hier einmal mehr eine kongeniale Übersetzung dieser sehr spezifischen US-amerikanischen Lebens- und Gedankenwelt gelungen ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2018Mord in Berlin, Las Vegas und Montevideo
Krimis in Kürze: Joe Ide, Lutz Wilhelm Kellerhoff und Mercedes Rosende
Es ist nicht leicht, ein Privatdetektiv zu sein. Im wirklichen Leben nicht, und erst recht nicht in der Literatur, wenn man den Job ernst nimmt. Zu viele Vorbilder und Archetypen, zu viele Epigonen und Karikaturen hat das Subgenre schon verkraften müssen. Insofern war es mutig von Joe Ide, als er in seinem ersten Buch "I.Q." vor zwei Jahren einen jungen Mann namens Isaiah Quintabe in die Welt setzte, einen afroamerikanischen Ermittler in Long Beach, der eher wie ein freundlicher Sozialarbeiter in seinem Kiez Probleme löst - wenn zum Beispiel ein schwer erziehbarer Schüler die Mitglieder der Naturwissenschaften-AG tyrannisiert.
Pittoresk oder harmlos geht es deswegen aber nicht zu, und das erkennt man auch bei IQs zweitem Auftritt in "Stille Feinde" (Suhrkamp, 399 S., br., 14,95 [Euro]) schnell. Er muss Prügel einstecken von der Gang der Locos Surenos, und er bekommt einen Auftrag, von dem er selber ahnt, dass der mindestens zwei Nummern zu groß für ihn ist. Er nimmt ihn an, weil die schöne Sarita ihn bittet, die Freundin seines vor Jahren bei einem Unfall verstorbenen Bruders. Mit seinem Sidekick Dodson muss er nach Las Vegas, wo chinesische Triaden lauern und ein beinharter Geldverleiher.
Der Reiz dieser Konstellation ist zugleich auch ihr Problem. Die ab und zu blutige Komik, die aus dem drastischen Missverhältnis zwischen der Spurbreite des Detektivs und dem Aktionsradius der Verbrecher entsteht, führt am Ende dazu, dass Isaiah deutlich mehr Heldentaten vollbringen muss, als der Glaubwürdigkeit der Figur guttut, nur damit der Plot nicht auseinanderfliegt.
Autorenkollektive waren zu der Zeit, in der der Roman "Die Tote im Wannsee" (Ullstein, 384 S., br., 16.- [Euro]; erscheint am Freitag dieser Woche) spielt, sehr beliebt, um den kleinbürgerlichen Individualismus zu überwinden und der Revolution zum Sieg zu verhelfen. Und sei es auch nur in Westberlin. Das hat nun das Kollektiv Lutz Wilhelm Kellerhoff nicht vor, zu dem sich die Journalisten Martin Lutz und Sven Felix Kellerhoff sowie der Drehbuchautor Uwe Wilhelm zusammengeschlossen haben. Ihr Plot setzt ein im Herbst 1968, kurz vor der sogenannten Schlacht am Tegeler Weg, einem Wendepunkt in der Geschichte der Studentenbewegung, an dem Pflastersteine flogen und hinterher die Gewaltdebatte heftig aufflammte.
Die Autorentroika macht nicht den Fehler, sich zu tief hinein in das studentische Milieu zu begeben und Achtundsechziger-Folklore zu produzieren. Der Mordfall ist das Zentrum, die Tote hat in der Kanzlei von Horst Mahler gearbeitet. Der junge Kommissar Heller hat zwar keine Sympathien für die APO, höchstens für eine junge Kommunardin, aber er hat einen Vater mit Nazivergangenheit und vor allem ältere Kollegen, die in die Kategorie "Hitlers willige Vollstrecker" fallen. Der Staatsschutz und Stasi-Spitzel spielen auch mit, wobei das Buch von der späten Erkenntnis profitiert, dass Karl-Heinz Kurras, der Mörder Benno Ohnesorgs, für die Stasi tätig war.
