Der Balkan - das war von den europäischen Zentren aus betrachtet immer das Fremde, Exotische und Rückständige. Marie-Janine Calic schreibt die Geschichte Südosteuropas als Weltgeschichte und hinterfragt dabei die gängigen Stereotype über die Region. Die Bewohner Südosteuropas teilen viele gemeinsame Erfahrungen, und bis heute sind ihre Schicksale wechselseitig eng miteinander verknüpft. Eine gemeinsame Identität sucht man dennoch vergeblich. Stattdessen hat sich hier eine einzigartige Vielfalt herausgebildet, die sich nicht zuletzt überregionalen Bezügen verdankt. Werden und Wandel Südosteuropas von der Antike bis zur Gegenwart werden daher in diesem Buch nicht bloß aus der Region selbst erklärt, sondern aus einer globalgeschichtlichen Perspektive neu betrachtet. Dabei zeigt sich, dass der Austausch mit dem Rest der Welt eine viel größere Rolle gespielt hat, als es in den gängigen historischen Darstellungen zum Ausdruck kommt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.02.2017Barttracht mit Steuerpflicht
Marie-Janine Calic liefert in der großen Erzählung über Südosteuropa viel Material
Es gibt in Europa keine Großregion, die es an Komplexität mit Südosteuropa aufnehmen könnte. Nirgendwo sonst hat die Geschichte ihre Fäden so dicht gewebt wie in dem von beständigen Ein- und Auswanderungen geprägten Raum zwischen Mitteleuropa, Mittelmeer und Schwarzem Meer. Gegenwärtig leben hier an die 100 Millionen Menschen, die sich linguistisch in Albaner und Griechen, Rumänen, Roma und Türken sowie - in der slawischen Sprachfamilie - in Slowenen, Kroaten, Serben, Bosnier, Montenegriner, Mazedonier und Bulgaren teilen.
Auf dem Balkan begegneten, kreuzten und überlagerten sich die slawischen, romanischen, griechischen und türkischen Kulturkreise, bekämpften einander und koexistierten Katholizismus, Orthodoxie, Islam und Judentum, schwankten die Eliten zwischen Modernisierung und reaktiver Abwehr, zwischen Aufklärung und Romantik. Die totalitären Import-Ideologien des Nationalismus und des Sozialismus stürzten die Völker in ein langes, blutiges Chaos, dessen Folgen bis heute nicht überwunden sind. Auf der Balkanhalbinsel herrschten und zerfielen die Großreiche der Pforte und der Habsburger, intervenierten Russland, Deutschland und die Westmächte, vollzog und vollzieht sich die Integration in die europäischen und transatlantischen Strukturen bis heute langsamer und mit erheblich größeren Widerständen, als dies in Ostmitteleuropa der Fall war.
Die Vielzahl der Selbst- und Fremdbeschreibungen der Balkan-Nationen sowie ihre meist der jeweiligen Ethnogenese gewidmeten Narrative sind kaum zu überblicken. Heftig sträubt sich die berauschende, identitätsstiftende Macht gemeinschaftlicher Erinnerung gegen die Nüchternheit wissenschaftlich betriebener Geschichte. Die Völker des Balkans sind von ihrer eigenen Vergangenheit geradezu besessen, Blut und Tinte fließen hier gleichermaßen in Strömen. Es handelt sich, um es salopp zu formulieren, um eine Region mit erheblichem Erklärungsbedarf, die Historiker vor besondere Probleme stellt. An der letzten großen deutschsprachigen Geschichte Südosteuropas arbeiteten 14 Historiker. Die Herausgeber Konrad Clewing und Oliver Schmitt begründeten dies 2011 damit, dass eine umfassende Darstellung dieses Geschichtsraums "für einen einzelnen Gelehrten kaum zu bewältigen" sei. Wer sich mit einer Gesamtdarstellung des Balkans beschäftigt, setzt sich der Gefahr aus, entweder den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen oder sich zu gewagten Verallgemeinerungen hinreißen zu lassen, die sich so rasch widerlegen lassen, wie sie formuliert wurden.
