Accidental harm to civilians in warfare often becomes an occasion for public outrage, from citizens of both the victimized and the victimizing nation. In this vitally important book on a topic of acute concern for anyone interested in military strategy, international security, or human rights, Alexander B. Downes reminds readers that democratic and authoritarian governments alike will sometimes deliberately kill large numbers of civilians as a matter of military strategy. What leads governments to make such a choice?
Downes examines several historical cases: British counterinsurgency tactics during the Boer War, the starvation blockade used by the Allies against Germany in World War I, Axis and Allied bombing campaigns in World War II, and ethnic cleansing in the Palestine War. He concludes that governments decide to target civilian populations for two main reasons-desperation to reduce their own military casualties or avert defeat, or a desire to seize and annex enemy territory. When a state's military fortunes take a turn for the worse, he finds, civilians are more likely to be declared legitimate targets to coerce the enemy state to give up. When territorial conquest and annexation are the aims of warfare, the population of the disputed land is viewed as a threat and the aggressor state may target those civilians to remove them. Democracies historically have proven especially likely to target civilians in desperate circumstances.
In Targeting Civilians in War, Downes explores several major recent conflicts, including the 1991 Persian Gulf War and the American-led invasion of Iraq in 2003. Civilian casualties occurred in each campaign, but they were not the aim of military action. In these cases, Downes maintains, the achievement of quick and decisive victories against overmatched foes allowed democracies to win without abandoning their normative beliefs by intentionally targeting civilians. Whether such "restraint" can be guaranteed in future conflicts against more powerful adversaries is, however, uncertain.
During times of war, democratic societies suffer tension between norms of humane conduct and pressures to win at the lowest possible costs. The painful lesson of Targeting Civilians in War is that when these two concerns clash, the latter usually prevails.
Downes examines several historical cases: British counterinsurgency tactics during the Boer War, the starvation blockade used by the Allies against Germany in World War I, Axis and Allied bombing campaigns in World War II, and ethnic cleansing in the Palestine War. He concludes that governments decide to target civilian populations for two main reasons-desperation to reduce their own military casualties or avert defeat, or a desire to seize and annex enemy territory. When a state's military fortunes take a turn for the worse, he finds, civilians are more likely to be declared legitimate targets to coerce the enemy state to give up. When territorial conquest and annexation are the aims of warfare, the population of the disputed land is viewed as a threat and the aggressor state may target those civilians to remove them. Democracies historically have proven especially likely to target civilians in desperate circumstances.
In Targeting Civilians in War, Downes explores several major recent conflicts, including the 1991 Persian Gulf War and the American-led invasion of Iraq in 2003. Civilian casualties occurred in each campaign, but they were not the aim of military action. In these cases, Downes maintains, the achievement of quick and decisive victories against overmatched foes allowed democracies to win without abandoning their normative beliefs by intentionally targeting civilians. Whether such "restraint" can be guaranteed in future conflicts against more powerful adversaries is, however, uncertain.
During times of war, democratic societies suffer tension between norms of humane conduct and pressures to win at the lowest possible costs. The painful lesson of Targeting Civilians in War is that when these two concerns clash, the latter usually prevails.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.03.2009Die dunkle Seite der Demokratie
Wenn feindliche Bevölkerung zum militärischen Ziel wird und als "Kollateralschaden" bezeichnet wird
Im Krieg werden Menschen getötet. Nicht alle sind Soldaten, sondern gelten als schutzwürdige "Zivilisten", eine wichtige Unterscheidung, die den Fortschritt des Völkerrechts im vergangenen Jahrhundert ausmacht. Eine Untersuchung der Kriege im 19. und 20. Jahrhundert zeigt jedoch, dass mindestens die Hälfte aller Kriegsopfer Zivilisten gewesen sind, mit dramatisch steigender Tendenz im 20. Jahrhundert. Auch die Kriege der jüngsten Vergangenheit machen keine Ausnahme, obwohl der völkerrechtliche Schutz immer weiter verbessert worden ist. Diese Beobachtung hat der amerikanische Politikwissenschaftler Downes zum Anlass für die Frage genommen, ob die Annahme berechtigt ist, dass Demokratien per se den Schutz der Zivilbevölkerung ernster nehmen als andere Staatsformen.