"Die Tote im Wannsee" ist nicht nur gut recherchiert, sondern mit Gespür für Timing erzählt. Es entsteht dabei ein lebendiger Querschnitt durch verschiedene Westberliner Milieus, der auch zeigt, wie sehr gerade hier Nazizeit, Nachkriegsschweigen und Wirtschaftswunderjahre einander noch überlagerten. Liebevoll und genau plaziert das Buch auch typische kleine Requisiten wie den Wackel-Dackel, Bluna und Toast Hawaii. Nur mit der Behauptung, dass man 1968 mit der U-Bahn-Linie 7 direkt von Charlottenburg zum Mehringdamm fahren konnte, ist der Roman seiner Zeit fast zehn Jahre voraus.
Man muss kein Lateinamerika-Kenner sein, um zu wissen, dass es mehr international anerkannte Fußballer aus Uruguay gibt als Schriftsteller. Umso neugieriger wird man dann, wenn ein Krimi aus dem Land auftaucht, in dem weniger Menschen leben als in Berlin. Mercedes Rosendes "Krokodilstränen" (Unionsverlag, 224 S., geb., 18.- [Euro]) erzählt eine Geschichte von Verlierern, brutalen Gaunern, einem zwielichtigen Anwalt und dem spektakulären Überfall auf einen Geldtransporter, bei dem so ziemlich alles anders läuft als geplant. Eine eher müde Kommissarin mit dem schönen Namen Leonilda Lima geht der Sache nach, und es gibt zwei Frauen, die beide Úrsula López heißen, was dem Plot seinen ganz besonderen Twist gibt.
Die sechzigjährige Rosende, eine gelernte Juristin, hat eine angenehm lakonische Art, die gutgeölte Mechanik eines Plots ist ihr weniger wichtig als die Eigenarten ihrer Figuren, sie wechselt spielerisch Tempo, Tonlagen und Erzählperspektiven, ohne dass das je manieriert wirkte. Und wie nebenbei lässt sie den Schauplatz anschaulich werden - die kleine, schäbige, verwinkelte Welt der Altstadt von Montevideo. Von dieser Erzählerin läse man gerne mehr.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Joe Ide, Lutz Wilhelm Kellerhoff und Mercedes Rosende
Es ist nicht leicht, ein Privatdetektiv zu sein. Im wirklichen Leben nicht, und erst recht nicht in der Literatur, wenn man den Job ernst nimmt. Zu viele Vorbilder und Archetypen, zu viele Epigonen und Karikaturen hat das Subgenre schon verkraften müssen. Insofern war es mutig von Joe Ide, als er in seinem ersten Buch "I.Q." vor zwei Jahren einen jungen Mann namens Isaiah Quintabe in die Welt setzte, einen afroamerikanischen Ermittler in Long Beach, der eher wie ein freundlicher Sozialarbeiter in seinem Kiez Probleme löst - wenn zum Beispiel ein schwer erziehbarer Schüler die Mitglieder der Naturwissenschaften-AG tyrannisiert.
Pittoresk oder harmlos geht es deswegen aber nicht zu, und das erkennt man auch bei IQs zweitem Auftritt in "Stille Feinde" (Suhrkamp, 399 S., br., 14,95 [Euro]) schnell. Er muss Prügel einstecken von der Gang der Locos Surenos, und er bekommt einen Auftrag, von dem er selber ahnt, dass der mindestens zwei Nummern zu groß für ihn ist. Er nimmt ihn an, weil die schöne Sarita ihn bittet, die Freundin seines vor Jahren bei einem Unfall verstorbenen Bruders. Mit seinem Sidekick Dodson muss er nach Las Vegas, wo chinesische Triaden lauern und ein beinharter Geldverleiher.
Der Reiz dieser Konstellation ist zugleich auch ihr Problem. Die ab und zu blutige Komik, die aus dem drastischen Missverhältnis zwischen der Spurbreite des Detektivs und dem Aktionsradius der Verbrecher entsteht, führt am Ende dazu, dass Isaiah deutlich mehr Heldentaten vollbringen muss, als der Glaubwürdigkeit der Figur guttut, nur damit der Plot nicht auseinanderfliegt.
