Drei Geschichten über die Kunst, das Leben und die verrückte bürgerliche Gesellschaft Ein Schriftsteller-Dissident flieht aus der Öffentlichkeit, um sein Leben zu retten. In der Installation >Das Deutschlandgerät< findet er ein Muster, um die Gegenwart zu deuten. »Immer wenn man etwas weiß, gibt es gleich wieder etwas, das man nicht weiß.« Mit dieser Behauptung verwickelt ein Schweizer Verleger unseren Erzähler vor Delacroix' >Tasso im Irrenhaus< in ein ambivalentes Gespräch, das für einen Moment seltener Klarheit sorgt. Und in einem Berliner Hospiz hält der Maler Grützke fröhlich Hof, womit er die ängstlichen Besucher überrascht und ihnen Stunden von glücklicher Intensität beschert. Die Kunst und das Leben: tragisch und komisch, abgründig und heiter. Wirft uns das eine virtuos aus der Bahn, setzt uns die andere wieder aufs Gleis. Oder ist es umgekehrt?
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Jörg Magenau erlebt in Ingo Schulzes drei Erzählungen hautnah den Wundertütencharakter der Kunst. Dass Kunstgenuss eine Frage der Wahrnehmung und des Austauschs ist, illustrieren der Autor und sein Erzähler laut Magenau in allen drei Fällen eindrucksvoll. In der dritten und für Magenau überzeugendsten Geschichte erfolgt die Auseinandersetzung über Kunst am Totenbett des Malers Johannes Grützke. Manchmal etwas zu planvoll gemacht, doch in jedem Fall lesenswert findet der Rezensent diese älteren, vom Autor überarbeiteten "Kunst-Stücke".
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.06.2021Ein Tag in der Schweiz
In Ingo Schulzes Erzählband „Tasso im Irrenhaus“ sind Kunst und Wirklichkeit nicht zu unterscheiden
Die Prosatexte von Ingo Schulze fangen oft recht harmlos an. Man ahnt zwar schon, dass sich da etwas Unwägbares anbahnt, aber wie es sich dann wirklich weiterentwickelt, verwirrt dann doch noch mehr. Warum das so ist, darauf gibt der Autor nun in seinem Buch „Tasso im Irrenhaus“ drei verschiedene Antworten.
Alle Texte in diesem Band haben etwas mit Bildender Kunst zu tun: Warum gelingt es der Kunst manchmal, mehr auszulösen, als man begreifen kann? Ist die Kunst klüger als ihr Schöpfer? Schulze gibt vor, realistisch und anschaulich zu erzählen, man fasst unwillkürlich Vertrauen zu der Stimme, die hier „Ich“ sagt und unverstellt von eigenen Erlebnissen berichtet, doch in jeder dieser drei Geschichten befindet man sich plötzlich in einem Spiegelkabinett und sieht sich von unerwarteten Fragen umstellt.
Der erste Text trägt den geheimnisvollen Titel „Das Deutschlandgerät“, und das gibt es wirklich. Es handelt sich um eine Installation von Reinhard Mucha. Ausgestellt ist sie im zweiten Stock der Düsseldorfer Kunstsammlung K21 – ein raumgreifendes Projekt mit vielen Bestandteilen, einem Kubus, acht Säulen, Monitoren, losen Kabeln, Fußbänken und einem begehbaren Innenraum, der einen antiken Tempel zitiert. Technische Apparaturen haben dabei eine zentrale Bedeutung, denn das ursprüngliche „Deutschlandgerät“ diente dazu, mit einem speziellen hydraulischen System entgleiste Lokomotiven oder Straßenbahnen zurück auf die Schienen zu heben. Der Ich-Erzähler lässt sich das irritierende und inspirierende Kunstwerk Muchas von einem Schriftstellerkollegen namens „B.C.“ erklären, für den es eine große Rolle zu spielen scheint.
