Mit einem Vorwort von Oprah Winfrey Mit dem Gedicht »The Hill We Climb - Den Hügel hinauf«, das Amanda Gorman am 20. Januar 2021 bei der Inauguration des 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, Joe Biden, vortrug, schenkte eine junge Lyrikerin den Menschen auf der ganzen Welt eine einzigartige Botschaft der Hoffnung und Zuversicht. Am 20. Januar 2021 wurde die erst zweiundzwanzigjährige Amanda Gorman zur sechsten und jüngsten Dichterin, die bei der Vereidigung eines US-amerikanischen Präsidenten ein Gedicht vortrug. »The Hill We Climb - Den Hügel hinauf« ist jetzt in der autorisierten zweisprachigen Fassung als kommentierte Sonderausgabe erhältlich.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Paul Jandl lehnt diese Übersetzung deutlich ab und meint: Man hätte es gleich lassen sollen. Denn so ein Moment, aus dem das Gedicht seine Kraft bezog, sei unübersetzbar. Auch hat man nicht ein Gedicht, sondern ein Amerika übersetzen müssen, dessen Usancen politischer Öffentlichkeit auf ganz andere Weise Vergangenheiten aufrufen und beschwören. Die junge schwarze Lyrikerin sollte "Veränderung nicht nur verkörpern, sondern auch verkünden", das sei ihr gut gelungen. Der Übersetzung aber merke man, wie der Kritiker findet, davon absolut nichts mehr an.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2021An ihren Versen soll ein ganzes Land gesunden
Walt Whitman, Oprah Winfrey und Prada stehen fest an Amanda Gormans Seite: Heute erscheint ihr erstes Buch auf Deutsch
Kann ein Gedicht die Welt verändern? Vermutlich nicht. Aber es kann ein Leben verändern. Vierzig Millionen Amerikaner haben Amanda Gormans Auftritt bei der Feier zur Amtseinführung von Joe Biden am 20. Januar gesehen. Sie selbst blickte in ungezählte Kameras und ein Meer von 191 500 amerikanischen Flaggen, die auf dem Capitol Hill das amerikanische Volk repräsentieren sollten. Als sie drei Wochen später in der Pause des Super Bowl ein weiteres Gedicht vortrug, saßen 800 Millionen Menschen vor den Fernsehern.
All dies geschah nur sechs Jahre nachdem ihr erster und bislang einziger Gedichtband angekündigt wurde: "The One For Whom Food Is Not Enough" wurde häufig erwähnt, aber allem Anschein nach nie rezensiert. Über den Inhalt ist im Grunde nichts bekannt. Dennoch gilt Amanda Gormans lyrisches Werk als Grundlage ihres märchenhaften Aufstiegs zum Medienstar. In ihren beiden soeben erschienenen Biographien wird auf "ihre Werke" verwiesen, sie selbst spricht auf ihrer Homepage von "meinen Worten". 2017 trat Amanda Gorman in der Library of Congress auf. Keine Bibliothek der Welt verfügt über mehr Bücher als diese Institution. Amanda Gormans Debütband ist nicht darunter.
Heute erscheint das erste Buch Amanda Gormans in deutscher Sprache. Als es unmittelbar nach Bidens Amtseinführung angekündigt wurde, durfte man spekulieren, was es enthalten würde. Bei einem Umfang von etwa sechzig Seiten durfte man auf etwa zwei Dutzend Gedichte hoffen. Tatsächlich enthält Amanda Gormans erstes Buch auf Deutsch nur ein einziges, seit der Amtseinführung weltbekanntes Gedicht. "The Hill We Climb" wird zweisprachig abgedruckt, ergänzt um einige Fußnoten eines dreiköpfigen Übersetzerinnenteams sowie eine Einführung von Oprah Winfrey, die exakt zwölf salbungsvolle Sätze umfasst. Macht 64 Seiten zum Preis von zehn Euro. Die Startauflage von "Den Hügel hinauf" beträgt 50 000 Exemplare, die dritte Auflage wird gerade gedruckt. Kaffeetassen und T-Shirts mit Gormans Konterfei waren schon vorher erhältlich. Die Marketingmaschine war angeworfen, und es sieht zurzeit nicht so aus, als sollte sie jemals wieder zum Stillstand kommen.
