Tacheles 4 (ISBN: 978-3-943788-38-9) Prof. Querulix Wirtschaft und Gesellschaft: Prof. Querulix redet Tacheles Eigentlich sollten demokratische Regierungen ihr Handeln strikt am Allgemein-wohl ausrichten. Deshalb werden sie auch durch allgemeine Wahlen legitimiert oder besser: legalisiert. Denn was Regierungen nach ihrer Wahl tatsächlich tun, darauf hat der Wähler keinen Einfluß. Aber er kann, wenn er sich dafür interes-siert, das Treiben „seiner Volksvertreter“ beobachten. Enttäuschungen sind programmiert. Tatsächlich sind die die realen Demokratien heute weitgehend zu Lobbydemokraturen degeneriert, in denen regelmäßig die Sonderinteressen der Parteien und ihrer Klientele das politische Handeln bestim-men. Wer keine starke Lobby hat, ist der Dumme. Seine Interessen spielen für die sogenannten Volksvertreter, die immer häufiger in erster Linie als Lobbyisten für Sonderinteressen fungieren, nur sehr bedingt eine Rolle. Die real existierenden Demokratien degenerieren mit beängstigender Geschwindigkeit zu Lobbydemo-kraturen, deren polit-ökonomische Herrscherklasse das Allgemeinwohl zum eige-nen Nutzen notorisch mit Füßen tritt. Allgemeine verbindliche Vorgaben und allgemeingültige Erfolgskriterien für poli-tisches Handeln zum allgemeinen Wohl fehlen. Politik gerät deshalb immer mehr zum unverblümten Kampf um Beute, der massenhaft Verlierer unter denen er-zeugt, die nicht mit eigenen Lobbyisten im Parlament vertreten sind. Wer gewählt ist, hat den legalen – aber nicht unbedingt auch legitimen! – Freiraum, nach sei-nen bzw. den Vorstellungen seiner Partei und ihrer Klientele zu handeln und dabei die legitimen Interessen großer Bevölkerungsteile zu verletzten. Zukunftsorien-tierte Politik, die Sicherung auskömmlicher Einkommen und Renten, ein gutes Bildungssystem, bezahlbare medizinische Versorgung für alle Bürgerinnen und Bürger, Steuergerechtigkeit – um nur einige Beispiele zu nennen – bleibt dabei vollkommen auf der Strecke. Das ist eine gefährliche Entwicklung. Denn die anhaltende Verletzung der Forde-rungen allgemeinen Wohls führen mit der Zeit zu einer fortschreitenden Desintegration der Gesellschaft, deren häßlichste Erscheinung eine schnell wachsende Kluft zwischen unermeßlichem Reichtum auf der einen und bitterer Armut auf der anderen Seite ist. Die abendländischen Demokratien sind dabei die Sozialstruktu-ren von Schwellenländern anzunehmen, wobei die USA die Führungsrolle haben. Die Verwendung finanzieller Mittel aus dem Steuertopf, um Sonderinteressen zu bedienen, schädigt die Gesellschaft schwer und nimmt ihr Zukunftschancen. Wenn zum Beispiel von den Reichen zu wenig Steuern erhoben und dadurch un-verschuldete Armut nicht verhindert oder ausgeglichen wird, wenn durch trickrei-che Lohndrückerei und Ausbeutung junge Menschen daran gehindert werden, eine Familie zu gründen, wenn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erschwert, wenn die Bildung aller Begabten unabhängig vom sozialen Status der Eltern ver-nachlässigt wird, dann verweigert man mindestens einer ganzen Generation die Lebenschancen, die die Gesellschaft ohne weiteres bieten könnte, wenn das All-gemeinwohl und nicht das Gewissen der Abgeordneten die politischen Entschei-dungen leiten würde. Aber man unterminiert auf diese Weise auch die materiellen und kulturellen Zukunftschancen der ganzen Gesellschaft. Weil Regierungsarbeit sich mehr an Sonderinteressen als an klaren verbindlichen Kriterien des Allgemeinwohls orientiert, verlieren Wahlen an Bedeutung und die Wähler die Lust am Wählen. Das führt zum Verzicht auf das