Studienarbeit aus dem Jahr 2001 im Fachbereich Geschichte Europas - Mittelalter, Frühe Neuzeit, Note: 1,3, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (Historisches Seminar), Veranstaltung: Otto der Große, Sprache: Deutsch, Abstract: Die Floskel „Dichtung und Wahrheit“ wird oft in der Umgangssprache verwendet, wenn Zweifel an einer Aussage zum Ausdruck gebracht werden sollen. Die Historiker drücken eben diesen Tatbestand in ihrem wissenschaftlichen Sprachgebrauch mit den Worten „Überrest und Tradition“ aus, wobei ein Überrest in jedem Fall etwas Wahres kennzeichnet, während unter dem Oberbegriff „Tradition“ sowohl richtige als auch unwahre Aussagen zusammenfallen. Historiographische Darstellungen sind in jedem Falle als Tradition einzuordnen. Kompliziert wird die Bewertung ihres Wahrheitsgehaltes dann, wenn zu ihrer Überprüfung nur wenige Überreste zur Verfügung stehen, oder wenn unterschiedliche Darstellungen voneinander differieren, weil die Autoren entweder selbst nur schlecht informiert waren oder das Geschehene bewußt in ein anderes Licht rücken wollten. Dies soll in der vorliegenden Arbeit am Beispiel der ottonischen Geschichtsschreibung thematisiert werden. Nach dem Ende der Fuldaer Annalen (901) und der Chronik Reginos (908) schwieg die Historiographie im ostfränkischen Reich für länger als ein halbes Jahrhundert. Die erste Hälfte des 10. Jhdt.´s ist für das gewählte Thema deswegen interessant, weil uns aus dieser Zeit mit Ausnahme einiger Urkunden nur wenige Quellen vorliegen. Alles, was wir aus diesem wichtigen Zeitraum zu wissen glauben, entstammt den Federn einiger weniger Geschichtsschreiber, die das Geschehen rückwirkend aus der ottonischen Perspektive zusammenfaßten. Gerade in diesen Jahren vollzogen sich aber fundamentale Veränderungen: Die karolingische Dynastie wurde nach einer langen Schwächeperiode von den Ottonen abgelöst, und das sogenannte Ostfränkische Reich emanzipierte sich langsam zum späteren Deutschen Reich. Dabei wurden die innen- und außenpolitischen Herausforderungen so gut gelöst, daß sich aus einem schwachen Königtum eine Macht entwickelte, die die Kaiserwürde für sich in Anspruch nehmen konnte, weil sie außenpolitisch die führende Stellung in Europa erlangt hatte. ie die Historiographen auf eine solche Erfolgsstory zurückblickten, soll anhand eines Beispiels untersucht werden. Gleich nach dem Herrschaftsantritt Ottos 936 kam es im ganzen Reich zu einer Serie von Aufständen des Hohen Adels gegen ihn. An ihnen soll aufgezeigt werden, wie die Autoren das Bild einer Epoche absichtlich oder unabsichtlich verändert haben.