Tess von den d'Urbervilles, Roman von Thomas Hardy. gilt heute als einer der wichtigsten englischen Romane des 19. Jahrhunderts und als Hardys Hauptwerk; es wird die Sexualmoral des spätviktorianischen Englands in Frage gestellte. Tess ist Kämpferin nicht nur für ihre Rechte, sondern auch für die Rechte anderer. Schauplatz ist das verarmte ländliche England, konkret der fiktive Ort Wessex. Das Dienstmädchen Tess Durbeyfield, ein sechzehnjähriges Mädchen vom Lande, ist das älteste Kind von John Durbeyfield, einem Feilscher, und seiner Frau Joan. Als der örtliche Pfarrer John mitteilt, dass "Durbeyfield" eine Verballhornung von "D'Urberville" ist und dass er von einer alten normannischen Familie abstammt, feiert John dies, indem er sich betrinkt. Tess fährt anstelle ihres Vaters zum Markt, schläft aber an den Zügeln ein; der Wagen verunglückt und das einzige Pferd der Familie wird getötet. Sie fühlt sich schuldig und willigt ein, Mrs. d'Urberville, eine reiche Witwe, zu besuchen, um ihre "Verwandtschaft" zu beanspruchen, ohne zu wissen, dass der verstorbene Ehemann der Witwe, Simon Stoke, den Nachnamen nur angenommen hatte, um sich von seinen Wurzeln als Kaufmann zu distanzieren. Alec d'Urberville, der Sohn, fühlt sich zu Tess hingezogen und verschafft ihr eine Stelle als Geflügelhüterin bei seiner Mutter. Tess widersteht Alecs manipulativen Annäherungsversuchen, aber ihre Jugend und Unerfahrenheit lassen sie die wahre Bedrohung ihrer Tugend nicht erkennen. Eines Nachts nimmt Alec sie unter dem Vorwand, sie vor einer Schlägerei zu retten, auf seinem Pferd mit zu einem abgelegenen Ort, wo er sie vergewaltigt. Keine Jungfrau mehr Im folgenden Sommer bringt Tess einen kränklichen Jungen zur Welt. Da sie keinen Pfarrer findet, der bereit ist, ein uneheliches Kind zu taufen, versucht Tess, dies selbst zu tun und tauft ihr sterbendes Kind Sorrow. Die Rallye Einige Jahre später findet Tess eine Anstellung als Milchmädchen in Talbothays Dairy, wo ihre Vergangenheit unbekannt ist. Sie verliebt sich in Angel Clare, einen jungen Landwirt, der Molkereimanagement studiert. Die Konsequenz "Er sprang von seinem Sitz auf ... und ging schnell auf das Verlangen seiner Augen zu." Angels Vater, ein Geistlicher, ist überrascht, dass sein Sohn eine Milchmagd heiraten will, erhebt aber keinen Einspruch, da er Tess für ein reines und frommes Mädchen vom Land hält. Tess hat das Gefühl, dass sie keine andere Wahl hat, als ihre Vergangenheit zu verheimlichen, und zögert, Angels Heiratsantrag anzunehmen, willigt aber schließlich ein. Später versucht sie mehrmals, Angel von ihrer Vergangenheit zu erzählen, aber er sagt, dass sie ihre Geheimnisse nach der Hochzeit austauschen können. Das Paar verbringt die Hochzeitsnacht in einem alten d'Urberville-Anwesen. Als Angel ihr gesteht, dass er einmal eine kurze Affäre mit einer älteren Frau hatte, erzählt Tess ihm schließlich von Alec und ist sich sicher, dass er es jetzt verstehen und verzeihen wird. Die Frau zahlt Angel ist entsetzt. Tess ist nicht die reine Jungfrau, für die er sie gehalten hat, und obwohl er einräumt, dass sie "mehr gesündigt" als gesündigt hat, ist er der Meinung, dass ihr "Mangel an Festigkeit" ein Charakterfehler ist. Das Paar trennt sich nach ein paar Tagen, Tess kehrt nach Hause zurück und Angel reist nach Brasilien, um dort Landwirtschaft zu betreiben. Tess' Familie hat das Geld, das Angel ihr gegeben hat, bald aufgebraucht, und sie ist gezwungen, auf der Farm von Flintcomb-Ash Feldarbeit zu leisten. Der Konvertit Alec d'Urberville verfolgt Tess weiter, obwohl sie bereits verheiratet ist. Als Tess von ihrer jüngeren Schwester 'Liza-Lu erfährt, dass ihre Eltern krank sind, eilt sie nach Hause. Ihre Mutter erholt sich, aber ihr Vater stirbt, und die mittellose Familie wird aus ihrem Haus vertrieben ...
