Der Kameramann Marc Burth fährt mit seiner Frau Conny und ihrer Tochter Anna in ein italienisches Bergdorf. So beschaulich es dort auch ist, schon bald beunruhigen ihn merkwürdige Vorkommnisse. Eines Nachts findet er im Nachbarhaus einen Marokkaner, fast totgeprügelt - nach Aussage des Opfers von Polizisten. Marc ist seine einzige Hoffnung. Er recherchiert und kann nicht fassen, worauf er stößt: ein staatliches Terrornetzwerk, in das auch deutsche Politiker involviert sind. Der Staat scheint sich mit Terroristen verbündet zu haben. Und möglicherweise tut er das noch immer - auch dort oben, auf dem Berg, wo Marc und seine Familie plötzlich nicht mehr sicher sind ... Martin Maurers hochbrisanter Thriller nimmt uns das Vertrauen darauf, in Sicherheit zu leben; beschützt durch die Polizei, die Institutionen des Staates. Doch was, wenn dieser Staat gegen seine eigenen Werte verstößt? >Terror< beschreibt die grausamen Folgen mit überwältigender Spannung.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.07.2012Alles Unglück dieser Welt wächst auf dem Mist der Geheimdienste
Martin Maurer versucht sich in seinem Thriller "Terror" an einem Spiel mit Realität und Fiktion. Doch der Frage nach der Verantwortung des Autors beim Verwischen der Grenzen weicht er aus.
Marc Burth ist eine virtuelle Figur", heißt es auf der Internetseite des Schriftstellers Martin Maurer. Der Satz will heißen: Der Schriftsteller hat seine Romanfigur erfunden. Es ist aber auch so etwas wie eine Rechtserklärung, denn Marc Burth existiert als Figur nicht nur in einem Roman von Martin Maurer, sondern virtuell auch im Internet. Da hat er einen Twitter-Account und einen Blog, letzter Eintrag schlicht: "Angst". Der Eintrag stammt vom 3. Juni 2010. Danach nichts mehr. Im Roman heißt es: Marc Burth ist am 4. Juni 2010 verschwunden.
Es ist interessant, dass Martin Maurers Romanfigur durch diese fiktiven Internetpräsenzen für die Leser seines Romans tatsächlich einiges an Präsenz gewinnt. Das sagt doch etwas aus über unseren Umgang mit einem Medium, von dem wir uns täglich sagen, dass es unzuverlässig sei, das wir dennoch aber immer wieder konsultieren und als Quelle weitaus ernster nehmen, als wir das zugeben wollen.
Leider ist aber die Frage nach der realen und der virtuellen Existenz von Menschen und Umständen keine, mit der sich Martin Maurer in seinem Roman befasst. Sein Buch "Terror" nutzt die Verknüpfung der Formen Internet und gedrucktes Buch nicht, um über die Grenzen der Fiktion im Alltag nachzudenken. Die Mühsal, mit welcher der Twitter-Account, das Blog und das Buch miteinander in Korrespondenz gesetzt wurden - wie also das stets datierte Geschehen im Roman Hand in Hand geht mit dem, was im Internet von Marc Burth geschrieben wird; wie im Buch ständig auf das Blog hingewiesen wird, damit der Leser wirklich die URL eingibt; die Tatsache, dass die Romanfigur Marc Burth dem Autor Martin Maurer ständig im Buch abgedruckte E-Mails schickt und der Autor selbst im Nachwort behauptet, Marc Burth gebe es wirklich - all das dient leider am Ende nur dazu, eine ziemlich dünne Geschichte mit jenem paranoischen Drohpotential des "Es könnte wirklich so sein" aufzuladen, von dem ein Polit-Thriller lebt.