Amerika, schrieb der Politologe Sacvan Bercovitch, sei wohl die einzige Nation, deren Identität vor allem auf ihrer Rhetorik beruht. Das Land und seine Bewohner haben eine große Tradition darin, den Geschichten, die sie sich über sich selbst erzählen, Glauben zu schenken. Krisen der amerikanischen Gesellschaft gehen häufig mit einer Krise der amerikanischen Rhetorik einher. Bercovitch hat zu einem Phänomen geforscht, das der Soziologe Robert N. Bellah als Amerikas "Civil Religion" bezeichnet hat. Es geht dabei um jene Elemente der säkularen amerikanischen Gesellschaft, die aus einem religiösen Bereich stammen oder eine religiöse Funktion erfüllen. Anders gesagt: Es geht um jene Erzählungen, Traditionen, Ideale und im kollektiven Bewusstsein verankerten rhetorischen Figuren, die Identität stiften, Akzeptanz schaffen, eine Gemeinschaft konstituieren und stabilisieren. Amerika hat kein religiöses Oberhaupt. Aber es hat einen Präsidenten. Die Rhetorik der Zivilreligion zählt zu den Disziplinen, in denen er sich beweisen muss.
Amanda Gorman dürfte mit den Arbeiten von Bellah und Bercovitch vertraut sein - sie hat in Harvard Soziologie studiert. Als sie fünf Jahre alt war, begann sie sich "in schriftlicher Form auszudrücken", zunächst wollte sie Songwriter werden, dann wandte sie sich dem Tanz zu. Wie Biden hat sie als Kind gestottert, und wie er hat sie eisern trainiert, um ihre Beeinträchtigung zu überwinden. Im Juni 2014 wurde sie in der Public Library der Stadt zur ersten "Los Angeles Youth Poet Laureate" ernannt. Die Auszeichnung galt nicht nur ihren Gedichten, sondern wurde ausdrücklich auch für soziales Engagement und Aktivismus vergeben. Dass Lyrik sehr wohl etwas mit Politik zu tun haben kann, hat Amanda Gorman früh erfahren. Mit der Auszeichnung verbunden war ein Buchvertrag mit dem Verlag Penmanship Books, in dem ihr erster Lyrikband erscheinen sollte. Heute informiert der Verlag auf seiner Website darüber, dass keines seiner Bücher lieferbar sei. Als der Wettbewerb zum "Youth Poet Laureate" erstmals landesweit ausgetragen wurde, war Amanda Gorman unter den Finalisten, die ins Weiße Haus eingeladen wurden. Einige Monate später stand sie als erster "National Youth Poet Laureate" fest. Bei der Amtseinführung von Tracy K. Smith als "Poet Laureate" 2017 trug Amanda Gorman ein eigenes Gedicht vor: "In This Place (An American Lyric)".
Auch dieses Gedicht beschwört in der Tradition eines Walt Whitman amerikanische Landschaften, nennt Städtenamen von Küste zu Küste und beschwört die Einheit des Landes: "our country / our America, / our American lyric to write / a poem by the people, the poor". Dann folgt eine Aufzählung, die von Protestanten, Muslimen und Juden über Schwarze, Braune, Blinde und Mutige bis zu Männern, Frauen, Nichtbinären und Trans-Personen reicht. Der Gestus ist einigend, umarmend und heroisch: "Tyrants fear the poet".
Amanda Gorman weiß, in welche Tradition sie sich stellt, wenn sie auf dem Hügel des Kapitols von einem Hügel spricht, den es zu erklimmen gelte. "Den Hügel hinauf" ist Appell und Ankündigung. "Die Stadt auf dem Hügel" ist seit der berühmten Predigt, die der Pilgervater John Winthrop 1630 hielt, wohl das wichtigste Element der amerikanischen Zivilreligion. Die Stadt auf dem Hügel ist das Symbol des idealen Gemeinwesens, weithin sichtbar, von Gott auserwählt und gesegnet, der Welt ein Vorbild. Eine dieser Beschreibungen der Stadt auf dem Hügel lautet wie folgt: "Eine hoch aufragende stolze Stadt, die auf Felsen stärker als Ozeane gebaut, von Winden umtost, von Gott gesegnet war und von Menschen aller Art bewohnt, die in Eintracht und Frieden lebten ... und falls diese Stadt Mauern benötigte, hatten diese Mauern Tore, und diese Tore standen jedermann offen, der den Willen und die Kraft hatte, dorthin zu gelangen." Die Beschwörung dieser Idealstadt wird eng verknüpft mit der geglückten "Wiederherstellung unserer Moral: Amerika wird in der Welt wieder respektiert und bekommt eine Führungsrolle zugewiesen." So weit Ronald Reagan in seiner Abschiedsrede als Präsident 1989. Nach ihm haben sich so unterschiedliche Politiker wie Barack Obama, Ted Cruz oder Mike Pompeo auf Winthrop bezogen. Als Mitt Romney 2016 Trump die Eignung zum Präsidenten absprach, sagte er voraus, mit Trump würde Amerika "aufhören, die Stadt auf dem Hügel zu sein".
