Das Cover und der Untertitel „Ein früher Western“ lassen Bilder im Kopf des Lesers entstehen, die irgendwo zwischen Karl Mays Romanen und „Spiel mir das Lied vom Tod“ angesiedelt sind: tapfere Sheriffs, Cowboys, Büffelherden auf der Prärie, Indianer, Trecks von Kolonisten, Saloon-Schönheiten und
Schießereien.
Diese Vorstellungen bedient Meinrad Brauns Roman nur sehr bedingt. Der Autor zeigt uns…mehrDas Cover und der Untertitel „Ein früher Western“ lassen Bilder im Kopf des Lesers entstehen, die irgendwo zwischen Karl Mays Romanen und „Spiel mir das Lied vom Tod“ angesiedelt sind: tapfere Sheriffs, Cowboys, Büffelherden auf der Prärie, Indianer, Trecks von Kolonisten, Saloon-Schönheiten und Schießereien.
Diese Vorstellungen bedient Meinrad Brauns Roman nur sehr bedingt. Der Autor zeigt uns eher das Schicksal eines Auswanderers, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts der wirtschaftlichen Not seiner Heimat entkommen und im Land der unbegrenzten Möglichkeiten seinen Lebenstraum verwirklichen will. Gregor Schönheits Kindheit im Schwarzwald ist von bitterster Not geprägt. Seine Mutter, eine Soldatenwitwe, hält sich wie so viele andere mit schlecht bezahlter Heimarbeit über Wasser: sie bemalt Kuckucksuhren. Das Ticken der Uhren und die Uhr seines Vaters, dessen einziges Vermächtnis, wird Gregor sein Leben lang begleiten. Sein Leben wird zusätzlich erschwert durch Ausgrenzungen und Feindseligkeiten aufgrund seiner jüdischen Herkunft, sodass er schließlich der geistigen und politischen Enge seiner Heimat entflieht, immer mit dem Ziel, eines Tages eine Uhrenfabrik zu errichten.
Sein Leben in den Staaten ist zugleich ein Einblick in die frühe Siedlungsgeschichte. Der Leser begleitet Greg, wie er sich nun nennt, in die Werkstatt eines Büchsenmachers und auf seinen Ritten durch die Prärie, zu Handelsstützpunkten der Trapper und Jäger. Er führt Siedlertrecks durch die weglose weite Landschaft und knüpft Kontakte zu der indigenen Bevölkerung. Er lernt deren andere Lebensauffassung kennen, sieht Grausamkeiten, erlebt die Ausrottung erst der Biber und dann der riesigen Büffelherden und die staatlichen Sanktionen bzw. Umerziehungsaktionen gegen die gottlosen „Wilden“, die zudem durch eingeschleppte Epidemien weiter dezimiert wird. Die Machenschaften der Pelzhandelsgesellschaften, die Handelsbeziehungen zu einzelnen Stämmen, der animistische Naturglaube der Indigenen, der Landhunger der Einwanderer und immer wieder die Schönheit der endlosen Prärie, die er als „Schönheit der Leere“ beschreibt – der Autor malt ein umfassendes Bild der Zeit. Schließlich gerät er in einen der blutigsten Kriege aller Zeiten, den sog. Sezessionskrieg, den er überlebt. Gegen Ende schließt sich der Kreis: er kehrt in den Schwarzwald zurück und sucht seine Mutter.
Diese Geschichte ist weit entfernt von aller Wildwest-Romantik. Trotz aller Dramatik der Ereignisse bewahrt der Autor durchgehend einen berichtenden, chronikhaften Stil. Die fiktive Figur des Greg wird nahtlos in die Zeit und an historische Personen angepasst, sodass beim Leser der Eindruck einer Biografie entsteht. Dazu passt auch das eher altmodische Vokabular, das z. B. einen jungen Mann als Jüngling vorstellt, der „ob seiner weichen Züge“ auffällt.
Lesenswert!