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Margaret Thatcher als Parteiführerin / Von Gottfried Niedhart
An Margaret Thatcher scheiden sich die Geister." Mit dieser lapidaren Feststellung läßt der Autor seine Analyse der konservativen Politik in Großbritannien während der zweiten Hälfte der siebziger Jahre beginnen. In der Tat polarisierte Thatcher wie sonst niemand im Amt des britischen Premierministers. Auch nach ihrem Sturz 1990 spielte sie diese Rolle in diversen rhetorischen Attacken, publizistischen Beiträgen und jüngst in einem umfangreichen Buch (F.A.Z. vom 24. Juli), das noch einmal die Kernelemente dessen zusammenfaßt, was als "Thatcherismus" bekannt geworden ist. Dieser von der politischen Linken geprägte Kampfbegriff umschrieb die radikale Richtungsentscheidung der seit 1979 regierenden Konservativen, mit der die Labour Party für längere Zeit aus No. 10 Downing Street vertrieben wurde - ehe New Labour schließlich unter der Führung von Tony Blair 1997 die Regierungsverantwortung zurückeroberte.
Die politische Botschaft der "eisernen Lady" war eindeutig und radikal. An die Stelle der bisherigen keynesianischen Wirtschaftspolitik sollte eine Marktwirtschaft treten: Die Rolle des Staates bestand einzig darin, die Lehren des Monetarismus umzusetzen und über eine antiinflationäre Geldpolitik, die Senkung der Staatsausgaben und der Steuern den Kräften des Marktes zum Durchbruch zu verhelfen. Gesellschaft - von gesellschaftlicher Solidarität ganz zu schweigen - wurde erklärtermaßen ein fiktiver Begriff. Das leistungsstarke Individuum mußte aus seinen Fesseln, insbesondere aus denen des Sozialstaats, befreit werden. Vollbeschäftigung hörte auf, ein Ziel der Politik zu sein. Kollektivismus jeglicher Art erschien von Übel. Der Freisetzung des Individuums im Innern entsprach die Orientierung der Außenpolitik am autonom verstandenen nationalen Interesse. Diese Prioritätensetzung markierte 1979 nicht nur die Trennungslinie gegenüber der Labour Party, sondern auch zwischen dem Thatcher-Flügel und den Verfechtern der traditionellen Konsenspolitik in der Konservativen Partei. Thatchers Vorgänger Edward Heath hatte noch eine mittlere Linie verfolgen wollen, wie sie parteiübergreifend für die britische Nachkriegsgeschichte mit der Suche nach einer Balance zwischen liberaler Ordnung und sozialer Verpflichtung kennzeichnend gewesen war. Allerdings gelang es damit niemals, den Zustand der "englischen Krankheit" zu überwinden, die sich durch geringes Wirtschaftswachstum und dramatisch nachlassende internationale Konkurrenzfähigkeit auszeichnete.
In den siebziger Jahren steigerte sich das Krankheitsbild vor dem Hintergrund ausgedehnter Streikwellen zur inneren Krise, über die Dominik Geppert mit sicherem Zugriff informiert. Den Thatcherismus versteht er als situationsbedingte "radikale Krisenbewältigungsstrategie". Sein Buch verdient Aufmerksamkeit, weil es den innerparteilichen Entscheidungsprozeß beschreibt, der Thatcher 1975 reichlich überraschend an die Spitze der Partei brachte. Sie bestimmte nicht nur den Kurs der Tories, sondern wurde auch wiederholt in Unterhauswahlen bestätigt. Als sie 1979 an die Spitze der Regierung gelangte, verfügte sie keineswegs über klare Vorstellungen, wie ihr Reformprogramm im einzelnen in die Tat umgesetzt werden sollte. Aber sie suggerierte der Nation den unbedingten Willen zur Erneuerung. Margaret Thatcher verfügte weniger über eine geschlossene Theorie, sondern verließ sich auf eine "wirkungsvolle Praxis", in der keine Auseinandersetzung gescheut und Konfrontation geradezu gesucht wurde. "Das Zeitalter des Konsenses in Großbritannien war vorüber. Ein Jahrzehnt des Konflikts hatte begonnen." Was Thatcher an der Konservativen Partei nicht gefiel, war ihr Name, der geradezu irreführend sei. Denn Margaret Thatcher ging es nicht um Bewahrung. Sie wollte eine "Partei der Innovation", der "Freiheit", des "Aufbruchs zu neuen Ufern", des "erneuerten nationalen Stolzes und eines neuen Verständnisses von politischer Führung".
Dominik Geppert: "Thatchers konservative Revolution". Der Richtungswandel der britischen Tories 1975-1979. R. Oldenbourg Verlag, München 2002. 463 Seiten, 49,80 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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