Dies ist bereits der zweite Band einer Reihe um Ermittlungen im Hamburger Hafen, leider habe ich den ersten Teil nicht gelesen. Das tut der Spannung und der Qualität dieses Romans aber keinerlei Abbruch
Dieser Kriminalroman, in dessen Mittelpunkt Hauptkommissar Tom Bendixen von der
Wasserschutzpolizei steht, entwickelt eine hohe Dynamik auf verschiedenen Ebenen. Die vordergründigste ist das…mehrDies ist bereits der zweite Band einer Reihe um Ermittlungen im Hamburger Hafen, leider habe ich den ersten Teil nicht gelesen. Das tut der Spannung und der Qualität dieses Romans aber keinerlei Abbruch
Dieser Kriminalroman, in dessen Mittelpunkt Hauptkommissar Tom Bendixen von der Wasserschutzpolizei steht, entwickelt eine hohe Dynamik auf verschiedenen Ebenen. Die vordergründigste ist das Wetter: Ein heftiges Unwetter mit Orkanstärke treibt auf Hamburg zu, die Wasserstände steigen, der Hafen muss evakuiert werden.
Da wird die Leiche eines jungen Afrikaners aus der Elbe gefischt, bekleidet mit den Overall einer bestimmten Reederei. Von dieser liegt aktuell nur ein Schiff im Hafen, so dass schnell klar ist, dass der Mann von dort kommen muss. Doch es stellt sich bald heraus, dass er kein Mitglied der Crew war, sondern ein blinder Passagier, ein „Einschleicher“. Und es bleibt nicht bei diesem einen blinden Passagier, eine Frau mit kleinem Kind wird auf dem Schiff gefunden. Schließlich wird auch noch das einzige weibliche Crewmitglied vermisst.
Eine weitere Person ist wohl offensichtlich vom Schiff geflohen und wird nun nicht nur von den Polizisten gesucht, denn der Fliehende hat einen Mord mit angesehen.
Zur Untersuchung des ersten Todesfalls kommt die Mordkommissarin Jonna Jacobi an Bord, steht aber vor einer Mauer des Schweigens, des Leugnens und der Lügen. Weiter hinzugezogen wird die Opferschutz-Mitarbeiterin Charlotte Severin, die sich um die Mutter und das Kind kümmern soll.
Charlotte wiederum hat mit heftigen eigenen Problemen zu kämpfen, sie wird von ihrem Ex, dem Vater ihrer Tochter, bedroht und muss sich vor ihm verstecken. Dieser Handlungsfaden wurde vom Vorgängerband übernommen, wo bereits Tom und Charlotte miteinander zu tun hatten und sich offensichtlich näher kamen. Tom wiederum sorgt sich um seine Frau, die nicht zu erreichen ist und daher nicht über die nötige Evakuierung informiert werden kann.
All diese Ereignisse tragen sich in einer einzigen Nacht zu, binnen weniger Stunden, in denen der Sturm zunimmt, das Wasser steigt und alle Beteiligten unter enormem Druck stehen.
Diese Beteiligten, die Protagonisten des Romans, sind sehr sympathisch und dabei durchaus lebensecht gezeichnet, mit eigenen Sorgen und Nöten und doch immer hellwach in ihrem Job. Gut beschrieben ist die hohe Belastung, unter der die Ermittler:innen stehen, physisch wie psychisch, sowie die immer mehr steigenden Herausforderungen durch das Wetter. Hier greifen die Autoren, das Ehepaar Angélique und Andreas Kästner, geschickt auf das Stilmittel zurück, Funksprüche darzustellen, die zwischen den verschiedenen Einsatzgruppen, die den Hafen sichern sollen, ausgetauscht werden. Dadurch entsteht eine enorme Dynamik, ein hohes Tempo in der Handlung.
Bis zum dramatischen Ende ahnt man wirklich nicht, wer den Mord begangen hat und den Fliehenden verfolgt. Auch so lässt sich in einem Krimi gute Spannung erzeugen. Dazu kommt ein gut und flüssig zu lesender Schreibstil.
Ein Manko aber liegt in dem, was auch gleichzeitig ein Vorteil ist: Der Autor war einst selbst Hauptkommissar am Hamburger Hafen, so dass insbesondere die Beschreibungen der Örtlichkeiten sowie der Abläufe unbedingt realistisch dargestellt sind. Was aber andererseits leider immer mal wieder zu Informationsüberfluss, sogenanntem Infodump, führt. Da werden die Gegebenheiten, wie z.B. die Rangordnung, auf einem Containerschiff beschrieben, die Zuständigkeiten der Wasserschutzpolizei und die diversen Orte im Hafen. Geschickt eingebaut werden diese durch die wissensdurstigen Fragen der Mordkommissarin an Tom Bendixen, der ihr diese Dinge dann immer gerne und ausführlich erklärt. Hilfreich erweist sich hier auch das Glossar am Ende des Buchs, das all die verwendeten Fachausdrücke erklärt. So interessant und auch durchaus wichtig solche Hintergrundinformationen sind, so reißt es doch leider auch manchmal aus der laufenden Handlung heraus.
Ebenso wie die häufig wechselnden Handlungsorte und damit auch die ebenso häufig wechselnden Protagonisten der Szenen. Einerseits ein Schachzug, durch Cliffhanger die Spannung zu erhöhen, andererseits reißt auch das aus der aktuellen Szene heraus, deren Faden man dann erst wieder finden muss, wenn die Ereignisse an der Stelle später weitergehen.
Dazu kommen ein paar Handlungsfäden, die es m.E. nicht gebraucht hätte, auch wenn ich den die einzelnen Bände verbindenden Faden erkenne. So hat mich die Geschichte um die vom Ex bedrohte Psychologin doch ein wenig gestört, denn das trug wirklich gar nichts zur Haupthandlung bei.
Aber trotz dieser recht kleinen Mängel ein fesselnder Krimi mit sympathischem Personal, der Lust auf die bereits angekündigte Fortsetzung macht.
Kästner & Kästner – Tatort Hafen: Tod im Schatten der Elbflut
Knaur, Dezember 2024
Taschenbuch, 382 Seiten, 12,99 €