Inhaltlich hält das Buch, was der Titel verspricht. Es geht um Terror und die eigentlich spannende Frage, inwiefern der Staat von den Machenschaften terroristischer Organisationen weiß, bevor die ihre Verbrechen ausüben. Marc Burth, ein freundlicher Berliner Werbefilm-Kameramann, der in Prenzlauer Berg wohnt und dort eine typische Berlin-Existenz als freiberufelnder Trendmensch mit neuer Familie und neuer Verantwortung führt, reist mit Lebensgefährtin und Tochter nach Italien - nach Ligurien, im Januar 2010.
Im italienischen Dorf angekommen, macht der Kameramann die Bekanntschaft eines Nordafrikaners, der im Nachbarhaus eine verkommene Existenz führt. Der Nordafrikaner wird eines Abends von zwei Unbekannten verprügelt, Marc Burth verspricht, ihm zu helfen. Die Polizei darf er dabei nicht konsultieren, das verbittet sich der Nordafrikaner, und natürlich ahnt man spätestens jetzt, dass es um finstere staatliche Machenschaften geht.
Wie sich herausstellt, ist der Nordafrikaner nur eine Figur in einem Spiel zwischen den Geheimdiensten der Nato-Staaten, das schon seit den fünfziger Jahren gespielt wurde. Es geht um die sogenannten "Stay Behind"-Organisationen, die es wirklich gegeben hat, von amerikanischen Geheimdiensten rekrutierte Kampftruppen, die eigentlich als Guerrilla-Organisationen dienen sollten, falls der Westen irgendwann vom Osten überrollt werden sollte. Maurer strickt daraus eine Handlung, deren vorgebliche Verbindungen zum Reich der Fakten für kaum jemanden zu überprüfen sind. Mitglieder der paramilitärischen Organisationen wurden, so stellt sich über den Roman heraus, von staatlichen Strukturen für Terroraktionen rekrutiert, die das europäische Volk bei der westlichen Stange halten sollte.
Mag zu Teilen stimmen, mag völliger Schwachsinn sein oder die ganze, brutale Wahrheit. Maurer hilft einem nicht dabei, diesbezüglich zu einem Schluss zu kommen, wird am Ende aber immer gewagter. Nicht nur das tatsächlich ominöse Oktoberfestattentat vom September 1980, sondern auch die RAF, die Gewalt während der Anti-G-8-Proteste in Genua, ja sogar der islamistische Terror sind, zumindest teilweise, auf dem Mist von BND, MI6 und CIA gewachsen. Eine superfinstere Welt.
Ein Journalist, der mit Marc Burth zusammenarbeitet, sagt zu einem Ex-Agenten, der auspacken will: "Was Sie uns hier sagen, riecht so sehr nach Verschwörungstheorie, dass keine Redaktion der Welt mir das abnehmen würde." Es ist ein wenig ärgerlich, dass das in einem Buch steht, in dem an vielen Stellen immer wieder die Klage laut wird, dass sich die Medien so wenig um die vorgeblichen Verstrickungen kümmerten. Was Maurer hier zusammenschreibt, ist eben nicht zu überprüfen. Also schreibt man einen Thriller und kein Sachbuch. Ob Maurer damit nicht aber erstens die echte Aufklärung offener Fragen erschwert und nicht zweitens bei vielen Lesern den Eindruck erweckt, er sei da einer Sache auf der Spur, die für die Presse zu heiß sei, damit also zu Misstrauen, verschwurbelter Weltsicht und unformulierbarer, also dummmachender Angst vor den staatlichen Institutionen beiträgt, ist eine Frage, der sich der Autor insofern stellen muss, als er es bewusst auf das Verschwimmen der Grenzen anlegt.