Der Autor stattet seinen Ich-Erzähler mit etlichen Attributen aus, die ihn als Spielfigur seiner eigenen Erfahrungen zeigen und das literarische Leben der letzten Jahre in Szene setzen. Er trifft B.C. zum ersten Mal 1996 bei einer Lesung in der Berliner Akademie der Künste, bei der er als Debütant teilnimmt und mehr Erfolg hat als der bisher von fern bewunderte ältere Autor. B.C. hat eine DDR-Vergangenheit und ist in den siebziger Jahren offenbar im Gefolge der Biermann-Ausbürgerung in den Westen übergesiedelt. Sein einziges in der DDR veröffentlichtes Buch „Gezeiten“ erschien 1975 im Aufbau Verlag. B.C. hat sich danach auch dem westlichen Literaturbetrieb nicht angepasst und in losen Abständen nur wenige schmale Bücher veröffentlicht. Auf raffinierte Weise überführt Ingo Schulze seine Kenntnisse des Milieus in einen mehr oder weniger fiktiven Rahmen, und die Übergänge zwischen wahren Erlebnissen und literarischer Imagination sind kaum zu bemerken. Die üblichen Schriftstellertermine, die Auftritte bei den „Freiburger Literaturtagen“, dem Erlanger Poetenfest oder das Stipendium an der Villa Massimo in Rom – wie in Tagebuchskizzen fließt das beiläufig in die Erzählung
ein und wird mit der Figur des B.C. verbunden.
Diese hat zwar Züge von Jurek Becker, ist aber keineswegs deckungsgleich mit der Biografie des realen Beckers, der Ost und West gleichermaßen skeptisch gegenüberstand. Die Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit von B.C. tritt deutlich hervor, trotz mancher skurriler und abweisender Seiten. Unter der Hand scheint der Ich-Erzähler mit B.C. ein Ideal zu entwerfen und mit sich selbst zu konfrontieren.
Das ist ästhetisch sehr reizvoll und artistisch ausbalanciert. An der Oberfläche des Textes finden sich zudem zum Teil reizvolle Detailbeobachtungen – die etwas schillernde Beziehung von B.C. zu seiner zweiten Frau Elzbieta etwa oder die Verunsicherungen des Ich-Erzählers, die durch den eigenwilligen B.C. hervorgerufen werden. Wie das „Deutschlandgerät“ letztlich als Schlüssel für die Erkenntnisse und Wandlungsprozesse von B.C. erkennbar wird, ist verblüffend und überzeugend, auf der anderen Seite aber lässt es den Ich-Erzähler eher fragend als wissend zurück. Man hat Lust, wieder von vorne anzufangen.
Ähnliches passiert bei den beiden anderen Geschichten. „Tasso im Irrenhaus“ erzählt von einem Tag in der Schweiz. Im Mittelpunkt steht der Besuch bei der Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur, um das Bild „Tasso im Irrenhaus“ von Eugène Delacroix anzuschauen. Auch hier scheint der Autor Ingo Schulze das Geschehen wie im Tagebuch festzuhalten. Delacroix‘ ikonische Darstellung einer Schriftstellerexistenz interessiert ihn grundsätzlich, auch Goethe, Byron oder Baudelaire haben sich bereits mit diesem Dichterschicksal aus dem 16. Jahrhundert am Hof von Ferrara auseinandergesetzt. Doch als er sich in das Bild zu versenken beginnt, weil er einen Vortrag darüber halten soll, verwickelt ihn ein zwielichtiger Schweizer in einen Dialog, dem er nicht mehr entrinnen kann – zumal der Schweizer sich als außerordentlicher Experte erweist, mal wie Dürrenmatt, mal wie Peter Bichsel spricht und alle möglichen Hintergründe dieses Bildes so erläutert, dass dem Ich-Erzähler jeglicher Reiz für seinen Vortrag genommen wird.
Auch in diesem Text sind etliche Fallstricke versteckt. Vor allem scheinbar unbeteiligte Nebenpersonen – Mitreisende im Flugzeug von Rom oder anschließend auf der Fähre nach Friedrichshafen – vermitteln etwas Unheimliches, Dräuendes, sodass sich der Schriftsteller während seines eintägigen Aufenthalts in der Schweiz bald selbst wie Tasso vorkommt und sich als verlorener Dichter wie in einem Irrenhaus wähnt. Gerade, wenn man meint, alles erklären zu können, tun sich ungeahnte Abgründe auf. Und vermutlich fängt die Kunst erst dann so richtig an.
