Hält nicht, was die Verpackung verspricht
Robert – Landwirt, Alkoholiker, Klimaleugner. Tom – Klimaforscher, sein Bruder, Weltretter. Janne – Studentin der Klimawissenschaften, Roberts Tochter, Klimaaktivistin. Mareike – Modebloggerin, Toms Tochter, Klima: egal. Die vier Protagonist:innen in Thore
D. Hansens Klimaroman „Taupunkt“ kommen mehr oder minder unfreiwillig in Berlin und Lentzke, wo…mehrHält nicht, was die Verpackung verspricht
Robert – Landwirt, Alkoholiker, Klimaleugner. Tom – Klimaforscher, sein Bruder, Weltretter. Janne – Studentin der Klimawissenschaften, Roberts Tochter, Klimaaktivistin. Mareike – Modebloggerin, Toms Tochter, Klima: egal. Die vier Protagonist:innen in Thore D. Hansens Klimaroman „Taupunkt“ kommen mehr oder minder unfreiwillig in Berlin und Lentzke, wo Roberts Zweithof liegt, zusammen zu einem Zeitpunkt, als Europa und der Rest der Welt unter nie dagewesener Hitze leiden. Höchste Zeit für das Phönixprogramm von Toms Forschergruppe, mit Hilfe dessen die Welt aus der Asche wieder erstehen soll. Allerdings unter Aufgabe großer persönlicher Freiheiten aller, was Tom nach den vergleichsweise harmlosen Restriktionen der Coronapandemie erbitterte Feinde beschert. Als die Hitze die 50 Grad überschreitet und die Stromversorgung kollabiert, droht die Eskalation.
Eigentlich ein spannendes Szenario, dieses Gedankenspiel, was wäre, wenn die Erderwärmung schneller drastische Formen annähme, als gedacht. Allerdings kommt es erst in Kapitel 37 (von 45) dazu. Die folgenden zwei sind die spannendsten des Romans. Vorher muss der Leser durch viel privaten Konfliktstoff zwischen den Brüdern, an denen der Autor auch die verhärteten Extremfronten zwischen Klimaleugnern und -aktivisten exemplifiziert. Dabei kommen beide Seiten nicht wirklich gut weg, zumal auch weil beide Repräsentanten nicht wirklich sympathisch sind, der eine ein Alkoholiker, der nichts auf die Reihe kriegt, der andere ein jetsettender Erfolgstyp, der bei aller Krise noch Zeit hat, seine Eheprobleme zu regeln und seine Familie nicht nur zugunsten seiner höheren Mission der Weltrettung aufzugeben, sondern auch für eine Geliebte. Die Diskussionen drehen sich – in verschiedenen Figurenkonstellationen – im Kreis. Jede Position findet immer wieder Relativierung, sodass der Leser nicht weiß, wo er steht, mit Ausnahme der Sicherheit, dass etwas gegen den Klimawandel getan werden muss (was er vermutlich aber auch schon vorher wusste).
Die einzig logisch stringente Handlungsführung ist der Anstieg der Temperatur. Ansonsten fahren die Figuren von A nach B und wieder zurück, nur um immer wieder ihre persönlichen oder stellvertrend gesellschaftlichen Konflikte auszutragen.
Vielleicht ist es nicht ganz fair, den Roman an seinen Vorerwartungen zu messen, die auch von dem eindrucksvollen Cover geschürt wurden. Aber genau dieses Szenario war es, was mich zum Lesen animiert hat. Leider ist diese Zukunftsvision, die sehr klischeemäßig verläuft: kein Strom, Fluchtgedanken, ein geheimer Vorratskeller, plündernde Gruppen, ausgestorbene Dörfchen, schon nach drei Kapiteln wieder vorbei. Und ohne das Ende verraten zu wollen, nur so viel: löste sich unser Klimaproblem so simpel wie die Romanhandlung, dann müssten wir uns keine Sorgen machen.
Zum Thema Klimawandel würde ich, wollte ich Argumentationen hören, lieber auf ein Sachbuch zurückgreifen, für Spannung dürfte es dann eher ein dystopischer Roman oder Thriller oder beides in einem sein.