Marie-Janine Calic, Professorin für die Geschichte Ost- und Südosteuropas in München, hat nicht nur den Mut für eine neue Gesamtgeschichte aufgebracht, sondern auch eine eigenständige Methode erarbeitet, um diesen Gefahren auszuweichen. In der Einleitung ihres lesenswerten Buches unterscheidet sie drei unterschiedliche Ansätze, sich der südosteuropäischen Geschichte anzunehmen. Der erste, zugleich der älteste, stellt die Entwicklung der Nationen und Nationalstaaten in den Mittelpunkt. Das, räumt Calic ein, entspreche zwar dem "primären Erfahrungs- und Handlungsraum" der allermeisten Menschen der Region, habe aber den Nachteil, dass sich die südosteuropäischen Nationen erst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert als gestaltende Subjekte abbilden ließen. Zudem rückten größere, raumübergreifende Zusammenhänge aus dieser Perspektive oft in den Hintergrund.
Der entgegengesetzte Ansatz der Imperien-Forschung betrachte Südosteuropa aus der Sicht der imperialen Zentren wie Venedig, Istanbul oder Wien. Diese Perspektive, meint Calic, sei mitverantwortlich für die Bildung des "Mythos, es hätte in den multiethnischen Empires eine größere Toleranz geherrscht als im Nationalstaat". Der gewaltsame Zerfall Jugoslawiens habe "die Empire-Nostalgie neu angefacht und die Perspektiven auf Südosteuropa stark auf die Erforschung von Nationalismus und Gewalt eingeengt".
Ein dritter Ansatz sei die Betrachtung des Balkans als "weitgehend geschlossene Geschichtsregion, die sich durch bestimmte innere Strukturmerkmale wie Geografie, Demografie, Wirtschaft, Kultur oder sogar Mentalität auszeichnet". Calic wirft diesem Ansatz vor, den Westen als "Maßstab eines weltweit einheitlichen Modernisierungsprozesses" heranzuziehen und dem Balkan vorwiegend Defizite zuzuschreiben, "zum Beispiel das vermeintliche Ausbleiben von Renaissance und Aufklärung oder die sozialökonomische Rückständigkeit an sich". Im Wesentlichen sei dies "eurozentristisch", weil damit Phänomene ausgeblendet würden, die "nicht in das idealtypische Schema der westlichen Moderne" passten.
In deutlicher Abgrenzung von diesen drei Ansätzen beruft sich die Autorin auf die von Edward Said ("Orientalismus") und Maria Todorova ("Erfindung des Balkans") begonnene Dekonstruktion "gelehrter Vorurteile" über "vermeintlich wesenhafte, essentielle Raummerkmale", die ihrer Ansicht nach den Diskurs über Südosteuropa prägten. Das erklärt auch den Titel: "Südosteuropa. Weltgeschichte einer Region". Es geht der Autorin darum, exemplarisch anhand der translokalen, transregionalen und transnationalen Austauschbeziehungen die Geschichte Südosteuropas "aus der ungewohnten Perspektive weltweiter Verflechtungen" zu erzählen und damit "populäre Vorstellungen und Stereotype vom rückständigen und ewig gewalthaften ,europäischen Anderen'" zu konterkarieren. Nicht die "Balkan-Mentalität", sondern die Mentalität der Balkanologen stellt sie auf den Prüfstand.
Man mag bezweifeln, ob das Stereotyp des blutig-archaischen "Anderen" als südosteuropäisches Alleinstellungsmerkmal die öffentliche Meinung tatsächlich so beherrscht, wie Calic annimmt, zumal sich die Völker in allen Regionen Europas der Einzigartigkeit der Verbrechen, die im deutschen Namen begangen wurden, durchaus bewusst sind. Allerdings sind der mittleren Generation der Europäer die Greuel des Jugoslawien-Kriegs, der älteren auch die Greuel des Bürgerkriegs während des Zweiten Weltkriegs und die Massenmorde der jugoslawischen, bulgarischen, albanischen, rumänischen Kommunisten noch lebhaft in Erinnerung.
Gewisse tradierte Urteile und Vorurteile über die Region geraten hingegen allmählich in Vergessenheit. So hat etwa die empirisch gesättigte Hypothese, der Balkan sei vom Phänomen der Korruption und der politischen Bereicherung im besonderen Maße betroffen, seit den Enthüllungen der Geschäfte der "Clinton Foundation" im amerikanischen Wahlkampf erheblich an Überzeugungskraft verloren. Im Vergleich dazu ist, was man über rumänische Politiker liest, fast schon eine Petitesse. Zweifellos sind nicht nur Handel, Kunst und Kultur, sondern auch Gewalt und Korruption globale Phänomene. Der Vergleich der heute dominierenden politischen Kulturen der Balkan-Länder mit denen anderer Regionen, etwa Skandinaviens, drängt allerdings die Frage auf, wie es zu diesen Unterschieden kam. Ihrem methodischen Ansatz entsprechend, konzentriert sich Calic auf die Modernisierungsschübe. So hebt sie zum Beispiel den griechischen Aufklärer Eugenios Voulgaris hervor, der Mitte des 18. Jahrhunderts auf Berg Athos den Versuch unternahm, die Orthodoxie der Vernunft zu opfern, erwähnt aber nicht den ukrainischen Mönch Paisij Velikovskij, der zur gleichen Zeit die Spiritualität des Hesychasmus erneuerte.