Zu den wichtigsten Aufgaben amerikanischer Präsidenten gehört es, den Glauben des Landes an sich selbst zu erhalten. Deshalb versprechen Präsidenten nie etwas Neues, sondern immer nur Erneuerung und die Rückkehr zu früherer Stärke und Moral. Amanda Gorman, die 2036 Präsidentin werden will, hat damit schon jetzt angefangen. Sie beruft sich auf Walt Whitman und Martin Luther King, Elizabeth Bishop und Maya Angelou, unterstützt wird sie von Michelle Obama und Jill Biden, Oprah Winfrey und Prada. Sie mischt Slam-Poetry und Predigt, Whitmans Pathos und die oft stark rhythmisierte Mündlichkeit schwarzer Kultur. Ihre Verse drängen mehr auf die Bühne als zwischen zwei Buchdeckel. Wenn ein amerikanischer Präsident Dichter wäre, würde er Verse schreiben wie Amanda Gorman. Und wenn eine amerikanische Dichterin Präsidentin wäre, täte sie dasselbe.
HUBERT SPIEGEL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Walt Whitman, Oprah Winfrey und Prada stehen fest an Amanda Gormans Seite: Heute erscheint ihr erstes Buch auf Deutsch
Kann ein Gedicht die Welt verändern? Vermutlich nicht. Aber es kann ein Leben verändern. Vierzig Millionen Amerikaner haben Amanda Gormans Auftritt bei der Feier zur Amtseinführung von Joe Biden am 20. Januar gesehen. Sie selbst blickte in ungezählte Kameras und ein Meer von 191 500 amerikanischen Flaggen, die auf dem Capitol Hill das amerikanische Volk repräsentieren sollten. Als sie drei Wochen später in der Pause des Super Bowl ein weiteres Gedicht vortrug, saßen 800 Millionen Menschen vor den Fernsehern.
All dies geschah nur sechs Jahre nachdem ihr erster und bislang einziger Gedichtband angekündigt wurde: "The One For Whom Food Is Not Enough" wurde häufig erwähnt, aber allem Anschein nach nie rezensiert. Über den Inhalt ist im Grunde nichts bekannt. Dennoch gilt Amanda Gormans lyrisches Werk als Grundlage ihres märchenhaften Aufstiegs zum Medienstar. In ihren beiden soeben erschienenen Biographien wird auf "ihre Werke" verwiesen, sie selbst spricht auf ihrer Homepage von "meinen Worten". 2017 trat Amanda Gorman in der Library of Congress auf. Keine Bibliothek der Welt verfügt über mehr Bücher als diese Institution. Amanda Gormans Debütband ist nicht darunter.
Heute erscheint das erste Buch Amanda Gormans in deutscher Sprache. Als es unmittelbar nach Bidens Amtseinführung angekündigt wurde, durfte man spekulieren, was es enthalten würde. Bei einem Umfang von etwa sechzig Seiten durfte man auf etwa zwei Dutzend Gedichte hoffen. Tatsächlich enthält Amanda Gormans erstes Buch auf Deutsch nur ein einziges, seit der Amtseinführung weltbekanntes Gedicht. "The Hill We Climb" wird zweisprachig abgedruckt, ergänzt um einige Fußnoten eines dreiköpfigen Übersetzerinnenteams sowie eine Einführung von Oprah Winfrey, die exakt zwölf salbungsvolle Sätze umfasst. Macht 64 Seiten zum Preis von zehn Euro. Die Startauflage von "Den Hügel hinauf" beträgt 50 000 Exemplare, die dritte Auflage wird gerade gedruckt. Kaffeetassen und T-Shirts mit Gormans Konterfei waren schon vorher erhältlich. Die Marketingmaschine war angeworfen, und es sieht zurzeit nicht so aus, als sollte sie jemals wieder zum Stillstand kommen.