Wahlrecht. Der star-ke Rückgang der Beteiligung an den Bunestagswahlen in Deutschland spiegelt das wider. Während noch bis Anfang der 80er Jahre die Wahlbeteiligung bei fast 90% lag, sank sie seitdem auf wenig über 70% in den Wahljahren 2009 und 2013. Im-mer mehr Bürgerinnen und Bürger fühlen sich von der Politik nicht mehr vertre-ten. Selbst diejenigen, die noch wählen, äußern immer häufiger die Ansicht, „daß es ja doch nichts nütze“. Tatsächlich ist die Mehrheit der Bevölkerung nur noch die grüne Wiese, auf der sich die Gewählten und ihre Klientele sattweiden. Das ist eine gefährliche Entwicklung, die aber voraussehbar solange von den Profiteuren ignoriert wird, bis daraus ernsthafte soziale und politische Probleme entstehen. Seit über 25 Jahren nimmt Prof. Querulix in Form von Aphorismen und kleinen Aufsätzen das Versagen der polit-ökonomische Herrscherklasse ins Visier. Seitdem feuert er friendly fire auf die sogenannte Machtelite aus Ignoranten, verkapp-te Lobbyisten mit Pensionsberechtigung und Karrierechancen, die nicht auf fach-licher Eignung, sondern auf ihrer Nähe zu den politischen Entscheidern basieren, auf dreiste Beutemacher, scheinheilige Schwätzer und die vielen nützlichen Idio-ten, die um kleiner Vorteile die legitimen Interessen ihrer Mitbürgerinnen und Mitbürger verraten. Unterhalb der Oberfläche des tagespolitischen Zirkus‘ ist das Thema aller seiner Beiträge ist die offensichtliche Unfähigkeit des Menschentiers, seine Raubtierins-tinkte zu überwinden, klar und unbeeinflußt von Machtgelüsten, Beutegier und Aberglauben aller Art zu denken, und das komplexe technokulturelle System Welt zum Wohle aller seiner Artgenossen zu gestalten und zu steuern. Es gibt Men-schen, die behaupten, das werde Mensch nie können, weil er dafür gar nicht aus-gelegt sei. Prof. Querulix meint, diese Antwort sei für die überschaubare Zukunft wahrscheinlich richtig und die Aussichten für das Überleben der Menschheit seien deshalb tatsächlich eher schlecht. Evolution sei aber unvorhersehbar, sie weise mitunter auch Sprünge auf, und deshalb könne man die Frage nach den künftigen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Menschentiers gar nicht beantworten. Die gegenwärtige weltweite Finanz- und Haushaltskrise, die gerade beginnt, sich auf die Weltwirtschaft auszuwirken und für die keine Lösung in Sicht ist, mahnt zu besonderer Skepsis hinsichtlich der ökonomischen, finanzwirtschaftlichen, so-zialen und auch politischen Entwicklungen in den kommenden Jahren. Denn die Geschichte beweist, daß Politiker in real existierenden Demokratien selten klug und vorausschauend handeln. Sie beweist auch, daß Politiker es mit dem allge-meinen Wohl, das doch in einer Demokratie für die verantwortlichen Führungs-kräfte des Staates das oberste handlungsleitende Kriterium sein müßte, nicht be-sonders ernst meinen. Deshalb ist hält es Prof. Querulix für ratsam, mit einer Vertiefung der Krise zu rechnen. Weltwirtschaftskrise, Abwertungswettlauf der Staaten, Ausweitung der kriegerischen Auseinandersetzungen mit fanatischen Moslems, hohe, vielleicht sogar galoppierende Inflation und Verarmung breiter Bevölkerungskreise sind angesichts einer wirkungslosen EZB-Strategie und der Hilflosigkeit der Politiker wahrscheinlich. Dieser vierte Band trägt den Untertitel: „Die Welt im Krisenzustand – und was kommt danach?