Wer weniger an der "longue durée" und mehr an den Enklaven der Modernisierung in Südosteuropa interessiert ist, wird in Calics großer Erzählung eine Fülle von Material finden. Besonders gelungen sind ihre historischen Städteporträts (Kruja 1450, Istanbul 1683, Ragusa 1776, Thessaloniki 1821, Plovdiv, Sredna Gora und Rhodopen 1876, Belgrad 1913, Bukarest 1939, Sarajevo 1984), die allein schon die Lektüre lohnen. Die Autorin wartet hier mit einer Fülle von farbigen Details auf. Dass die steuerpflichtigen Juden und Christen in Thessaloniki nach der Farbe ihrer Schnauzbärte erfasst wurden, während die vollbärtigen Priester, Mönche und Greise eine eigene Steuerklasse bildeten, dürfte wohl auch vielen Kennern der Region bisher entgangen sein.
KARL-PETER SCHWARZ
Marie-Janine Calic: Südosteuropa. Weltgeschichte einer Region. Verlag C.H.Beck, München 2016. 704 S., 38,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Marie-Janine Calic liefert in der großen Erzählung über Südosteuropa viel Material
Es gibt in Europa keine Großregion, die es an Komplexität mit Südosteuropa aufnehmen könnte. Nirgendwo sonst hat die Geschichte ihre Fäden so dicht gewebt wie in dem von beständigen Ein- und Auswanderungen geprägten Raum zwischen Mitteleuropa, Mittelmeer und Schwarzem Meer. Gegenwärtig leben hier an die 100 Millionen Menschen, die sich linguistisch in Albaner und Griechen, Rumänen, Roma und Türken sowie - in der slawischen Sprachfamilie - in Slowenen, Kroaten, Serben, Bosnier, Montenegriner, Mazedonier und Bulgaren teilen.
Auf dem Balkan begegneten, kreuzten und überlagerten sich die slawischen, romanischen, griechischen und türkischen Kulturkreise, bekämpften einander und koexistierten Katholizismus, Orthodoxie, Islam und Judentum, schwankten die Eliten zwischen Modernisierung und reaktiver Abwehr, zwischen Aufklärung und Romantik. Die totalitären Import-Ideologien des Nationalismus und des Sozialismus stürzten die Völker in ein langes, blutiges Chaos, dessen Folgen bis heute nicht überwunden sind. Auf der Balkanhalbinsel herrschten und zerfielen die Großreiche der Pforte und der Habsburger, intervenierten Russland, Deutschland und die Westmächte, vollzog und vollzieht sich die Integration in die europäischen und transatlantischen Strukturen bis heute langsamer und mit erheblich größeren Widerständen, als dies in Ostmitteleuropa der Fall war.
Die Vielzahl der Selbst- und Fremdbeschreibungen der Balkan-Nationen sowie ihre meist der jeweiligen Ethnogenese gewidmeten Narrative sind kaum zu überblicken. Heftig sträubt sich die berauschende, identitätsstiftende Macht gemeinschaftlicher Erinnerung gegen die Nüchternheit wissenschaftlich betriebener Geschichte. Die Völker des Balkans sind von ihrer eigenen Vergangenheit geradezu besessen, Blut und Tinte fließen hier gleichermaßen in Strömen. Es handelt sich, um es salopp zu formulieren, um eine Region mit erheblichem Erklärungsbedarf, die Historiker vor besondere Probleme stellt. An der letzten großen deutschsprachigen Geschichte Südosteuropas arbeiteten 14 Historiker. Die Herausgeber Konrad Clewing und Oliver Schmitt begründeten dies 2011 damit, dass eine umfassende Darstellung dieses Geschichtsraums "für einen einzelnen Gelehrten kaum zu bewältigen" sei. Wer sich mit einer Gesamtdarstellung des Balkans beschäftigt, setzt sich der Gefahr aus, entweder den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr zu sehen oder sich zu gewagten Verallgemeinerungen hinreißen zu lassen, die sich so rasch widerlegen lassen, wie sie formuliert wurden.