Amerika, schrieb der Politologe Sacvan Bercovitch, sei wohl die einzige Nation, deren Identität vor allem auf ihrer Rhetorik beruht. Das Land und seine Bewohner haben eine große Tradition darin, den Geschichten, die sie sich über sich selbst erzählen, Glauben zu schenken. Krisen der amerikanischen Gesellschaft gehen häufig mit einer Krise der amerikanischen Rhetorik einher. Bercovitch hat zu einem Phänomen geforscht, das der Soziologe Robert N. Bellah als Amerikas "Civil Religion" bezeichnet hat. Es geht dabei um jene Elemente der säkularen amerikanischen Gesellschaft, die aus einem religiösen Bereich stammen oder eine religiöse Funktion erfüllen. Anders gesagt: Es geht um jene Erzählungen, Traditionen, Ideale und im kollektiven Bewusstsein verankerten rhetorischen Figuren, die Identität stiften, Akzeptanz schaffen, eine Gemeinschaft konstituieren und stabilisieren. Amerika hat kein religiöses Oberhaupt. Aber es hat einen Präsidenten. Die Rhetorik der Zivilreligion zählt zu den Disziplinen, in denen er sich beweisen muss.
Amanda Gorman dürfte mit den Arbeiten von Bellah und Bercovitch vertraut sein - sie hat in Harvard Soziologie studiert. Als sie fünf Jahre alt war, begann sie sich "in schriftlicher Form auszudrücken", zunächst wollte sie Songwriter werden, dann wandte sie sich dem Tanz zu. Wie Biden hat sie als Kind gestottert, und wie er hat sie eisern trainiert, um ihre Beeinträchtigung zu überwinden. Im Juni 2014 wurde sie in der Public Library der Stadt zur ersten "Los Angeles Youth Poet Laureate" ernannt. Die Auszeichnung galt nicht nur ihren Gedichten, sondern wurde ausdrücklich auch für soziales Engagement und Aktivismus vergeben. Dass Lyrik sehr wohl etwas mit Politik zu tun haben kann, hat Amanda Gorman früh erfahren. Mit der Auszeichnung verbunden war ein Buchvertrag mit dem Verlag Penmanship Books, in dem ihr erster Lyrikband erscheinen sollte. Heute informiert der Verlag auf seiner Website darüber, dass keines seiner Bücher lieferbar sei. Als der Wettbewerb zum "Youth Poet Laureate" erstmals landesweit ausgetragen wurde, war Amanda Gorman unter den Finalisten, die ins Weiße Haus eingeladen wurden. Einige Monate später stand sie als erster "National Youth Poet Laureate" fest. Bei der Amtseinführung von Tracy K. Smith als "Poet Laureate" 2017 trug Amanda Gorman ein eigenes Gedicht vor: "In This Place (An American Lyric)".
Auch dieses Gedicht beschwört in der Tradition eines Walt Whitman amerikanische Landschaften, nennt Städtenamen von Küste zu Küste und beschwört die Einheit des Landes: "our country / our America, / our American lyric to write / a poem by the people, the poor". Dann folgt eine Aufzählung, die von Protestanten, Muslimen und Juden über Schwarze, Braune, Blinde und Mutige bis zu Männern, Frauen, Nichtbinären und Trans-Personen reicht. Der Gestus ist einigend, umarmend und heroisch: "Tyrants fear the poet".
Amanda Gorman weiß, in welche Tradition sie sich stellt, wenn sie auf dem Hügel des Kapitols von einem Hügel spricht, den es zu erklimmen gelte. "Den Hügel hinauf" ist Appell und Ankündigung. "Die Stadt auf dem Hügel" ist seit der berühmten Predigt, die der Pilgervater John Winthrop 1630 hielt, wohl das wichtigste Element der amerikanischen Zivilreligion. Die Stadt auf dem Hügel ist das Symbol des idealen Gemeinwesens, weithin sichtbar, von Gott auserwählt und gesegnet, der Welt ein Vorbild. Eine dieser Beschreibungen der Stadt auf dem Hügel lautet wie folgt: "Eine hoch aufragende stolze Stadt, die auf Felsen stärker als Ozeane gebaut, von Winden umtost, von Gott gesegnet war und von Menschen aller Art bewohnt, die in Eintracht und Frieden lebten ... und falls diese Stadt Mauern benötigte, hatten diese Mauern Tore, und diese Tore standen jedermann offen, der den Willen und die Kraft hatte, dorthin zu gelangen." Die Beschwörung dieser Idealstadt wird eng verknüpft mit der geglückten "Wiederherstellung unserer Moral: Amerika wird in der Welt wieder respektiert und bekommt eine Führungsrolle zugewiesen." So weit Ronald Reagan in seiner Abschiedsrede als Präsident 1989. Nach ihm haben sich so unterschiedliche Politiker wie Barack Obama, Ted Cruz oder Mike Pompeo auf Winthrop bezogen. Als Mitt Romney 2016 Trump die Eignung zum Präsidenten absprach, sagte er voraus, mit Trump würde Amerika "aufhören, die Stadt auf dem Hügel zu sein".
