1876. Nietzsche hat eine Professur an der Universität in Basel inne, aber seine Gesundheit macht ihm schwer zu schaffen. Immer wieder quälen ihn starke Migräneanfälle, bei denen er tagelang das Bett hüten muss, und seine Sehkraft hat bereits in einem Maß nachgelassen, das ihm das Lesen immer
unmöglicher macht. Wie ein Segen erreicht ihn da die Einladung seiner mütterlichen Freundin Malwida von…mehr1876. Nietzsche hat eine Professur an der Universität in Basel inne, aber seine Gesundheit macht ihm schwer zu schaffen. Immer wieder quälen ihn starke Migräneanfälle, bei denen er tagelang das Bett hüten muss, und seine Sehkraft hat bereits in einem Maß nachgelassen, das ihm das Lesen immer unmöglicher macht. Wie ein Segen erreicht ihn da die Einladung seiner mütterlichen Freundin Malwida von Meysenbug, die ihm anbietet, mit ihr auf unbestimmte Zeit ein Haus im italienischen Sorrent zu beziehen. Nietzsches Assistent Alfred Brenner, der an Schwindsucht leidet, und sein guter Freund Paul Rée erhalten ebenfalls eine Einladung, und darüber hinaus soll sich noch Richard Wagner mit seiner Frau Cosima in der Bucht von Neapel aufhalten.Wagner, den Nietzsche vor einigen Jahren schon kennen lernte und sehr verehrt.
Aber die Reise beginnt alles andere als vielversprechend. Nietzsche hat unterwegs einen schweren Migräneanfall und auch das Treffen mit Meister Wagner ist eine Enttäuschung, die schließlich zum Bruch der Freundschaft und Wagners Abreise führt.
Ohne die Gegenwart des Komponisten kann Nietzsche endlich frei durchatmen. Er fühlt, wie gut ihm der Ortswechsel und die südliche Sonne tut, hat sogar das Gefühl, den Flecken Erde gefunden zu haben, an dem er glücklich und gesund leben und arbeiten könnte. Pläne entstehen, gemeinsam mit Brenner, Rée und von Meysenbug eine Schule für freiheitliches Denken zu gründen. Aber werden die Zukunftsträume der Realität standhalten?
„Tage in Sorrent“ von Andrea und Dirk Liesemer ist eine Fiktion, aber eine Fiktion, die sich auf die erhaltenen Erinnerungen und Briefe seiner Protagonisten stützt und damit ein hohes Niveau an Authentizität erreichen dürfte. Nah dran habe ich mich jedenfalls gefühlt bei der Lektüre, besonders was die italienische Umgebung betraf. Licht, Duft, Klima, Konsistenzen... das alles verstehen die Autoren ohne große Ausschweifungen heraufzubeschwören, bringen einem das südliche Italien so nah, dass man die Sonne auf der Haut zu spüren meint.
Für die Protagonisten gilt dieses Lob der gelungenen Skizzierung weniger. Es ist mir durchaus passiert, dass ich, wenn ich kurz unaufmerksam war, nicht mehr wusste, von wem gerade die Rede ist, zu ähnlich blieben sich die Figuren in den Schilderungen ihrer Gedanken und Handlungen. Das mag teilweise auch am Stil des Buches gelegen haben, der auf mich hölzern und angestaubt wirkte und dem Buch viel seiner möglichen Wirkung genommen hat. Vielleicht haben die Autoren, bewusst oder unbewusst, zu sehr den Ton der Briefe und Lebenserinnerungen zu kopieren versucht.
Am Ende war „Tage in Sorrent“ ein Roman, der mir nach der Lektüre mehr Freude gemacht hat, als währenddessen. Besonders im mittleren Teil habe ich mich öfters gefragt, warum diese Zeit Nietzsches in Sorrent ein ganzes Buch wert sein soll. Vieles schien nicht der Erwähnung wert, brachte keinen Fortschritt in die dramaturgische Entwicklung oder ließ an der Existenz einer solchen zweifeln. Erst nachdem es einige Tage auf mich gewirkt hatte, setzte sich für mich ein Gesamtbild zusammen, das Sinn ergab, eine tiefer gehende Schilderung unseres Lebens zwischen Hoffnung und Rückschlägen, die Fähigkeit des Menschen, immer wieder Auswege und Ziele zu suchen, erneut aufzustehen und weiter zu machen.