Marie-Janine Calic, Professorin für die Geschichte Ost- und Südosteuropas in München, hat nicht nur den Mut für eine neue Gesamtgeschichte aufgebracht, sondern auch eine eigenständige Methode erarbeitet, um diesen Gefahren auszuweichen. In der Einleitung ihres lesenswerten Buches unterscheidet sie drei unterschiedliche Ansätze, sich der südosteuropäischen Geschichte anzunehmen. Der erste, zugleich der älteste, stellt die Entwicklung der Nationen und Nationalstaaten in den Mittelpunkt. Das, räumt Calic ein, entspreche zwar dem "primären Erfahrungs- und Handlungsraum" der allermeisten Menschen der Region, habe aber den Nachteil, dass sich die südosteuropäischen Nationen erst seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert als gestaltende Subjekte abbilden ließen. Zudem rückten größere, raumübergreifende Zusammenhänge aus dieser Perspektive oft in den Hintergrund.
Der entgegengesetzte Ansatz der Imperien-Forschung betrachte Südosteuropa aus der Sicht der imperialen Zentren wie Venedig, Istanbul oder Wien. Diese Perspektive, meint Calic, sei mitverantwortlich für die Bildung des "Mythos, es hätte in den multiethnischen Empires eine größere Toleranz geherrscht als im Nationalstaat". Der gewaltsame Zerfall Jugoslawiens habe "die Empire-Nostalgie neu angefacht und die Perspektiven auf Südosteuropa stark auf die Erforschung von Nationalismus und Gewalt eingeengt".
Ein dritter Ansatz sei die Betrachtung des Balkans als "weitgehend geschlossene Geschichtsregion, die sich durch bestimmte innere Strukturmerkmale wie Geografie, Demografie, Wirtschaft, Kultur oder sogar Mentalität auszeichnet". Calic wirft diesem Ansatz vor, den Westen als "Maßstab eines weltweit einheitlichen Modernisierungsprozesses" heranzuziehen und dem Balkan vorwiegend Defizite zuzuschreiben, "zum Beispiel das vermeintliche Ausbleiben von Renaissance und Aufklärung oder die sozialökonomische Rückständigkeit an sich". Im Wesentlichen sei dies "eurozentristisch", weil damit Phänomene ausgeblendet würden, die "nicht in das idealtypische Schema der westlichen Moderne" passten.
In deutlicher Abgrenzung von diesen drei Ansätzen beruft sich die Autorin auf die von Edward Said ("Orientalismus") und Maria Todorova ("Erfindung des Balkans") begonnene Dekonstruktion "gelehrter Vorurteile" über "vermeintlich wesenhafte, essentielle Raummerkmale", die ihrer Ansicht nach den Diskurs über Südosteuropa prägten. Das erklärt auch den Titel: "Südosteuropa. Weltgeschichte einer Region". Es geht der Autorin darum, exemplarisch anhand der translokalen, transregionalen und transnationalen Austauschbeziehungen die Geschichte Südosteuropas "aus der ungewohnten Perspektive weltweiter Verflechtungen" zu erzählen und damit "populäre Vorstellungen und Stereotype vom rückständigen und ewig gewalthaften ,europäischen Anderen'" zu konterkarieren. Nicht die "Balkan-Mentalität", sondern die Mentalität der Balkanologen stellt sie auf den Prüfstand.
Man mag bezweifeln, ob das Stereotyp des blutig-archaischen "Anderen" als südosteuropäisches Alleinstellungsmerkmal die öffentliche Meinung tatsächlich so beherrscht, wie Calic annimmt, zumal sich die Völker in allen Regionen Europas der Einzigartigkeit der Verbrechen, die im deutschen Namen begangen wurden, durchaus bewusst sind. Allerdings sind der mittleren Generation der Europäer die Greuel des Jugoslawien-Kriegs, der älteren auch die Greuel des Bürgerkriegs während des Zweiten Weltkriegs und die Massenmorde der jugoslawischen, bulgarischen, albanischen, rumänischen Kommunisten noch lebhaft in Erinnerung.