Zu den wichtigsten Aufgaben amerikanischer Präsidenten gehört es, den Glauben des Landes an sich selbst zu erhalten. Deshalb versprechen Präsidenten nie etwas Neues, sondern immer nur Erneuerung und die Rückkehr zu früherer Stärke und Moral. Amanda Gorman, die 2036 Präsidentin werden will, hat damit schon jetzt angefangen. Sie beruft sich auf Walt Whitman und Martin Luther King, Elizabeth Bishop und Maya Angelou, unterstützt wird sie von Michelle Obama und Jill Biden, Oprah Winfrey und Prada. Sie mischt Slam-Poetry und Predigt, Whitmans Pathos und die oft stark rhythmisierte Mündlichkeit schwarzer Kultur. Ihre Verse drängen mehr auf die Bühne als zwischen zwei Buchdeckel. Wenn ein amerikanischer Präsident Dichter wäre, würde er Verse schreiben wie Amanda Gorman. Und wenn eine amerikanische Dichterin Präsidentin wäre, täte sie dasselbe.
HUBERT SPIEGEL
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.04.2021Ein Stein der Hoffnung
Amanda Gormans Gedicht „The Hill We climb“ gehört in die Tradition der afroamerikanischen „oral poetry“. Gedruckt geht das fast verloren
Die Veröffentlichung der zweisprachigen Ausgabe von Amanda Gormans Gedicht „The Hill We Climb“, das sie für die Amtseinführung von Joe Biden und Kamala Harris geschrieben und dort vorgetragen hatte, wäre eine gute Gelegenheit, die Dichterin gegen ihr Buch zu verteidigen. Hat sie natürlich nicht nötig. Amanda Gorman war schon wer, bevor sie vor dem Kapitol ihren historischen Auftritt hatte. Und der machte sie zu einer nationalen Ikone.
Sie ist jetzt mit den Obamas befreundet, Oprah Winfrey schrieb ihr das Vorwort zur Veröffentlichung, sie durfte rockstarmäßig in der Pause des Superbowl rezitieren, hat einen Model- und einen wohldotierten Buchvertrag, könnte alleine von ihren Auftritten gut leben. Vor allem aber hat sie nun eine Stimme, der man zuhört. Was ihr vermutlich wichtiger ist als der Glanz und Glamour und die stattlichen Honorare.
Vor zweieinhalb Jahren hat sie das einmal vor einer Runde New Yorker High-School-Schüler erklärt. Lyrik, so führte sie aus, sei keine tote Kunstform alter weißer Männer, wie sie im Lehrplan stehe. Wobei diese Formel damals nicht so verächtlich anklägerisch klang wie heute im Mahlstrom der Ideologiedebatten.
Es ging ihr vor allem darum, den Teenagern Dichtung näherzubringen. Lyrik sei Politik, fuhr sie fort. Und dann wurde sie doch kurz sehr verächtlich und anklägerisch, als sie davon erzählte, wie die Literaturredakteure ihr bei Aufträgen oft einbläuten, ja nichts Politisches zu schreiben in ihren Gedichten.