Das Ergebnis seiner Studie ist ernüchternd: Es lassen sich praktisch kaum Unterschiede feststellen. Ihm geht es dabei nicht um die zufälligen Opfer, die heute als Kollateralschäden bezeichnet werden, sondern um Strategien, die sich gezielt gegen Zivilisten richten und deren Massensterben beabsichtigen. Was veranlasst also Regierungen in zwischenstaatlichen Kriegen zu einem solchen Vorgehen? Sind es hauptsächlich ideologische und kulturelle Gründe, wie die Genozidforschung behauptet?
Um eine Antwort zu finden, bemüht sich der Autor zunächst darum, die Vielfalt der historischen Erscheinungen in definierte Standards umzuformen und statistisch-tabellarisch vergleichbar zu machen. Als Historiker wird man der politikwissenschaftlichen Methodik mit einiger Skepsis begegnen können. Aber Downes, der ehemalige Musiker mit Zweitkarriere, bedient sich immerhin der historischen Erkenntnisse, die er an vier Fallbeispielen auch ausführlich erörtert. Das betrifft zunächst die britische Hungerblockade gegen Deutschland im Ersten Weltkrieg. Dann vergleicht er den strategischen Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg, und zwar den deutschen "Blitz" 1940 gegen Großbritannien, mit dem alliierten Feuerkrieg gegen Japan 1945. Das Problem des Guerrillakrieges und seiner zivilen Opfer erörtert er am Burenkrieg und schließlich territoriale Annexionskriege mit ihren Opfern am Beispiel der israelischen Staatsgründung 1947 bis 1949. Diesen Beispielen von Strategien, die sich gezielt gegen Zivilisten richteten, stellt er auch negative Fälle gegenüber, wo man also zivile Opfer bewusst vermeiden wollte. Das betrifft hauptsächlich die beiden amerikanischen Golfkriege in jüngster Zeit.
Downes ist nach der Auswertung seiner Statistik und dieser Beispiele davon überzeugt, dass Demokratien eher als andere Staatsformen in die Versuchung kommen, die feindliche Zivilbevölkerung zum Ziel zu nehmen. Das gelte vor allem dann, wenn sie sich in einem Abnutzungskrieg befinden und befürchten müssen, den Krieg zu verlieren. In der Nach-Vietnam-Ära habe sich diese Tendenz zwar abgeschwächt. Im ersten Golfkrieg der Vereinigten Staaten habe sich aber bereits gezeigt, dass die eigene Bevölkerung zwar äußerst sensibel auf Verluste unter der feindlichen Zivilbevölkerung reagiere, nach dem Ende der Kampfhandlungen aber kaum noch Interesse für die Menschen zeige, die den Kriegsfolgen und Wirtschaftssanktionen zum Opfer fallen. Demokratien scheuen sich zwar, Nichtkombattanten gezielt zu töten, aber dieser humanitäre Impuls verhindere nicht immer zivile Verluste, die das Ergebnis auch indirekter Formen der Bestrafung sein können.
Die wichtigsten Triebkräfte für eine Strategie, die sich gegen die Zivilisten richte, entstammen nach den historischen Erfahrungen entweder der Verzweiflung oder dem Ziel territorialer Annexionen. Andere Erklärungen und Theorien würden demgegenüber nicht ins Gewicht fallen. In keinem Falle lasse sich beispielsweise nachweisen, dass die Öffentlichkeit eine massenhafte Vernichtung der feindlichen Bevölkerung gefordert habe. Auch das Argument, dass eine bestimmte militaristische Kultur zur enthemmten Gewalt gegenüber Zivilisten führe, sei nicht tragfähig. Das gelte auch für Studien über Gewalt in Bürgerkriegen, die behaupten, dass im Kampf um die Kontrolle und Loyalität der Bevölkerung selektive Gewalt angewendet werde. Den Hauptgrund sieht Downes vielmehr darin, dass ein Ausbleiben erhoffter schneller Erfolge die Verantwortlichen dazu neigen lässt, die feindliche Zivilbevölkerung für die eigenen Verluste "bezahlen" zu lassen.
