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Eveline Hasler erzählt dokumentarisch aus dunkler Zeit
Zürich 1933. Unter der Leitung des Theaterbesitzers Ferdinand Rieser schickt sich das Schauspielhaus an, zur besten deutschsprachigen Bühne zu werden. Alles, was Rang und Namen hat und im nationalsozialistischen Deutschland nicht mehr erwünscht ist, holt Rieser nach Zürich und setzt auf kritische Stücke wie Ferdinand Bruckners "Die Rassen" oder Friedrich Wolfs "Professor Mannheim". In der neutralen Schweiz macht er sich damit nicht nur Freunde. Von seinen Kämpfen und seiner Durchsetzungskraft, aber auch von den Menschen in seinem Umfeld erzählt Eveline Haslers neues Buch.
Da sind zum Beispiel die Schwarzenbachs, eine Industriellenfamilie, deren Mitglieder größtenteils rechtslastigen Ansichten zuneigen und damit in natürlicher Opposition zu Riesers Schauspielhaus stehen. Vor allem der später auch als Politiker hervorgetretene James Schwarzenbach unterstützt tatkräftig die Versuche der nationalen Front, die deutschlandkritischen Theateraufführungen zu stören und zu sabotieren. Da sind aber auch die Manns, die Zürich als erste Exilstation ausgewählt haben. Mit wohlwollender Distanz würdigt der längst berühmte Thomas Mann Riesers Bemühungen, während seine ältesten Kinder Erika und Klaus offen gegen das nationalsozialistische Deutschland mobil machen. Ihnen wiederum verfällt Marianne Schwarzenbach, die aus dem konservativen Habitus ihrer Familie ausbricht und sich als bohemehafte Reiseschriftstellerin versucht. Und dann sind da schließlich noch die Werfels, ist Ferdinand Riesers Frau Marianne doch die Schwester von Franz Werfel. Über sie kommt auch das Wiener und Prager Milieu dieser Jahre ins Spiel, bis hin zu Spuren von Franz Kafka.
Eveline Hasler führt diese intrikaten Personenkonstellationen zusammen und erzählt aus verschiedenen Perspektiven. Vieles wird nur angedeutet und rasch skizziert. Reizvoll sind nicht zuletzt die Versuche, die Sichtweise der Kinder miteinzubeziehen. So erzählt Else Schwarzenbach Mucki, der Tochter der Riesers, von den Versuchen ihrer Verwandten, eine Stinkbombe zu basteln und das "Judentheater" auszuräuchern: "Ist dein Papa Jude, Mucki?" "Nein, Theaterdirektor!" Neben solchen pointenhaften Verkürzungen besteht aber auch manches Mal die Gefahr, dass das Buch zu einer Art Namedropping gerät. Über weite Strecken weiß man nicht genau, ob es sich nun mehr um ein solide recherchiertes Sachbuch oder eher um eine romanhafte Aufbereitung von Geschichte handeln soll. So stilsicher Eveline Hasler auch im Detail ist, besteht darin ein grundlegendes Problem ihres Zugriffs.
Zuallererst hat man ihr Buch aber wohl als Ehrenrettung für Ferdinand Rieser zu lesen, dem weder zu Lebzeiten noch nach seinem Tod die verdiente Anerkennung zuteilwurde. Eindrucksvoll wird geschildert, wie viel Zeit, Geld und Energie er in sein Theaterprojekt gesteckt und es gegen alle Widerstände verteidigt hat. Mit hohem persönlichem Risiko holte er verfolgte oder inhaftierte Künstler wie Wolfgang Langhoff aus Deutschland oder versteckte sie vor dem Zugriff der Fremdenpolizei in seiner Villa. Gedankt haben sie es ihm nur bedingt: In ihren Augen blieb er der reiche Kapitalist, der sie ausbeutete und dadurch erpresste, dass ihr Aufenthaltsrecht in der Schweiz an seine stets kurzzeitigen Verträge gebunden war. Das Buch endet mit seinem Begräbnis in Zürich 1947, kurz nach seiner Rückkehr aus Amerika - weder ein Vertreter der Stadt noch eine Delegation des Schauspielhauses erweisen ihm die letzte Ehre.
THOMAS MEISSNER.
Eveline Hasler: "Stürmische Jahre". Die Manns, die Riesers, die Schwarzenbachs.
Verlag Nagel & Kimche, München 2015. 223 S., geb., 21,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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