Das Bild des Bayernherzogs Tassilo III. (748–788) ist in der Geschichte ein Beispiel dafür, dass der Sieger in der Erinnerung Recht behält und der Besiegte eben Unrecht hatte. Selbst für die wissenschaftliche Geschichtsschreibung blieb Tassilo bis vor kurzem der "kleine Geist", "Treubrüchige und Verräter" oder "talentlose Politiker", der seinen Vetter ersten Grades, Karl den Großen, mutwillig provozierte, bis es zur Katastrophe kam. Nur zu leicht wird dabei vergessen, dass Tassilo gegen das expansive Großreich der Franken seinem Bayern eine derart starke und dauerhafte Struktur verlieh, dass Land und Leute von seinem eigenen und dem Untergang seiner Familie nicht mehr beschädigt werden konnten. Die Nachwelt sollte ihm dafür nicht bloß in Bayern danken. Herwig Wolfram schildert eindrücklich das Schicksal des Bayernherzogs.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.11.2016NEUE TASCHENBÜCHER
Herzog der
Herzen
Das Ökumenische Heiligenlexikon erinnert sich bei Tassilo III. eines blamablen Beinamens: „der Verlierer“. So kann man es sehen, in seinem Cousin Karl dem Großen hatte Tassilo einen Widersacher, der im Ausschalten möglicher Widersacher versierter war als Putin und Erdoğan zusammen. Der emeritierte Salzburger Mittelalter-Historiker Herwig Wolfram aber nähert sich dem Agilolfinger mit einer Biografie wesentlich differenzierter. Seinem bairischen Herzogtum hatte Tassilo im 8. Jahrhundert allen politischen Widrigkeiten zum Trotz ein innenpolitisches Fundament gegeben, ohne das es das Mittelalter kaum überdauert hätte. Karl fürchtete die reichspolitischen Avancen und Alleingänge des Vetters, der eine Frau aus dem langobardischen Königsgeschlecht geehelicht hatte – von der Heirat stammt der Tassilo-Kelch, eines der bedeutendsten erhaltenen Kunstwerke des Frühmittelalters. Karl steckte Tassilo samt Familie in Klöster. Der unterlegene Bayernfürst ein Loser? In österreichischen Orten, die er damals regierte, ist er der Herzog der Herzen: Er wird immer noch als Heiliger verehrt – unter ihm war Bayern größer und bedeutender als heute. RUDOLF NEUMAIER
Herwig Wolfram: Tassilo III. Höchster Fürst und niedrigster Mönch. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2016. 144 Seiten, 12,95 Euro.
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Herzog der
Herzen
Das Ökumenische Heiligenlexikon erinnert sich bei Tassilo III. eines blamablen Beinamens: „der Verlierer“. So kann man es sehen, in seinem Cousin Karl dem Großen hatte Tassilo einen Widersacher, der im Ausschalten möglicher Widersacher versierter war als Putin und Erdoğan zusammen. Der emeritierte Salzburger Mittelalter-Historiker Herwig Wolfram aber nähert sich dem Agilolfinger mit einer Biografie wesentlich differenzierter. Seinem bairischen Herzogtum hatte Tassilo im 8. Jahrhundert allen politischen Widrigkeiten zum Trotz ein innenpolitisches Fundament gegeben, ohne das es das Mittelalter kaum überdauert hätte. Karl fürchtete die reichspolitischen Avancen und Alleingänge des Vetters, der eine Frau aus dem langobardischen Königsgeschlecht geehelicht hatte – von der Heirat stammt der Tassilo-Kelch, eines der bedeutendsten erhaltenen Kunstwerke des Frühmittelalters. Karl steckte Tassilo samt Familie in Klöster. Der unterlegene Bayernfürst ein Loser? In österreichischen Orten, die er damals regierte, ist er der Herzog der Herzen: Er wird immer noch als Heiliger verehrt – unter ihm war Bayern größer und bedeutender als heute. RUDOLF NEUMAIER
Herwig Wolfram: Tassilo III. Höchster Fürst und niedrigster Mönch. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2016. 144 Seiten, 12,95 Euro.
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