Im Hinblick auf künftige Kriege zeigt sich der Autor pessimistisch. Für die Annahme, eine weltweite Ausbreitung der Demokratie werde den Frieden und den Schutz der Zivilbevölkerung sicherer machen, sieht er wenige Gründe. Die Vereinigten Staaten hätten nach dem 11. September zwei Kriege geführt, um den Terrorismus zu besiegen. Sollte dieser Kampf länger dauern und zu größeren eigenen Verlusten führen, würde die Wahrscheinlichkeit steigen, dass Zivilisten stärker ins Visier geraten, weil Washington dann die weit überlegene Kriegstechnik zum Einsatz bringen würde. Immer wenn Kriege zu "teuer" werden, greifen Staaten die feindliche Zivilbevölkerung an, um den Sieg zu erzwingen. Die liberale Demokratie der Gegenwart bemühe sich zwar, zivile Opfer zu vermeiden, sie könnte aber durch einen erbarmungslosen Gegner wie Al Qaida zu einem Abnutzungskrieg gezwungen werden, in dem eine steigende Zahl ziviler Opfer unvermeidbar wäre.
Diese "dunkle Seite" der Demokratie resultiert letztlich aus einem Selbstbehauptungswillen, der gleichwohl das humanitäre Völkerrecht zu bewahren bemüht ist, ein Spannungsverhältnis von Sicherheit und Freiheit, von Humanität und der Gewalt als ultima ratio, das immer wieder neu bewältigt werden muss. Die Geschichte mag dafür lehrreich sein. Mit seiner eindrucksvollen Analyse und begründeten Prognosen regt Alexander Downes zweifellos zum Nachdenken an.
ROLF-DIETER MÜLLER
Alexander B. Downes: Targeting Civilians in War. Cornell University Press, Ithaca/London 2008. 315 S., 20,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn feindliche Bevölkerung zum militärischen Ziel wird und als "Kollateralschaden" bezeichnet wird
Im Krieg werden Menschen getötet. Nicht alle sind Soldaten, sondern gelten als schutzwürdige "Zivilisten", eine wichtige Unterscheidung, die den Fortschritt des Völkerrechts im vergangenen Jahrhundert ausmacht. Eine Untersuchung der Kriege im 19. und 20. Jahrhundert zeigt jedoch, dass mindestens die Hälfte aller Kriegsopfer Zivilisten gewesen sind, mit dramatisch steigender Tendenz im 20. Jahrhundert. Auch die Kriege der jüngsten Vergangenheit machen keine Ausnahme, obwohl der völkerrechtliche Schutz immer weiter verbessert worden ist. Diese Beobachtung hat der amerikanische Politikwissenschaftler Downes zum Anlass für die Frage genommen, ob die Annahme berechtigt ist, dass Demokratien per se den Schutz der Zivilbevölkerung ernster nehmen als andere Staatsformen.
Das Ergebnis seiner Studie ist ernüchternd: Es lassen sich praktisch kaum Unterschiede feststellen. Ihm geht es dabei nicht um die zufälligen Opfer, die heute als Kollateralschäden bezeichnet werden, sondern um Strategien, die sich gezielt gegen Zivilisten richten und deren Massensterben beabsichtigen. Was veranlasst also Regierungen in zwischenstaatlichen Kriegen zu einem solchen Vorgehen? Sind es hauptsächlich ideologische und kulturelle Gründe, wie die Genozidforschung behauptet?
Um eine Antwort zu finden, bemüht sich der Autor zunächst darum, die Vielfalt der historischen Erscheinungen in definierte Standards umzuformen und statistisch-tabellarisch vergleichbar zu machen. Als Historiker wird man der politikwissenschaftlichen Methodik mit einiger Skepsis begegnen können. Aber Downes, der ehemalige Musiker mit Zweitkarriere, bedient sich immerhin der historischen Erkenntnisse, die er an vier Fallbeispielen auch ausführlich erörtert. Das betrifft zunächst die britische Hungerblockade gegen Deutschland im Ersten Weltkrieg. Dann vergleicht er den strategischen Bombenkrieg im Zweiten Weltkrieg, und zwar den deutschen "Blitz" 1940 gegen Großbritannien, mit dem alliierten Feuerkrieg gegen Japan 1945. Das Problem des Guerrillakrieges und seiner zivilen Opfer erörtert er am Burenkrieg und schließlich territoriale Annexionskriege mit ihren Opfern am Beispiel der israelischen Staatsgründung 1947 bis 1949. Diesen Beispielen von Strategien, die sich gezielt gegen Zivilisten richteten, stellt er auch negative Fälle gegenüber, wo man also zivile Opfer bewusst vermeiden wollte. Das betrifft hauptsächlich die beiden amerikanischen Golfkriege in jüngster Zeit.
