Wir haben alle selbst zehn, zwölf, dreizehn Jahre oder länger als Schüler oder Schülerin am Unterricht teilgenommen. Wir kennen den Schülerjob aus eigener Anschauung nur zu gut. Was lässt sich darüber noch Neues sagen? In dieser unabweisbaren Bekanntheit des Untersuchungsgegenstandes liegt die größte Herausforderung für die vorliegenden Studien. Die Ethnographie eines so vertrauten Feldes, wie es der Schulunterricht darstellt, hat sich einem doppelten Gütekriterium zu stellen. Einerseits müssen die Leserin und der Leser sagen können: Ja, das stimmt, so habe ich es erlebt, das entspricht meiner Erf- rung – ein harter Test für die „Validität“ der Analysen. Andererseits muss die Lektüre die Reaktion hervorrufen: So habe ich das aber noch nicht gesehen – anderenfalls wären die Analysen überflüssig. Der Anspruch der in diesem Band präsentierten ethnographischen Studien muss es also sein, einen neuen Blick auf das (allzu) vertraute Geschehen des Unterrichtsalltages zu entwickeln. Dank Dieses Buch basiert auf einem Forschungsprojekt, das unter meiner Leitung von 2001 bis 2005 am Zentrum für Schulforschung und Fragen der Lehrerbildung (ZSL) der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg durchgeführt und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wurde. Das Projekt mit dem Titel „Jugendkultur in der Unterrichtssituation“ zielte auf die grundlegende ethnographische Erkundung, wie Jugendliche mit schulischem Unterricht um- hen, wie sie die situativen und interaktiven Anforderungen des Unterrichts ha- haben. Viele Personen waren an der Entstehung dieses Buches beteiligt. Ihnen möchte ich an dieser Stelle meinen Dank aussprechen.
"Mit der Publikation sind [...] inhaltlich vor allem zwei Zugewinne verbunden: (1) Unterricht, in der traditionellen Didaktik meist im Sinne eines roten Fadens von der beabsichtigen Ablauforganisation/der Lehrperson her gesehen, erscheint unter dem ethnographischen Blick als viel komplexer, fragmentarischer und von vielfältigen Verhaltensroutinen durchzogen, auch als weniger steuerbar. Die Feinanalysen arbeiten dabei Idaliaiserungen von Unterrichtsmethoden entgegen - besonders deutlich angesichts von gruppen- und Freiarbeit. (2) Ein weiterer Wert der Arbeit liegt in ihrer Absage an Entfremdungstheorien. Schüler erscheinen hier nicht als Gefangene des Systems, die doch gerne ihrer ursprünglichen Neugier folgen würden, wenn man sie nur ließe. Sie bewältigen ihren Arbeitsalltag, nicht mehr, aber auch nicht weniger, durchaus auch lustvoll [...]. Auch methodisch ist der hier vorgestellte Blick wertvoll [...]." ZQF - Zeitschrift für Qualitative Forschung, 1+2-2008