How can we help poorer countries become richer without harming the planet? Is there a way of reconciling prosperity with nature? World-renowned economist Paul Collier offers smart, surprising and above all realistic answers to this dilemma. Steering a path between the desires of unchecked profiteering and the romantic views of environmentalists, he explores creative ways to deal with poverty, overpopulation and climate change -showing that the solutions needn't cost the earth. The book proposes a radical rethinking of international policies and uniquely, offers real solutions backed up by real data from research Collier has spearheaded
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2011Autos brauchen intensive Landwirtschaft
Megacities für Afrika und Gentechnik für Europa: Paul Collier möchte Ökonomie und Ökologie versöhnen.
Von Erhard Eppler
Wer ein Buch mit dem Titel "Der hungrige Planet" in die Hand nimmt, wird auch dann, wenn sein Autor zu den wichtigeren Ökonomieprofessoren der Vereinigten Staaten gehört, nicht um die Frage herumkommen, ob denn ein Planet hungrig sein kann. Und er wird sich bei der Lektüre wundern, dass vom Hunger nur am Rande die Rede ist. Solche Seltsamkeiten werden verständlich, wenn man den englischen Titel erfährt: "The Plundered Planet".
Viele Deutsche haben noch Herbert Gruhls "Ein Planet wird geplündert" (1975) in Erinnerung. Der geplünderte Planet ist im deutschsprachigen Raum für immer mit dem Namen dieses tapferen Konservativen verbunden. Also musste der deutsche Verlag ausweichen, und dabei kam er aus der Spur, die Paul Collier legen wollte.
Wo Collier grundsätzlich wird, sucht er etwas, was in Deutschland seit den siebziger Jahren in unzähligen Büchern abgehandelt wurde: die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Dazu konstruiert er zwei Typen, den "ökologischen Romantiker" und den "Ignoranten", also den bornierten Ökonomen. Collier will zeigen, wo der eine, wo der andere und wo keiner von beiden recht hat. Am Ende des Buches weiß man: Zu den Romantikern gehören alle, die etwas gegen Atomkraftwerke, Intensivlandwirtschaft oder Gentechnik haben. Mit den "Ignoranten" meint er die Marktradikalen, für die es keinen menschengemachten Klimawandel gibt. Aber im Grundsätzlichen liegt glücklicherweise nicht der Schwerpunkt des Buches. Collier hat sich gründlich mit den Ländern befasst, die sich plötzlich mit reichen Rohstoffquellen gesegnet sahen. Was hat es ihnen gebracht?
Hier kann Collier auf eigene Forschungen zurückgreifen. Auch da beginnt er mit grundsätzlichen Bemerkungen: "Natur ist etwas Besonderes." Sie hat keinen "natürlichen Eigentümer". In Amerika habe sich der Grundsatz durchgesetzt: "Wer es findet, darf es behalten." Für alle Rohstoffquellen gilt: "Wir sind nicht verpflichtet, jede natürliche Ressource zu erhalten, aber wir dürfen nicht den natürlichen Reichtum ohne Gedanken an die Zukunft plündern."
Wie sieht es in der Praxis aus? Ob Rohstoffreichtum für ein Land Segen oder Fluch ist, werde von den Ökonomen diskutiert. Zu dieser Diskussion bringt Collier seine Erfahrungen ein. Er nennt Beispiele: "Nigerias Öl hat die Korruption der politischen Klasse genährt . . . . Norwegen hat durch sein Öl den höchsten Lebensstandard der Welt erreicht." Wer möchte widersprechen? Was aus Rohstoffreichtum wird, hängt von den Regierungen ab, ob sie gut oder schlecht regieren, sagt Collier.
Aber was heißt hier gut oder schlecht regieren? Wenn die Regierungen mit ihren Einkünften aus Öl oder Kupfer in Boomjahren, wenn der Preis hoch ist, einfach die Konsumausgaben des Haushalts finanzieren - und dazu noch in die eigene Tasche wirtschaften -, wird der Reichtum zum Fluch, weil der Rest der Wirtschaft stagniert oder verkümmert. Investiert die Regierung den Geldsegen so, dass auch die Nachkommen noch etwas davon haben, kann er zum Segen werden. Immer vorausgesetzt, dass die Regierung sich von den Multis nicht hat über den Tisch ziehen lassen, was offenbar öfter vorkommt. Übrigens rät Collier den Nigerianern, sie sollten nicht in ihre bäuerliche Landwirtschaft investieren, sondern in die Erweiterung von Lagos. Afrika, so Collier, brauche mehr Megacities von zwanzig und mehr Millionen Menschen, weil dort die Produktivität pro Kopf größer ist als auf dem Land. Was dazu wohl die Politiker meinen, die für innere Sicherheit bürgen sollen?
