Essay aus dem Jahr 1999 im Fachbereich Geschichte Europa - Deutschland - Nationalsozialismus, II. Weltkrieg, , Sprache: Deutsch, Abstract: Weder die lokalen KZ-Gedenkstätten, noch ein zentrales Holocaust- Mahnmal werden - so befürchte ich - für die Generationen unserer Kinder- und Kindeskinder von prägender emotionaler Bedeutung sein. Diese Form des Gedenkens ist >unser< Gedenken. Und vielleicht ist sie sogar noch mehr das Gedenken der unmittelbar Nachgeborenen, als das derjenigen, die den Nationalsozialismus noch bewußt erlebt haben. Nicht nur deshalb, weil >wir 68er< dieses Gedenken als Zwangsoffenbarung gegenüber der Vätergeneration argumentativ in Stellung brachten und uns so auf die Seite der NS-Widerstands zu schlagen hofften, sondern auch deswegen, weil ein anderes Gedenken massive Konsequenzen für unsere Selbstwahrnehmung hätte. Denn die Gleichsetzung von Nationalsozialismus mit Massenverbrechen hatte eine nicht beabsichtigte, aber doch willkommene Folge: Sie rückte die Nazizeit in eine historische, moralische, emotionale Distanz, in der wir Nachgeborenen uns ganz sicher fühlen können. Mit diesem monströsen Rückfall in die Barbarei haben wir nichts, aber auch gar nichts zu schaffen. Ob Goldhagen-Debatte oder Wehrmachtsausstellung [die übrigens im November nach Hannover kommen wird]: Wir beschwören die schreckliche Vergangenheit und distanzieren uns zugleich davon. Auf diese Weise führt jegliche Beschäftigung mit den NS-Massenverbrechen unbewußt zur Errichtung einer inneren Mauer, die uns Nachgeborene, aber natürlich auch die NS-Generation, von der alltäglichen Koinzidenz unserer Hoffnungen; Wünsche und Ängste und denen des nationalsozialistischen Alltags trennt.
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