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Dr. phil. Pauline Bengelmann zu Thomas Hardy's psychoanalytischem Gesellschafts- und Frauenroman "Tess von den D'Urbervilles" und dessen Theateradaptation. Auszug aus einem Essay für den Buchhandel. © Bengelmann Verlag, München. Abdruck im Buchhandel entsprechend den buchhändlerischen Usancen wird ausdrücklich gestattet. Mit feinfühliger klarer Sprache hat die Hamburger Übersetzerin Barbara Scholz, bekannt geworden durch ihre Übersetzung von Béroalde de Verville's burleskem Roman der französischen Spätrenaissance "LE MOYEN DE PARVENIR" aus dem älteren Französischem (erschienen in Paris 1610), Thomas Hardy's viktorianischen Gesellschafts- und Frauenroman "TESS OF THE D'URBERVILLES", erstmals erschienen 1891, übersetzt. Thomas Hardy' Roman darf ohne weiteres als Jahrhundertroman gelten, er wird im UK seit über 100 Jahren auch als Theaterstück auf der Bühne inszeniert, und er ist oftmals verfilmt worden, u.a. von Roman Polanski. Dieser Gesellschafts- und Frauenroman entpuppt sich bei näherer Betrachtung mit der Lupe des Psychoanalytikers zugleich als ein freudianisch-psychoanalytischer Roman. Das erstmalige Erscheinen dieses Romans im Jahr 1891 liegt zeitlich knapp vor den weltbewegenden Erkenntnissen Sigmund Freud's. Hardy's Roman hat Freud's Werk in einem auszugsweisen Destillat zitiert, bevor dieses erschienen war, und freudianisches Denken fast vorweggenommen. Dieser gesellschaftskritische, tiefenpsychologische Frauenroman wurde nun in der im Januar 2017 erschienenen, werkgetreuen Romandramatisierung als LESEDRAMA UND SCHAUSPIEL von der Anglistin Barbara Scholz, dem Germanisten Dr. phil. Hans Adobe und dem Germanisten Dr. phil. Helmut Walter Rathgeber erneut destilliert, konzentriert, verdichtet und der Bühne anverwandelt. Die Hauptpersonen im Roman und im LESEDRAMA bzw. im SCHAUSPIEL sind gleichsam Patienten in der psychoanalytischen Praxis von Professor Sigmund Freud in der Wiener Berggasse 19. Aber auch einige Nebenpersonen hätten die Praxis in der Berggasse aufsuchen können: Der trunksüchtige Vater von Tess, das oral fixierte, übergewichtige und später trunksüchtige Milchmädchen Marian, und die zappelige Milchmagd Retty mit ihrem nervösen Charakter, die an Angst- und Panikattacken leidet. Retty versucht, sich nach der Verheiratung von Tess' zu ertränken. Die Mutter von Tess, eine einfältige Frohnatur, und die kecke Milchmagd Izz Huett - beinahe wäre sie mit dem frisch gebackenen Ehemann ihrer Freundin TESS nach Südamerika ausgewandert - mit ihrer scharfen Zunge, erscheinen als einzige realitätstüchtige Personen, die das Beste aus den vorgefundenen Lebensbedingungen herausholen wollen. Tess' Mutter brezelt ihre hübsche Tochter auf und schickt sie zur Verheiratung in die Fremde, zum Anwesen der D'Urbervilles. Der Roman von Thomas Hardy erinnert deshalb an die mittelhochdeutsche Versnovelle "Meier Helmbrecht" von Wernher dem Gärtner. In dieser wird die Hauptfigur, der junge gutaussehende Helmbrecht, Sohn des Gutsverwalters Meier Helmbrecht, mit einer bestickten Mütze, die adelige Herkunft vermuten läßt, ausgestattet, ebenfalls von seiner Mutter mit feinen Kleidern ausgestattet und in die Fremde geschickt, um ein vornehmer Ritter zu werden. Er mordet und plündert, und alles endet schlimm. Nicht anders verläuft es bei Tess, der Tochter eines trunksüchtigen Bauern mit adeligen Vorfahren. Zu den Hauptpersonen im ROMAN und im LESEDRAMA / THEATERSTÜCK: Thomas Hardy's Objekt unbarmherziger Psychoanalyse ist die nach einer starren calvinistischen Verzichtideologie lebende Pfarrersfamilie Clare in ihrem zwanghaft-religiösen Wahn, und als Abtrünniger dieser frömmlerischen Familie der zwangsneurotische, von seinem ihn beherrschenden starren Über-Ich auf Verzicht und Enthaltsamkeit programmierte Pfarrerssohn Angel Clare, der in der Hochzeitsnacht seine frustrane Theorie der Vergeblichkeit in praxi auslebt, indem er auf den ihm per Ehevertrag zustehenden Sex mit seiner überaus schönen und reizvollen Ehefrau verzichtet, weil diese entgegen seiner ursprünglichen stillschweigenden Erwartung ihres Hymens früher schon verlustig