Downes ist nach der Auswertung seiner Statistik und dieser Beispiele davon überzeugt, dass Demokratien eher als andere Staatsformen in die Versuchung kommen, die feindliche Zivilbevölkerung zum Ziel zu nehmen. Das gelte vor allem dann, wenn sie sich in einem Abnutzungskrieg befinden und befürchten müssen, den Krieg zu verlieren. In der Nach-Vietnam-Ära habe sich diese Tendenz zwar abgeschwächt. Im ersten Golfkrieg der Vereinigten Staaten habe sich aber bereits gezeigt, dass die eigene Bevölkerung zwar äußerst sensibel auf Verluste unter der feindlichen Zivilbevölkerung reagiere, nach dem Ende der Kampfhandlungen aber kaum noch Interesse für die Menschen zeige, die den Kriegsfolgen und Wirtschaftssanktionen zum Opfer fallen. Demokratien scheuen sich zwar, Nichtkombattanten gezielt zu töten, aber dieser humanitäre Impuls verhindere nicht immer zivile Verluste, die das Ergebnis auch indirekter Formen der Bestrafung sein können.
Die wichtigsten Triebkräfte für eine Strategie, die sich gegen die Zivilisten richte, entstammen nach den historischen Erfahrungen entweder der Verzweiflung oder dem Ziel territorialer Annexionen. Andere Erklärungen und Theorien würden demgegenüber nicht ins Gewicht fallen. In keinem Falle lasse sich beispielsweise nachweisen, dass die Öffentlichkeit eine massenhafte Vernichtung der feindlichen Bevölkerung gefordert habe. Auch das Argument, dass eine bestimmte militaristische Kultur zur enthemmten Gewalt gegenüber Zivilisten führe, sei nicht tragfähig. Das gelte auch für Studien über Gewalt in Bürgerkriegen, die behaupten, dass im Kampf um die Kontrolle und Loyalität der Bevölkerung selektive Gewalt angewendet werde. Den Hauptgrund sieht Downes vielmehr darin, dass ein Ausbleiben erhoffter schneller Erfolge die Verantwortlichen dazu neigen lässt, die feindliche Zivilbevölkerung für die eigenen Verluste "bezahlen" zu lassen.
Im Hinblick auf künftige Kriege zeigt sich der Autor pessimistisch. Für die Annahme, eine weltweite Ausbreitung der Demokratie werde den Frieden und den Schutz der Zivilbevölkerung sicherer machen, sieht er wenige Gründe. Die Vereinigten Staaten hätten nach dem 11. September zwei Kriege geführt, um den Terrorismus zu besiegen. Sollte dieser Kampf länger dauern und zu größeren eigenen Verlusten führen, würde die Wahrscheinlichkeit steigen, dass Zivilisten stärker ins Visier geraten, weil Washington dann die weit überlegene Kriegstechnik zum Einsatz bringen würde. Immer wenn Kriege zu "teuer" werden, greifen Staaten die feindliche Zivilbevölkerung an, um den Sieg zu erzwingen. Die liberale Demokratie der Gegenwart bemühe sich zwar, zivile Opfer zu vermeiden, sie könnte aber durch einen erbarmungslosen Gegner wie Al Qaida zu einem Abnutzungskrieg gezwungen werden, in dem eine steigende Zahl ziviler Opfer unvermeidbar wäre.
Diese "dunkle Seite" der Demokratie resultiert letztlich aus einem Selbstbehauptungswillen, der gleichwohl das humanitäre Völkerrecht zu bewahren bemüht ist, ein Spannungsverhältnis von Sicherheit und Freiheit, von Humanität und der Gewalt als ultima ratio, das immer wieder neu bewältigt werden muss. Die Geschichte mag dafür lehrreich sein. Mit seiner eindrucksvollen Analyse und begründeten Prognosen regt Alexander Downes zweifellos zum Nachdenken an.
ROLF-DIETER MÜLLER
Alexander B. Downes: Targeting Civilians in War. Cornell University Press, Ithaca/London 2008. 315 S., 20,99 [Euro].
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