Neben der virtuellen Existenz Marc Burths gebraucht Martin Maurer die üblichen Kunstgriffe - Vorblende, Rückblende, jedes Kapitelende ein Cliffhanger, Szenenwechsel und so weiter. Weil er allerdings kein Künstler ist, was den Rhythmus angeht, weil er sich überhaupt bisweilen in Ortsbeschreibungen verrennt, vor allem aber, weil seine Bilder ihm immer wieder misslingen, ängstlich aufgerissene Augen also "zwei Löcher, hineingehackt in einen zugefrorenen See", werden, und die Figuren hölzern bleiben, muss man sagen, dass Maurers Roman nicht bloß inhaltlich fragwürdig, sondern bisweilen auch so geschrieben ist, dass man als Leser nicht gepackt, sondern fortgedrückt wird.
ALARD VON KITTLITZ
Martin Maurer: "Terror". Thriller.
Dumont Buchverlag, Köln 2011. 384 S., geb., 19,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Martin Maurer versucht sich in seinem Thriller "Terror" an einem Spiel mit Realität und Fiktion. Doch der Frage nach der Verantwortung des Autors beim Verwischen der Grenzen weicht er aus.
Marc Burth ist eine virtuelle Figur", heißt es auf der Internetseite des Schriftstellers Martin Maurer. Der Satz will heißen: Der Schriftsteller hat seine Romanfigur erfunden. Es ist aber auch so etwas wie eine Rechtserklärung, denn Marc Burth existiert als Figur nicht nur in einem Roman von Martin Maurer, sondern virtuell auch im Internet. Da hat er einen Twitter-Account und einen Blog, letzter Eintrag schlicht: "Angst". Der Eintrag stammt vom 3. Juni 2010. Danach nichts mehr. Im Roman heißt es: Marc Burth ist am 4. Juni 2010 verschwunden.
Es ist interessant, dass Martin Maurers Romanfigur durch diese fiktiven Internetpräsenzen für die Leser seines Romans tatsächlich einiges an Präsenz gewinnt. Das sagt doch etwas aus über unseren Umgang mit einem Medium, von dem wir uns täglich sagen, dass es unzuverlässig sei, das wir dennoch aber immer wieder konsultieren und als Quelle weitaus ernster nehmen, als wir das zugeben wollen.
Leider ist aber die Frage nach der realen und der virtuellen Existenz von Menschen und Umständen keine, mit der sich Martin Maurer in seinem Roman befasst. Sein Buch "Terror" nutzt die Verknüpfung der Formen Internet und gedrucktes Buch nicht, um über die Grenzen der Fiktion im Alltag nachzudenken. Die Mühsal, mit welcher der Twitter-Account, das Blog und das Buch miteinander in Korrespondenz gesetzt wurden - wie also das stets datierte Geschehen im Roman Hand in Hand geht mit dem, was im Internet von Marc Burth geschrieben wird; wie im Buch ständig auf das Blog hingewiesen wird, damit der Leser wirklich die URL eingibt; die Tatsache, dass die Romanfigur Marc Burth dem Autor Martin Maurer ständig im Buch abgedruckte E-Mails schickt und der Autor selbst im Nachwort behauptet, Marc Burth gebe es wirklich - all das dient leider am Ende nur dazu, eine ziemlich dünne Geschichte mit jenem paranoischen Drohpotential des "Es könnte wirklich so sein" aufzuladen, von dem ein Polit-Thriller lebt.
Inhaltlich hält das Buch, was der Titel verspricht. Es geht um Terror und die eigentlich spannende Frage, inwiefern der Staat von den Machenschaften terroristischer Organisationen weiß, bevor die ihre Verbrechen ausüben. Marc Burth, ein freundlicher Berliner Werbefilm-Kameramann, der in Prenzlauer Berg wohnt und dort eine typische Berlin-Existenz als freiberufelnder Trendmensch mit neuer Familie und neuer Verantwortung führt, reist mit Lebensgefährtin und Tochter nach Italien - nach Ligurien, im Januar 2010.