geworden war, und weil nach seiner moralischen Auffassung , wenn "das Fehlende auch noch so klein sein mag, dieses doch bedeutungsvoll sein kann", wie er selbst mitteilt. Der Gegenspieler des zwanghaften Angel Clare ist der hysterische Renaissancemensch Alec D'Urberville, dessen Lebenspraxis in der Tradition von Menippos von Gadara (3. vorchristliches Jahrhundert) und Lukian von Samosata (ca. 120 - 180 n.Chr.) steht und letzten Endes die "schamlose Freiheit der Rede und des Denkens" im Sinne des Literaturwissenschaftlers Prof. Dr. Werner von Koppenfels ("Der andere Blick. Das Vermächtnis des Menippos in der europäischen Literatur", Verlag C.H. Beck 2007, S. 230 ff) zum Thema hat. Alec steht für die Abtei von Thelema, für die Abtei des freien Willens. Alec wird nicht allein vom lustbetonten und am Ziel der baldmöglichen Triebbefriedigung orientierten "Es" im Sinne Sigmund Freuds beherrscht, sondern auch von seinem starken "Ich" mit moralischen Über-Ich-Anteilen. Anfänglich und dann auch gegen Ende seines abrupt beendeten Lebens, nur in der Mitte unterbrochen von einem Anfall religiösen Wahns, welcher wohl als Reaktionsbildung auf die Trennung von seiner Geliebten zu verstehen ist, will der freigebige und sinnenfreudige Lebemann Alec D'Urberville ganz im Sinne der Philosophie der Renaissance, wie sie etwa in LEONE EBREO's richtungsweisendem Werk DIALOGHI DI AMORE bei dem Protagonisten Philone zum Ausdruck kommt, das Leben in vollen Zügen genießen und auf nichts verzichten, schon gar nicht auf die körperliche Liebe. Trotzdem ist Alec D'Urberville kein rücksichtsloser Egoist, sondern ein Moralist, der noch nach Jahren, als er von der vormaligen Schwangerschaft seiner früheren Geliebten Kunde bekommt, seine moralische und materielle Schuld bei Tess und der Familie Durbeyfield begleichen will. Der erneut in "seine" Tess verliebte Freigeist sieht auch in der Tatsache, daß Tess mit einem anderen Mann verheiratet ist, kein Hindernis für die freie Liebe. Alec D'Urberville ist jedoch kein Eifersüchtling, der nur Besitz ergreifen will, und für den Dinge und Menschen ganz im Sinne des schnöd-kapitalistischen "endowment-Effektes" Richard THALER's nur etwas wert sind, wenn man sie besitzt. Seine wirkliche geistig-seelische Liebe beweist er, als er erfährt, daß seine geliebte Tess bereits mit einem anderen Mann verheiratet ist, indem er erklärt, daß er Tess und ihren Mann, "wer immer dieser auch sei", materiell unterstützen wolle. Für diese Großherzigkeit, die in der Engstirnigkeit viktorianischer Moral keinen Platz hat, muß Alec D'Urberville in der Endkonsequenz mit seinem Leben bezahlen. Tess, die Hauptperson im Roman und im Lesedrama / Theaterstück, ist eine suizidal veranlagte, psychotisch anmutende, schwermütige junge Frau mit Depressionen, Angst- und Panikattacken. Heutzutage würde sie viele Tabletten futtern müssen, Psychopharmaka, Antidepressiva und Tranquilizer. Tess ist jähzornig und unberechenbar, verletzt ihren friedfertigen Gönner und Liebhaber Alec dreimal, nämlich, indem sie einmal seinen Arm schmerzhaft in einem Fenster einklemmt, dann ein zweites Mal, wenn sie ihm einen derben Lederhandschuh so heftig ins Gesicht schlägt, daß das Blut tropft. Und ein drittes Mal, als sie ihm nach der überraschenden Rückkehr Angels ein Tranchiermesser ins Herz stößt. Indem sie diesen Mord in dem Bewußtsein verübt hat, daß sie den Tod am Strick des Henkers finden wird, kann ihre Tat als "erweiterter Selbstmord" aufgefaßt werden. "Wer sich selbst umbringen kann, kann auch andere umbringen", so lautet die psychiatrische Erkenntnis hierzu. Wie z.B. ein psychisch kranker Pilot, der sein Passagierflugzeug an die Bergwand steuert, weil er nicht alleine sterben will, sondern noch andere in den Tod mitnehmen will. Und so ist am Ende von Roman und Lesedrama / Theaterstück die unglückliche Tess auch ganz zufrieden damit, wie es gekommen ist. "Es ist gekommen, wie es kommen mußte! Angel ich bin fast froh, ja froh", sagt Tess am Ende.