Der moderne westliche Mensch ist mittlerweile so verdummt und verroht, dass er eine regelrechte Unfähigkeit zu Leid und Trauer entwickelt hat und alles bekämpft, das ihn daran erinnert. Und falls es nicht anders geht, setzt ein Prozess der Ästhetisierung ein – man blendet zerfetzte Leichen in den Nachrichten aus, und wenn man zur Trauerfeier gehen muss, dann ist die Leiche schön hergerichtet und sieht nicht schrecklich aus. Leiden und Tod werden weggeschoben und gleichsam aus dem Lebensumfeld verbannt. Man schützt sich, so gut man kann mit dem Ergebnis, dass Spiele auf dem Markt sind, bei denen man munter tötet, ohne dass man sich darüber Gedanken macht. Ich gedenke hier nicht in die Tiefe zu gehen, der geneigte Leser wird sicher verstehen, was ich meine: wir westlichen Menschen sind so weit gekommen, dass wir von Kriegen und Morden hören und nebenbei Abendbrot essen und uns ungerührt unterhalten. Man lese nur einmal das Buch von Margarete Mitscherlich hierzu mit dem Titel: Die Unfähigkeit zu trauern. Aber selbst bei Vermeidung einer tieferen Betrachtung zum eben Gesagten wird der aufmerksame Mensch das immense Ausmaß an Lieblosigkeit, Zorn (Peter Sloterdijk hat ein ganzes Buch dazu geschrieben), Ausbeutung, Bevormundung, Aggression und Krieg in dieser Welt entdecken und die Unfähigkeit von Politikern und dahinterstehenden Lobbyisten, daran signifikant etwas zu ändern. Der Konflikt zwischen Israel und Palästina ist letztlich ein Symptom dafür, was mit von Hass und Vorurteilen zerfressenen Menschen geschieht, die zwar vornehmlich Religionsanhänger sind, aber nicht begreifen, dass auf dem Grund der Religionsausübung etwas steht, das unsere Herzen und unsere Liebe fordert, weil es selbst als Liebe geschieht: der lebendige Gott. Im nahen Osten, genauso wie in der Ukraine oder im Irak oder Syrien, wird sich nichts ändern, solange Menschen einfach Anhänger einer Religion sind, sondern ihren tiefen Grund wahrnehmen und dessen ebenfalls tiefe Verbindung zu Seelen und Geistern der Menschen. Indem der Mensch Gott erkennt und erfährt, erblickt er auch in seinen Geist und seine Seele und erfährt Zusammenhänge, die ihm früher nie in den Sinn gekommen wären. Genau darüber reflektiert in eindrücklicher Weise der Text von „The Frayed Angels of Gaza“. Wenn ich gleich den englischen Originaltext samt Video und danach eine deutsche Übertragung veröffentliche, wird der Leser die Tiefe der Gedanken spüren und in den Engelreferenzen kaum eine Flucht vor schwachen und begrenztem Manschsein finden können. Vielmehr dient der Engelvergleich hier als tiefe Stütze zur Erinnerung, was ein leidender und am Boden zerstörter Mensch in Wirklichkeit ist: ein in Gott Verankerter, der es sogar am Ende wagt, freiwillig auf seine Flügel zu verzichten, weil er in der Liebe bleibt...