“ Die Wahl des Titels beruht auf der Wahrnehmung einer beängs-tigenden Kumulation der in den einzelnen Beiträgen beschriebenen Probleme, die, wenn nicht gleich mehrere Wunder auf einmal geschehen, große Teile der Menschheit in existenzielle Nöte bringen wird. Treibende Kräfte dieser katastro-phalen Entwicklung sind in ökonomischer Hinsicht vor allem die polit-ökono-mische Herrscherklasse der USA, die ihre bröckelnde hegemoniale Stellung mit den Mitteln eines brutalen Wirtschafts- und Rechtskrieges retten möchte, und die vom neoliberalem Geist in einen Beuterausch versetzten Bankster und Großspeku-lanten, die auch vor kriminellen Mitteln nicht zurückschrecken, um sich so viel Vermögen anzueignen wie nur möglich. Die USA sind der Vorreiter einer Entdemokratisierung im westlich-abendlän-dischen Kulturkreis, indem die Politiker der Vertretung von Sonderinteressen durch skrupellose (Wirtschafts-)Lobbys gegen das Interesse des Allgemeinwohl den Boden bereiten und dies auch mittels Freihandelsabkommen den Europäern aufzuzwingen versuchen. Während die USA bereits auf direktem Wege in eine Plutokratie sind, befinden sich die europäischen Staaten und viele Staaten der Welt gegenwärtig im Vorstadium einer mehr oder weniger ausgereiften Lobby-demokratur. Setzt sich diese Entwicklung fort – und damit ist leider zu rechnen – bedeutet das für die große Mehrheit der Bevölkerung in Zukunft nur noch Schein-freiheit im Konsum. Im Übrigen werden sie zu Produktionsmitteln und zu iPhone-ferngesteuertem Konsumidioten versklavt Platz nehmen am Katzentisch des Wohlstands. Künftige Historiker werden unsere Epoche dann vielleicht einmal als Spätphase der Demokratie bezeichnen, als Übergangsphase zu einer autoritären, plutokrati-schen Herrschaftsform wie es sie in vielen Nenn-Demokratien unter den Entwick-lungsländern heute schon gibt, die sich aus Diktaturen entwickelt haben. Im Un-terschied zu diesen wird die Euroamerikanische Version dieser Gesellschaftsform allerdings mit Hilfe modernster wissenschaftlicher Forschung und Entwicklung schließlich perfektioniert sein. Niemand hat aber bisher bewiesen, daß Politiker notwendig gegen die Erforder-nisse des Allgemeinwohls verstoßen müssen, auch wenn man das infolge der Er-fahrungen aus der Vergangenheit vermuten könnte. Mit gutem Willen und klaren, verbindlichen – auch mit empfindlichen Strafen sanktionierten – Regeln für die Politik wäre strikt allgemeinwohlorientiertes politisches Handeln sicherlich mög-lich. Davon ist Prof. Querulix immer noch fest überzeugt und redet deshalb Ta-cheles auch in der Hoffnung, wenigstens die Vernünftigen zu erreichen. Um aber im Volk die Kräfte zu entfesseln, die das Notwendige für eine konsequente All-gemeinwohlorientierung der Politik durchsetzen können, bedarf es sicherlich gro-ßen Leidensdrucks. Insofern birgt die gegenwärtige Krise und ihre wahrscheinli-che Verschlimmerung auch große Chancen. Lassen Sie sich von Prof. Querulix an- oder auch aufregen. Bei der Lektüre seiner Publikationen gleichgültig zu bleiben, soll den meisten Menschen schwerfallen. Das ist gut so. Denn nur durch Anregung werden Bequemlichkeit und Gleichgül-tigkeit überwunden, die größten Hindernisse auf dem Weg vom Untertan zum Mitbürger. Und wer sich aufregt, sollte sich fragen, wovor er sich fürchtet und ob diese Furcht wirklich berechtigt ist. Prof. Querulix redet Tacheles. Drei Bände mit seinen kritischen und mahnenden Beiträgen zum Zeitgeschehen sind bereits als eBooks im PDF-Format erschienen. Der vierte Teil der Sammlung von Pressebeiträgen liegt mit diesem Band vor. Es handelt sich um Beiträge, die zwischen Mitte 2013 und Ende 2014 veröffentlicht wurden. Die Bände sind in allen guten (Internet-)Buchhandlungen sowie beim eVerlag READ – Rüdenauer Edition Autor Digital erhältlich.