Im italienischen Dorf angekommen, macht der Kameramann die Bekanntschaft eines Nordafrikaners, der im Nachbarhaus eine verkommene Existenz führt. Der Nordafrikaner wird eines Abends von zwei Unbekannten verprügelt, Marc Burth verspricht, ihm zu helfen. Die Polizei darf er dabei nicht konsultieren, das verbittet sich der Nordafrikaner, und natürlich ahnt man spätestens jetzt, dass es um finstere staatliche Machenschaften geht.
Wie sich herausstellt, ist der Nordafrikaner nur eine Figur in einem Spiel zwischen den Geheimdiensten der Nato-Staaten, das schon seit den fünfziger Jahren gespielt wurde. Es geht um die sogenannten "Stay Behind"-Organisationen, die es wirklich gegeben hat, von amerikanischen Geheimdiensten rekrutierte Kampftruppen, die eigentlich als Guerrilla-Organisationen dienen sollten, falls der Westen irgendwann vom Osten überrollt werden sollte. Maurer strickt daraus eine Handlung, deren vorgebliche Verbindungen zum Reich der Fakten für kaum jemanden zu überprüfen sind. Mitglieder der paramilitärischen Organisationen wurden, so stellt sich über den Roman heraus, von staatlichen Strukturen für Terroraktionen rekrutiert, die das europäische Volk bei der westlichen Stange halten sollte.
Mag zu Teilen stimmen, mag völliger Schwachsinn sein oder die ganze, brutale Wahrheit. Maurer hilft einem nicht dabei, diesbezüglich zu einem Schluss zu kommen, wird am Ende aber immer gewagter. Nicht nur das tatsächlich ominöse Oktoberfestattentat vom September 1980, sondern auch die RAF, die Gewalt während der Anti-G-8-Proteste in Genua, ja sogar der islamistische Terror sind, zumindest teilweise, auf dem Mist von BND, MI6 und CIA gewachsen. Eine superfinstere Welt.
Ein Journalist, der mit Marc Burth zusammenarbeitet, sagt zu einem Ex-Agenten, der auspacken will: "Was Sie uns hier sagen, riecht so sehr nach Verschwörungstheorie, dass keine Redaktion der Welt mir das abnehmen würde." Es ist ein wenig ärgerlich, dass das in einem Buch steht, in dem an vielen Stellen immer wieder die Klage laut wird, dass sich die Medien so wenig um die vorgeblichen Verstrickungen kümmerten. Was Maurer hier zusammenschreibt, ist eben nicht zu überprüfen. Also schreibt man einen Thriller und kein Sachbuch. Ob Maurer damit nicht aber erstens die echte Aufklärung offener Fragen erschwert und nicht zweitens bei vielen Lesern den Eindruck erweckt, er sei da einer Sache auf der Spur, die für die Presse zu heiß sei, damit also zu Misstrauen, verschwurbelter Weltsicht und unformulierbarer, also dummmachender Angst vor den staatlichen Institutionen beiträgt, ist eine Frage, der sich der Autor insofern stellen muss, als er es bewusst auf das Verschwimmen der Grenzen anlegt.
Neben der virtuellen Existenz Marc Burths gebraucht Martin Maurer die üblichen Kunstgriffe - Vorblende, Rückblende, jedes Kapitelende ein Cliffhanger, Szenenwechsel und so weiter. Weil er allerdings kein Künstler ist, was den Rhythmus angeht, weil er sich überhaupt bisweilen in Ortsbeschreibungen verrennt, vor allem aber, weil seine Bilder ihm immer wieder misslingen, ängstlich aufgerissene Augen also "zwei Löcher, hineingehackt in einen zugefrorenen See", werden, und die Figuren hölzern bleiben, muss man sagen, dass Maurers Roman nicht bloß inhaltlich fragwürdig, sondern bisweilen auch so geschrieben ist, dass man als Leser nicht gepackt, sondern fortgedrückt wird.
ALARD VON KITTLITZ
Martin Maurer: "Terror". Thriller.
Dumont Buchverlag, Köln 2011. 384 S., geb., 19,95 [Euro].
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