In der letzten Geschichte sieht sich der Ich-Erzähler, der hier von dem berühmten Maler Johannes Grützke auch mit seinem Klarnamen „Ingo Schulze“ vorgestellt wird, in ein fintenreiches Bühnenbild versetzt. Er wird von dem „Maler Grützke“, der im Text immer mit diesem Epitheton erscheint, in ein Hospiz an dessen Sterbebett eingeladen, weil er etwas über ein bestimmtes Bild von ihm schreiben soll. Er trifft dann auf eine Blaubeertorte verzehrende Gesellschaft, die ihm sehr fremd vorkommt.
Auch hier wird in ausgebuffter Weise mit Realien und mit konkreten Personen gespielt – mit „Ingo Schulze“ selber, aber auch mit dem „Maler Grützke“ und dessen Frau Bénédicte. Das Berliner Kulturmilieu, samt der Ehefrau des Schriftstellers Schulze, und das Viertel um die Güntzelstraße in Wilmersdorf tauchen ganz selbstverständlich auf und werden mit irisierenden Zitaten aus dem Schaffen Grützkes vermengt. Ingo Schulze konfrontiert seine DDR-Prägungen mit den gänzlich anderen Gepflogenheiten des westlichen Kunstbetriebs, aber während man noch glaubt, ihm dementsprechende Bekenntnisse abzulauschen, hat er das Ganze bereits in einen imaginären Rahmen gestellt und sich entzogen.
So fügen sich die drei Etüden dieses Erzählbandes wie kostbare Preziosen zu einer zwar fragilen, aber durchaus erkennbaren Einheit. Und sie vermitteln den Eindruck, etwas von den höchst verwickelten Verbindungen zwischen Kunst und Leben erhaschen zu können. Man sollte sich aber nie zu sicher sein. Als der schriftstellernde Ich-Erzähler dem allwissenden Schweizer einmal etwas über die Figur des Tasso erklärt, erwidert dieser bloß: „Da kennen Sie die Künstler schlecht.“ Und der Leser ahnt: Dieser Satz gilt auch ihm.
HELMUT BÖTTIGER
Gerade wenn man meint,
alles erklären zu können,
tun sich Abgründe auf
Goethe, Byron und Baudelaire haben sich mit dem Schicksal des Dichters beschäftigt: Detail von Delacroix’ „Tasso im Irrenhaus“.
Foto: Maria Larsson, Sammlung Oskar Re
Ingo Schulze: Tasso im Irrenhaus. Drei Erzählungen. DTV, München 2021. 158 Seiten, 20 Euro.
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In Ingo Schulzes Erzählband „Tasso im Irrenhaus“ sind Kunst und Wirklichkeit nicht zu unterscheiden
Die Prosatexte von Ingo Schulze fangen oft recht harmlos an. Man ahnt zwar schon, dass sich da etwas Unwägbares anbahnt, aber wie es sich dann wirklich weiterentwickelt, verwirrt dann doch noch mehr. Warum das so ist, darauf gibt der Autor nun in seinem Buch „Tasso im Irrenhaus“ drei verschiedene Antworten.
Alle Texte in diesem Band haben etwas mit Bildender Kunst zu tun: Warum gelingt es der Kunst manchmal, mehr auszulösen, als man begreifen kann? Ist die Kunst klüger als ihr Schöpfer? Schulze gibt vor, realistisch und anschaulich zu erzählen, man fasst unwillkürlich Vertrauen zu der Stimme, die hier „Ich“ sagt und unverstellt von eigenen Erlebnissen berichtet, doch in jeder dieser drei Geschichten befindet man sich plötzlich in einem Spiegelkabinett und sieht sich von unerwarteten Fragen umstellt.
