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Jérôme Leroy und Max Annas schreiben vierhändig
Dieses Buch würde Bundesinnenministerin Nancy Faeser gefallen: Zwei bekannte Autoren, Krimipreisträger Max Annas und der Franzose Jérôme Leroy, haben einen "Roman noir" geschrieben. Der Plot verbindet sie, ihre Schreibstile unterscheiden sich. Es ist einfach zu erkennen, wer welches Kapitel geschrieben hat. Mit "Der Block", in dem er die Eingeweide des französischen Rechtspopulismus seziert, ist Leroy in Deutschland bekannt geworden (F.A.Z. vom 3. April 2017). Max Annas hat sich mit seinen Büchern schnell in die erste Liga der deutschen Kriminalliteratur geschrieben und schon mehrfach den Deutschen Krimipreis erhalten. Unterschiedlicher Schreibstil, unterschiedliche Krimikulturen - ein gemeinsames Experiment verspricht allein deswegen Spannung. Die Idee zu "Terminus Leipzig" entstand während des internationalen Krimifestivals Quais du Polar.
Kristina Steiner, Polizistin in einer französischen Antiterroreinheit, führen Ermittlungen gegen französische Rechtsextremisten nach Leipzig. Dort überschneidet sich ihr Kampf gegen die terroristische Szene radikalisierter Neonazis mit der Geschichte des gewalttätigen Linksextremismus und des RAF-Terrors in der Bundesrepublik der Siebzigerjahre. RAF trifft in Leipzig auf NSU. Ultrarechte Gruppierungen aus Frankreich und Deutschland drohen mit Racheakten gegen Überlebende und Sympathisanten der Baader-Meinhof-Gruppe.
Der deutsche Verfassungsschutz hat das den französischen Kollegen gemeldet. Steiner, die bei einem Einsatz gerade einen gewalttätigen Rechtsextremisten erschossen hatte, will während des folgenden Zwangsurlaubs in Lyon das Krimifestival Quais du Polar besuchen. Daraus wird nichts. In Lyon stolpert sie prompt über den nächsten Mord. Rechtsextremisten haben einen deutschen Professor erschossen, der vor vierzig Jahren Mitglied einer linksextremen Terrorgruppe in der Bundesrepublik war.
Wie es der Zufall will, findet die Kommissarin in der Wohnung des Ermordeten ein Foto, das sie nach Leipzig führt. Auf dem Foto steht "Wolfgang, Petra und Kristina, Juli 1969". Petra ist die Mutter der Kommissarin, das Baby sie selbst? Wer aber ist Wolfgang? Der hat ihrer Mutter eine Mail geschickt, kurz bevor sie sich das Leben nahm. Wolfgang Sommer, Partner des in Lyon erschossenen Professors in gemeinsamen linksextremistischen Zeiten, ist der lange gesuchte Vater Kristinas. Annas lässt den Fünfundsiebzigjährigen in einem Haus am Rand einer Kiesgrube nahe Leipzig erst einmal altersgerecht über eine Erektionsstörung klagen. Wolfgang ist ein radikaler Linker geblieben. Er twittert gegen Rechtsextreme, setzt sich für Flüchtlinge ein, erhält Morddrohungen. Nicht nur die rachsüchtige Tochter Kristina, auch die rechte Gefahr rückt näher.
Leroy treibt die Geschichte über Kristina, seine Kommissarin, mit Handlung voran. Die Französin ist hart wie ein Elitesoldat, und sie hat keine Hemmungen, zu töten. Auch in Leipzig pflastern tote Rechtsextremisten ihren Weg, die es auf ihren Vater abgesehen hatten. Die gewaltbereite rechte Front vor Wolfgangs Haus reicht von blauäugigen, blonden rechtsextremistischen Bürgertöchtern aus Frankreich über bewaffnete deutsche Nazis in Kampfanzug und Sturmhaube bis zu sächsischen Polizisten in Uniform, die die Killerkommandos im Streifenwagen am Tatort unterstützen.
In der Schilderung des Bösen zeigen sich Unterschiede - Kristina handelt. "Ich bin ein Roman Noir. Ich ganz allein", lässt Leroy sie denken. Annas schreibt moralischer und politisch korrekter. Wolfgang, der seine "terroristische Vergangenheit" hinter sich gelassen hat, wird sympathisch geschildert. Schließlich hält er im Denken an "Idealen" fest, ist er es, der gegen Rechtsradikale, Islamophobie, Migrationsgegner und Rassismus kämpft.
Noir-Autoren interessieren sich mehr dafür, die Gesellschaft zu schildern, als dafür, am Ende der Ermittlungen einen Schuldigen gefunden zu haben, hat Leroy in einem Gespräch zu dem Projekt mit Annas gesagt. Doch der politisch korrekte Noir mit seinen linken Heldengeschichten deckt sich heute mit dem politischen Narrativ. Die Innenministerin klingt kaum anders als der sich kritisch gebende Kriminalroman. Ihm droht Erstarrung im Klischee. Von der muss sich das Genre befreien, wenn es anecken will: Es braucht Distanz zur Macht. CARSTEN GERMIS
Jérôme Leroy und Max Annas: "Terminus Leipzig". Kriminalroman.
Aus dem Französischen von Cornelia Wend. Edition Nautilus, Hamburg 2022. 128 S., br., 16,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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