Gewisse tradierte Urteile und Vorurteile über die Region geraten hingegen allmählich in Vergessenheit. So hat etwa die empirisch gesättigte Hypothese, der Balkan sei vom Phänomen der Korruption und der politischen Bereicherung im besonderen Maße betroffen, seit den Enthüllungen der Geschäfte der "Clinton Foundation" im amerikanischen Wahlkampf erheblich an Überzeugungskraft verloren. Im Vergleich dazu ist, was man über rumänische Politiker liest, fast schon eine Petitesse. Zweifellos sind nicht nur Handel, Kunst und Kultur, sondern auch Gewalt und Korruption globale Phänomene. Der Vergleich der heute dominierenden politischen Kulturen der Balkan-Länder mit denen anderer Regionen, etwa Skandinaviens, drängt allerdings die Frage auf, wie es zu diesen Unterschieden kam. Ihrem methodischen Ansatz entsprechend, konzentriert sich Calic auf die Modernisierungsschübe. So hebt sie zum Beispiel den griechischen Aufklärer Eugenios Voulgaris hervor, der Mitte des 18. Jahrhunderts auf Berg Athos den Versuch unternahm, die Orthodoxie der Vernunft zu opfern, erwähnt aber nicht den ukrainischen Mönch Paisij Velikovskij, der zur gleichen Zeit die Spiritualität des Hesychasmus erneuerte.
Wer weniger an der "longue durée" und mehr an den Enklaven der Modernisierung in Südosteuropa interessiert ist, wird in Calics großer Erzählung eine Fülle von Material finden. Besonders gelungen sind ihre historischen Städteporträts (Kruja 1450, Istanbul 1683, Ragusa 1776, Thessaloniki 1821, Plovdiv, Sredna Gora und Rhodopen 1876, Belgrad 1913, Bukarest 1939, Sarajevo 1984), die allein schon die Lektüre lohnen. Die Autorin wartet hier mit einer Fülle von farbigen Details auf. Dass die steuerpflichtigen Juden und Christen in Thessaloniki nach der Farbe ihrer Schnauzbärte erfasst wurden, während die vollbärtigen Priester, Mönche und Greise eine eigene Steuerklasse bildeten, dürfte wohl auch vielen Kennern der Region bisher entgangen sein.
KARL-PETER SCHWARZ
Marie-Janine Calic: Südosteuropa. Weltgeschichte einer Region. Verlag C.H.Beck, München 2016. 704 S., 38,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Die souveräne Übersicht, die Fülle an Informationen über weitgehend unbekannte, überregional und national agierende Personen und Bezüge sowie die Stringenz der Argumentation machen dies Werk zu einem neuartigen Leseerlebnis."
Edda Binder-Iijima, Historische Zeitschrift, Band 305-2, 2017
"Packende Weltgeschichte einer Region."
Wolfgang Seibel, ORF Kontext, 26. Mai 2017
"Wie sich (...) durch die Jahrhunderte eine bunte Mischung aus Völkern, Sprachen und Zivilisationen herausgebildet hat, schildert Calic in ihrem Opus magnum auf beeindruckende Weise."
Thomas Speckmann, Taggesspiegel, 3. Mai, 2017
"In ihrem neuen Standardwerk über Südosteuropa entlarvt die Historikerin Marie-Janine Calic Geschichtsmythen."
Stephan Baier, Die Tagespost, 11. März 2017
"Wer Südosteuropa und dessen globale Dimension besser verstehen will, kommt am neuen Werk der deutschen Historikerin Marie-Janine Calic nicht vorbei."
Josef Kirchengast, Der Standard, 17. Januar 2017
Edda Binder-Iijima, Historische Zeitschrift, Band 305-2, 2017
"Packende Weltgeschichte einer Region."
Wolfgang Seibel, ORF Kontext, 26. Mai 2017
"Wie sich (...) durch die Jahrhunderte eine bunte Mischung aus Völkern, Sprachen und Zivilisationen herausgebildet hat, schildert Calic in ihrem Opus magnum auf beeindruckende Weise."
Thomas Speckmann, Taggesspiegel, 3. Mai, 2017
"In ihrem neuen Standardwerk über Südosteuropa entlarvt die Historikerin Marie-Janine Calic Geschichtsmythen."
Stephan Baier, Die Tagespost, 11. März 2017
"Wer Südosteuropa und dessen globale Dimension besser verstehen will, kommt am neuen Werk der deutschen Historikerin Marie-Janine Calic nicht vorbei."
Josef Kirchengast, Der Standard, 17. Januar 2017