Der erste Text trägt den geheimnisvollen Titel „Das Deutschlandgerät“, und das gibt es wirklich. Es handelt sich um eine Installation von Reinhard Mucha. Ausgestellt ist sie im zweiten Stock der Düsseldorfer Kunstsammlung K21 – ein raumgreifendes Projekt mit vielen Bestandteilen, einem Kubus, acht Säulen, Monitoren, losen Kabeln, Fußbänken und einem begehbaren Innenraum, der einen antiken Tempel zitiert. Technische Apparaturen haben dabei eine zentrale Bedeutung, denn das ursprüngliche „Deutschlandgerät“ diente dazu, mit einem speziellen hydraulischen System entgleiste Lokomotiven oder Straßenbahnen zurück auf die Schienen zu heben. Der Ich-Erzähler lässt sich das irritierende und inspirierende Kunstwerk Muchas von einem Schriftstellerkollegen namens „B.C.“ erklären, für den es eine große Rolle zu spielen scheint.
Der Autor stattet seinen Ich-Erzähler mit etlichen Attributen aus, die ihn als Spielfigur seiner eigenen Erfahrungen zeigen und das literarische Leben der letzten Jahre in Szene setzen. Er trifft B.C. zum ersten Mal 1996 bei einer Lesung in der Berliner Akademie der Künste, bei der er als Debütant teilnimmt und mehr Erfolg hat als der bisher von fern bewunderte ältere Autor. B.C. hat eine DDR-Vergangenheit und ist in den siebziger Jahren offenbar im Gefolge der Biermann-Ausbürgerung in den Westen übergesiedelt. Sein einziges in der DDR veröffentlichtes Buch „Gezeiten“ erschien 1975 im Aufbau Verlag. B.C. hat sich danach auch dem westlichen Literaturbetrieb nicht angepasst und in losen Abständen nur wenige schmale Bücher veröffentlicht. Auf raffinierte Weise überführt Ingo Schulze seine Kenntnisse des Milieus in einen mehr oder weniger fiktiven Rahmen, und die Übergänge zwischen wahren Erlebnissen und literarischer Imagination sind kaum zu bemerken. Die üblichen Schriftstellertermine, die Auftritte bei den „Freiburger Literaturtagen“, dem Erlanger Poetenfest oder das Stipendium an der Villa Massimo in Rom – wie in Tagebuchskizzen fließt das beiläufig in die Erzählung
ein und wird mit der Figur des B.C. verbunden.
Diese hat zwar Züge von Jurek Becker, ist aber keineswegs deckungsgleich mit der Biografie des realen Beckers, der Ost und West gleichermaßen skeptisch gegenüberstand. Die Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit von B.C. tritt deutlich hervor, trotz mancher skurriler und abweisender Seiten. Unter der Hand scheint der Ich-Erzähler mit B.C. ein Ideal zu entwerfen und mit sich selbst zu konfrontieren.
Das ist ästhetisch sehr reizvoll und artistisch ausbalanciert. An der Oberfläche des Textes finden sich zudem zum Teil reizvolle Detailbeobachtungen – die etwas schillernde Beziehung von B.C. zu seiner zweiten Frau Elzbieta etwa oder die Verunsicherungen des Ich-Erzählers, die durch den eigenwilligen B.C. hervorgerufen werden. Wie das „Deutschlandgerät“ letztlich als Schlüssel für die Erkenntnisse und Wandlungsprozesse von B.C. erkennbar wird, ist verblüffend und überzeugend, auf der anderen Seite aber lässt es den Ich-Erzähler eher fragend als wissend zurück. Man hat Lust, wieder von vorne anzufangen.