Sie habe da ein Mantra, das sie sich auch vor jedem Auftritt vorsage, weil sie eine Heidenangst vor öffentlichem Reden habe: „Ich bin die Tochter von schwarzen Schriftstellern, die von Freiheitskämpfern abstammen, die ihre Ketten zerbrochen und die Welt verändert haben. Sie rufen mich.“ Afroamerikanische Identitätspolitik in vier Versen, um den Schülern die Kraft der politischen Lyrik ex negativo zu verdeutlichen: „Wenn ich mich entschließe, aus Angst nicht zu sprechen, dann gibt es niemanden, für den mein Schweigen steht.“ Gorman hatte damals schon ihre Berufung zur ersten Jugendnationaldichterin hinter sich. Sie berief sich dann auf eine ganze Reihe Vorbilder, darunter Maya Angelou, Ntozake Shange, Lucille Clifton, Audre Lorde, allesamt Dichterinnen, die zentrale Stimmen der amerikanischen Freiheitskämpfe und Bürgerrechtsbewegung waren. Und sie führte vor, warum auch Martin Luther Kings Reden eine Form der Lyrik waren: „Wir werden aus diesem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung schlagen können.“
Sie stellte sich also schon früh und bewusst in eine afroamerikanische Tradition. Die Historie der „oral poetry“ umspannt einen ähnlich großen Bogen wie die europäische Dichtung, sie reicht von den Griots der westafrikanischen Königreiche bis zum Hip-Hop der Gegenwart. Weswegen es nun nicht besonders sinnvoll ist, ihr Gedicht oder gar die deutsche Übersetzung dem literaturkritischen Brennglas auszusetzen. Mit Richard Wagner kommt man dem schon näher, mit dem Konzept des Gesamtkunstwerkes, das in diesem Fall Text, Stimme und Person umfasst.
Sicher liest sich „The Hill We Climb“ gedruckt vor allem auf Deutsch wie Binsen und Banalitäten. Schon der Einstieg: „Ein neuer Tag, und wir fragen uns, wo wir Licht finden sollen im nicht enden wollenden Schatten.“ Aber wenn man Martin Luther Kings „I Have A Dream“ auf Papier liest, ist das auch ganz schöner Kitsch. Ohne den historischen Moment. Ohne das Aufwallen seiner Sprache. John Coltrane vertonte dann eben auch nicht die Texte von King, sondern seine Sprachmelodie. Weil das Lyrik ist, die im Moment und in der gesprochenen Sprache lebt und sich aus einer Kraft speist, die ihren Ursprung in den Pech-und-Schwefel-Predigten der afroamerikanischen Kirchen und „call and response“-Ritualen des Blues hat.
Es ist eine lange Tradition, die einen überwältigen kann, wenn man mit dem deutschen Lehrplankanon, mit den freud- und kraftlosen Gottesdiensten der Lutheraner aufgewachsen ist und ihr auf einer Amerikareise begegnet. Wenn man das Glück hatte, Ntozake Shange, Gil Scott-Heron, The Last Poets, Elizabeth Alexander oder Amiri Baraka zu hören, begriff man das schon ein wenig besser. Es hatte schon einen Grund, warum Maya Angelou für ihr Gedicht zur Amtseinführung von Bill Clinton 1993 keinen Literaturpreis, sondern einen Grammy bekam, den angesehenen Schallplattenpreis für gesprochenes Wort.
Was nicht heißt, dass all diese Dichterinnen und Dichter die Literatur nicht im Griff hatten und haben. Zu den rund fünfzig Auszeichnungen, die Gormans Vorbild Maya Angelou bekam, zählten eben nicht nur die Presidential Medal of Freedom und die Lincoln Medal für die politische Kraft ihrer Lyrik, sondern auch der Pulitzer und der Norman Mailer Prize und ein Tony für die Kunst ihres Schreibens.
„The Hill We Climb – Den Hügel hinauf“ ist nicht mehr als ein Dokument eines solchen historischen Moments, in dem Sprache gesprochen wurde, und zwar auf eine Weise, die große Teile der amerikanischen Nation und auch so einige im Rest der Welt berührte. Mehr kann das Buch nicht sein. Auf Papier lebt ihre Lyrik auch im Original nicht so recht, weswegen die Übersetzung zwangsläufig scheitern muss. Es ist die Exegese am Schluss des Bändchen, die es doch noch interessant macht. Minutiös interpretieren die drei Übersetzerinnen fast jedes Zeile, jeden Begriff.
Alleine der Hügel im Titel des Gedichts gibt Bezüge auf die Architektur der Macht am Fuße des Kapitols, auf die religiöse Rechtfertigung des puritanischen Expansionsdrangs in John Winthrops Predigt von 1630 und auf Maya Angelous Gedicht „Caged Bird“ her. Da bekommt das Bändchen seine Bedeutung, die es nur haben kann, wenn man gesehen hat, wie Amanda Gorman am Fuße des Kapitols stand und nach vier Jahren Chaos, Hass und Rassismus Worte für den Neuanfang fand.