Autorenkollektive waren zu der Zeit, in der der Roman "Die Tote im Wannsee" (Ullstein, 384 S., br., 16.- [Euro]; erscheint am Freitag dieser Woche) spielt, sehr beliebt, um den kleinbürgerlichen Individualismus zu überwinden und der Revolution zum Sieg zu verhelfen. Und sei es auch nur in Westberlin. Das hat nun das Kollektiv Lutz Wilhelm Kellerhoff nicht vor, zu dem sich die Journalisten Martin Lutz und Sven Felix Kellerhoff sowie der Drehbuchautor Uwe Wilhelm zusammengeschlossen haben. Ihr Plot setzt ein im Herbst 1968, kurz vor der sogenannten Schlacht am Tegeler Weg, einem Wendepunkt in der Geschichte der Studentenbewegung, an dem Pflastersteine flogen und hinterher die Gewaltdebatte heftig aufflammte.
Die Autorentroika macht nicht den Fehler, sich zu tief hinein in das studentische Milieu zu begeben und Achtundsechziger-Folklore zu produzieren. Der Mordfall ist das Zentrum, die Tote hat in der Kanzlei von Horst Mahler gearbeitet. Der junge Kommissar Heller hat zwar keine Sympathien für die APO, höchstens für eine junge Kommunardin, aber er hat einen Vater mit Nazivergangenheit und vor allem ältere Kollegen, die in die Kategorie "Hitlers willige Vollstrecker" fallen. Der Staatsschutz und Stasi-Spitzel spielen auch mit, wobei das Buch von der späten Erkenntnis profitiert, dass Karl-Heinz Kurras, der Mörder Benno Ohnesorgs, für die Stasi tätig war.
"Die Tote im Wannsee" ist nicht nur gut recherchiert, sondern mit Gespür für Timing erzählt. Es entsteht dabei ein lebendiger Querschnitt durch verschiedene Westberliner Milieus, der auch zeigt, wie sehr gerade hier Nazizeit, Nachkriegsschweigen und Wirtschaftswunderjahre einander noch überlagerten. Liebevoll und genau plaziert das Buch auch typische kleine Requisiten wie den Wackel-Dackel, Bluna und Toast Hawaii. Nur mit der Behauptung, dass man 1968 mit der U-Bahn-Linie 7 direkt von Charlottenburg zum Mehringdamm fahren konnte, ist der Roman seiner Zeit fast zehn Jahre voraus.
Man muss kein Lateinamerika-Kenner sein, um zu wissen, dass es mehr international anerkannte Fußballer aus Uruguay gibt als Schriftsteller. Umso neugieriger wird man dann, wenn ein Krimi aus dem Land auftaucht, in dem weniger Menschen leben als in Berlin. Mercedes Rosendes "Krokodilstränen" (Unionsverlag, 224 S., geb., 18.- [Euro]) erzählt eine Geschichte von Verlierern, brutalen Gaunern, einem zwielichtigen Anwalt und dem spektakulären Überfall auf einen Geldtransporter, bei dem so ziemlich alles anders läuft als geplant. Eine eher müde Kommissarin mit dem schönen Namen Leonilda Lima geht der Sache nach, und es gibt zwei Frauen, die beide Úrsula López heißen, was dem Plot seinen ganz besonderen Twist gibt.
Die sechzigjährige Rosende, eine gelernte Juristin, hat eine angenehm lakonische Art, die gutgeölte Mechanik eines Plots ist ihr weniger wichtig als die Eigenarten ihrer Figuren, sie wechselt spielerisch Tempo, Tonlagen und Erzählperspektiven, ohne dass das je manieriert wirkte. Und wie nebenbei lässt sie den Schauplatz anschaulich werden - die kleine, schäbige, verwinkelte Welt der Altstadt von Montevideo. Von dieser Erzählerin läse man gerne mehr.
PETER KÖRTE
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»Joe Ide ist das Beste, was dem Kriminalroman seit sehr langem passiert ist.« Janet Maslin The New York Times