Ähnliches passiert bei den beiden anderen Geschichten. „Tasso im Irrenhaus“ erzählt von einem Tag in der Schweiz. Im Mittelpunkt steht der Besuch bei der Sammlung Oskar Reinhart in Winterthur, um das Bild „Tasso im Irrenhaus“ von Eugène Delacroix anzuschauen. Auch hier scheint der Autor Ingo Schulze das Geschehen wie im Tagebuch festzuhalten. Delacroix‘ ikonische Darstellung einer Schriftstellerexistenz interessiert ihn grundsätzlich, auch Goethe, Byron oder Baudelaire haben sich bereits mit diesem Dichterschicksal aus dem 16. Jahrhundert am Hof von Ferrara auseinandergesetzt. Doch als er sich in das Bild zu versenken beginnt, weil er einen Vortrag darüber halten soll, verwickelt ihn ein zwielichtiger Schweizer in einen Dialog, dem er nicht mehr entrinnen kann – zumal der Schweizer sich als außerordentlicher Experte erweist, mal wie Dürrenmatt, mal wie Peter Bichsel spricht und alle möglichen Hintergründe dieses Bildes so erläutert, dass dem Ich-Erzähler jeglicher Reiz für seinen Vortrag genommen wird.
Auch in diesem Text sind etliche Fallstricke versteckt. Vor allem scheinbar unbeteiligte Nebenpersonen – Mitreisende im Flugzeug von Rom oder anschließend auf der Fähre nach Friedrichshafen – vermitteln etwas Unheimliches, Dräuendes, sodass sich der Schriftsteller während seines eintägigen Aufenthalts in der Schweiz bald selbst wie Tasso vorkommt und sich als verlorener Dichter wie in einem Irrenhaus wähnt. Gerade, wenn man meint, alles erklären zu können, tun sich ungeahnte Abgründe auf. Und vermutlich fängt die Kunst erst dann so richtig an.
In der letzten Geschichte sieht sich der Ich-Erzähler, der hier von dem berühmten Maler Johannes Grützke auch mit seinem Klarnamen „Ingo Schulze“ vorgestellt wird, in ein fintenreiches Bühnenbild versetzt. Er wird von dem „Maler Grützke“, der im Text immer mit diesem Epitheton erscheint, in ein Hospiz an dessen Sterbebett eingeladen, weil er etwas über ein bestimmtes Bild von ihm schreiben soll. Er trifft dann auf eine Blaubeertorte verzehrende Gesellschaft, die ihm sehr fremd vorkommt.
Auch hier wird in ausgebuffter Weise mit Realien und mit konkreten Personen gespielt – mit „Ingo Schulze“ selber, aber auch mit dem „Maler Grützke“ und dessen Frau Bénédicte. Das Berliner Kulturmilieu, samt der Ehefrau des Schriftstellers Schulze, und das Viertel um die Güntzelstraße in Wilmersdorf tauchen ganz selbstverständlich auf und werden mit irisierenden Zitaten aus dem Schaffen Grützkes vermengt. Ingo Schulze konfrontiert seine DDR-Prägungen mit den gänzlich anderen Gepflogenheiten des westlichen Kunstbetriebs, aber während man noch glaubt, ihm dementsprechende Bekenntnisse abzulauschen, hat er das Ganze bereits in einen imaginären Rahmen gestellt und sich entzogen.
So fügen sich die drei Etüden dieses Erzählbandes wie kostbare Preziosen zu einer zwar fragilen, aber durchaus erkennbaren Einheit. Und sie vermitteln den Eindruck, etwas von den höchst verwickelten Verbindungen zwischen Kunst und Leben erhaschen zu können. Man sollte sich aber nie zu sicher sein. Als der schriftstellernde Ich-Erzähler dem allwissenden Schweizer einmal etwas über die Figur des Tasso erklärt, erwidert dieser bloß: „Da kennen Sie die Künstler schlecht.“ Und der Leser ahnt: Dieser Satz gilt auch ihm.
HELMUT BÖTTIGER
Gerade wenn man meint,
alles erklären zu können,
tun sich Abgründe auf
Goethe, Byron und Baudelaire haben sich mit dem Schicksal des Dichters beschäftigt: Detail von Delacroix’ „Tasso im Irrenhaus“.
Foto: Maria Larsson, Sammlung Oskar Re
Ingo Schulze: Tasso im Irrenhaus. Drei Erzählungen. DTV, München 2021. 158 Seiten, 20 Euro.
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Drei Erzählungen, drei Kunstwerke. Jörg Magenau Deutschlandfunk 20210707