Ob sie einen Platz im Literaturkanon bekommt, wird sich noch zeigen. Ihren Platz in der Geschichte hat sie schon. Und eine Stimme, mit dem sie ihn zementieren wird. Nach ihren Regeln.
ANDRIAN KREYE
Diese Lyrik lebt
vom Moment und
der gesprochenen Sprache
Wird von Freiheitskämpfern gerufen: die Autorin Amanda Gorman.
Foto: imago
Amanda Gorman: „The Hill We Climb – Den Hügel hinauf: Zweisprachige Ausgabe“. Aus dem Englischen von Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker, und Kübra Gümüşay. Hoffman und Campe Verlag, Hamburg, 2021. 64 Seiten, 10 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Amanda Gormans Gedicht „The Hill We climb“ gehört in die Tradition der afroamerikanischen „oral poetry“. Gedruckt geht das fast verloren
Die Veröffentlichung der zweisprachigen Ausgabe von Amanda Gormans Gedicht „The Hill We Climb“, das sie für die Amtseinführung von Joe Biden und Kamala Harris geschrieben und dort vorgetragen hatte, wäre eine gute Gelegenheit, die Dichterin gegen ihr Buch zu verteidigen. Hat sie natürlich nicht nötig. Amanda Gorman war schon wer, bevor sie vor dem Kapitol ihren historischen Auftritt hatte. Und der machte sie zu einer nationalen Ikone.
Sie ist jetzt mit den Obamas befreundet, Oprah Winfrey schrieb ihr das Vorwort zur Veröffentlichung, sie durfte rockstarmäßig in der Pause des Superbowl rezitieren, hat einen Model- und einen wohldotierten Buchvertrag, könnte alleine von ihren Auftritten gut leben. Vor allem aber hat sie nun eine Stimme, der man zuhört. Was ihr vermutlich wichtiger ist als der Glanz und Glamour und die stattlichen Honorare.
Vor zweieinhalb Jahren hat sie das einmal vor einer Runde New Yorker High-School-Schüler erklärt. Lyrik, so führte sie aus, sei keine tote Kunstform alter weißer Männer, wie sie im Lehrplan stehe. Wobei diese Formel damals nicht so verächtlich anklägerisch klang wie heute im Mahlstrom der Ideologiedebatten.
Es ging ihr vor allem darum, den Teenagern Dichtung näherzubringen. Lyrik sei Politik, fuhr sie fort. Und dann wurde sie doch kurz sehr verächtlich und anklägerisch, als sie davon erzählte, wie die Literaturredakteure ihr bei Aufträgen oft einbläuten, ja nichts Politisches zu schreiben in ihren Gedichten.
Sie habe da ein Mantra, das sie sich auch vor jedem Auftritt vorsage, weil sie eine Heidenangst vor öffentlichem Reden habe: „Ich bin die Tochter von schwarzen Schriftstellern, die von Freiheitskämpfern abstammen, die ihre Ketten zerbrochen und die Welt verändert haben. Sie rufen mich.“ Afroamerikanische Identitätspolitik in vier Versen, um den Schülern die Kraft der politischen Lyrik ex negativo zu verdeutlichen: „Wenn ich mich entschließe, aus Angst nicht zu sprechen, dann gibt es niemanden, für den mein Schweigen steht.“ Gorman hatte damals schon ihre Berufung zur ersten Jugendnationaldichterin hinter sich. Sie berief sich dann auf eine ganze Reihe Vorbilder, darunter Maya Angelou, Ntozake Shange, Lucille Clifton, Audre Lorde, allesamt Dichterinnen, die zentrale Stimmen der amerikanischen Freiheitskämpfe und Bürgerrechtsbewegung waren. Und sie führte vor, warum auch Martin Luther Kings Reden eine Form der Lyrik waren: „Wir werden aus diesem Berg der Verzweiflung einen Stein der Hoffnung schlagen können.“
Sie stellte sich also schon früh und bewusst in eine afroamerikanische Tradition. Die Historie der „oral poetry“ umspannt einen ähnlich großen Bogen wie die europäische Dichtung, sie reicht von den Griots der westafrikanischen Königreiche bis zum Hip-Hop der Gegenwart. Weswegen es nun nicht besonders sinnvoll ist, ihr Gedicht oder gar die deutsche Übersetzung dem literaturkritischen Brennglas auszusetzen. Mit Richard Wagner kommt man dem schon näher, mit dem Konzept des Gesamtkunstwerkes, das in diesem Fall Text, Stimme und Person umfasst.
Sicher liest sich „The Hill We Climb“ gedruckt vor allem auf Deutsch wie Binsen und Banalitäten. Schon der Einstieg: „Ein neuer Tag, und wir fragen uns, wo wir Licht finden sollen im nicht enden wollenden Schatten.“ Aber wenn man Martin Luther Kings „I Have A Dream“ auf Papier liest, ist das auch ganz schöner Kitsch. Ohne den historischen Moment. Ohne das Aufwallen seiner Sprache. John Coltrane vertonte dann eben auch nicht die Texte von King, sondern seine Sprachmelodie. Weil das Lyrik ist, die im Moment und in der gesprochenen Sprache lebt und sich aus einer Kraft speist, die ihren Ursprung in den Pech-und-Schwefel-Predigten der afroamerikanischen Kirchen und „call and response“-Ritualen des Blues hat.
Es ist eine lange Tradition, die einen überwältigen kann, wenn man mit dem deutschen Lehrplankanon, mit den freud- und kraftlosen Gottesdiensten der Lutheraner aufgewachsen ist und ihr auf einer Amerikareise begegnet. Wenn man das Glück hatte, Ntozake Shange, Gil Scott-Heron, The Last Poets, Elizabeth Alexander oder Amiri Baraka zu hören, begriff man das schon ein wenig besser. Es hatte schon einen Grund, warum Maya Angelou für ihr Gedicht zur Amtseinführung von Bill Clinton 1993 keinen Literaturpreis, sondern einen Grammy bekam, den angesehenen Schallplattenpreis für gesprochenes Wort.
Was nicht heißt, dass all diese Dichterinnen und Dichter die Literatur nicht im Griff hatten und haben. Zu den rund fünfzig Auszeichnungen, die Gormans Vorbild Maya Angelou bekam, zählten eben nicht nur die Presidential Medal of Freedom und die Lincoln Medal für die politische Kraft ihrer Lyrik, sondern auch der Pulitzer und der Norman Mailer Prize und ein Tony für die Kunst ihres Schreibens.
„The Hill We Climb – Den Hügel hinauf“ ist nicht mehr als ein Dokument eines solchen historischen Moments, in dem Sprache gesprochen wurde, und zwar auf eine Weise, die große Teile der amerikanischen Nation und auch so einige im Rest der Welt berührte. Mehr kann das Buch nicht sein. Auf Papier lebt ihre Lyrik auch im Original nicht so recht, weswegen die Übersetzung zwangsläufig scheitern muss. Es ist die Exegese am Schluss des Bändchen, die es doch noch interessant macht. Minutiös interpretieren die drei Übersetzerinnen fast jedes Zeile, jeden Begriff.
Alleine der Hügel im Titel des Gedichts gibt Bezüge auf die Architektur der Macht am Fuße des Kapitols, auf die religiöse Rechtfertigung des puritanischen Expansionsdrangs in John Winthrops Predigt von 1630 und auf Maya Angelous Gedicht „Caged Bird“ her. Da bekommt das Bändchen seine Bedeutung, die es nur haben kann, wenn man gesehen hat, wie Amanda Gorman am Fuße des Kapitols stand und nach vier Jahren Chaos, Hass und Rassismus Worte für den Neuanfang fand.
Ob sie einen Platz im Literaturkanon bekommt, wird sich noch zeigen. Ihren Platz in der Geschichte hat sie schon. Und eine Stimme, mit dem sie ihn zementieren wird. Nach ihren Regeln.
ANDRIAN KREYE
Diese Lyrik lebt
vom Moment und
der gesprochenen Sprache
Wird von Freiheitskämpfern gerufen: die Autorin Amanda Gorman.
Foto: imago
Amanda Gorman: „The Hill We Climb – Den Hügel hinauf: Zweisprachige Ausgabe“. Aus dem Englischen von Uda Strätling, Hadija Haruna-Oelker, und Kübra Gümüşay. Hoffman und Campe Verlag, Hamburg, 2021. 64 Seiten, 10 Euro.
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»Vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue, und lesen Sie Amanda Gormans The Hill We Climb !« Denis Scheck ARD "Druckfrisch" 20210328