Schließlich beschäftigt sich Collier doch noch mit der Landwirtschaft, vor allem unter dem Aspekt, wie man erschwingliche Lebensmittel für eine wachsende Weltbevölkerung produzieren kann. Daher ist er für großflächige Intensivlandwirtschaft. Zuerst müsse "die Liebesaffäre der Mittelschicht mit der kleinbäuerlichen Landwirtschaft" beendet werden. Wer mit wachsendem Zorn erlebt hat, wie die Regierungen Afrikas - und manchmal auch Europas, wenn es um Entwicklungshilfe ging - diese bäuerliche Landwirtschaft Afrikas vernachlässigt haben, wird Colliers Kompetenz in Liebesdingen nicht hoch ansetzen. Um die Preise für Lebensmittel niedrig zu halten, muss vor allem mehr produziert werden. Da Gentechnik die Erträge steigern könnte, ist Collier für die "Aufhebung des Gentechnikverbots." Dass Weizen und Mais inzwischen an Autos verfüttert werden, findet Collier nur in den Vereinigten Staaten unsinnig, wo - durch Subventionen gefördert! - "etwa ein Drittel des amerikanischen Getreides in die Energieproduktion geflossen ist".
Den Ökonomen stören vor allem die Subventionen. Aber wenn es schon um ein Angebot an Lebensmitteln geht, das weltweit die Nachfrage übersteigt, dann wäre es doch wohl nötig, solche Zweckentfremdungen ganz zu verbieten. Eine Landwirtschaft, die so intensiv ist, dass sie neben neun oder zehn Milliarden Menschen auch noch Millionen Autos bedient, wird es nicht geben, jedenfalls nicht lange.
Dass ein Rezensent nicht allem zustimmt, was ein gescheiter Autor zu Papier bringt, muss nicht gegen sein Buch sprechen. Wichtiger ist, was die Leute denken, für die es geschrieben ist. Es sind, wie des Öfteren bei anerkannten Wissenschaftlern, vor allem die Kollegen. Mit dem englischen Original wäre da eigentlich das Auslangen zu finden. Was sogar dann gelten würde, wenn die deutsche Übersetzung etwas besser ausgefallen wäre, als sie es tatsächlich ist.
Paul Collier: "Der hungrige Planet". Wie können wir Wohlstand mehren, ohne die Erde auszuplündern.
Aus dem Englischen von Martin Richter. Siedler Verlag, München 2011. 272 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Megacities für Afrika und Gentechnik für Europa: Paul Collier möchte Ökonomie und Ökologie versöhnen.
Von Erhard Eppler
Wer ein Buch mit dem Titel "Der hungrige Planet" in die Hand nimmt, wird auch dann, wenn sein Autor zu den wichtigeren Ökonomieprofessoren der Vereinigten Staaten gehört, nicht um die Frage herumkommen, ob denn ein Planet hungrig sein kann. Und er wird sich bei der Lektüre wundern, dass vom Hunger nur am Rande die Rede ist. Solche Seltsamkeiten werden verständlich, wenn man den englischen Titel erfährt: "The Plundered Planet".
Viele Deutsche haben noch Herbert Gruhls "Ein Planet wird geplündert" (1975) in Erinnerung. Der geplünderte Planet ist im deutschsprachigen Raum für immer mit dem Namen dieses tapferen Konservativen verbunden. Also musste der deutsche Verlag ausweichen, und dabei kam er aus der Spur, die Paul Collier legen wollte.
Wo Collier grundsätzlich wird, sucht er etwas, was in Deutschland seit den siebziger Jahren in unzähligen Büchern abgehandelt wurde: die Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Dazu konstruiert er zwei Typen, den "ökologischen Romantiker" und den "Ignoranten", also den bornierten Ökonomen. Collier will zeigen, wo der eine, wo der andere und wo keiner von beiden recht hat. Am Ende des Buches weiß man: Zu den Romantikern gehören alle, die etwas gegen Atomkraftwerke, Intensivlandwirtschaft oder Gentechnik haben. Mit den "Ignoranten" meint er die Marktradikalen, für die es keinen menschengemachten Klimawandel gibt. Aber im Grundsätzlichen liegt glücklicherweise nicht der Schwerpunkt des Buches. Collier hat sich gründlich mit den Ländern befasst, die sich plötzlich mit reichen Rohstoffquellen gesegnet sahen. Was hat es ihnen gebracht?
Hier kann Collier auf eigene Forschungen zurückgreifen. Auch da beginnt er mit grundsätzlichen Bemerkungen: "Natur ist etwas Besonderes." Sie hat keinen "natürlichen Eigentümer". In Amerika habe sich der Grundsatz durchgesetzt: "Wer es findet, darf es behalten." Für alle Rohstoffquellen gilt: "Wir sind nicht verpflichtet, jede natürliche Ressource zu erhalten, aber wir dürfen nicht den natürlichen Reichtum ohne Gedanken an die Zukunft plündern."
Wie sieht es in der Praxis aus? Ob Rohstoffreichtum für ein Land Segen oder Fluch ist, werde von den Ökonomen diskutiert. Zu dieser Diskussion bringt Collier seine Erfahrungen ein. Er nennt Beispiele: "Nigerias Öl hat die Korruption der politischen Klasse genährt . . . . Norwegen hat durch sein Öl den höchsten Lebensstandard der Welt erreicht." Wer möchte widersprechen? Was aus Rohstoffreichtum wird, hängt von den Regierungen ab, ob sie gut oder schlecht regieren, sagt Collier.
Aber was heißt hier gut oder schlecht regieren? Wenn die Regierungen mit ihren Einkünften aus Öl oder Kupfer in Boomjahren, wenn der Preis hoch ist, einfach die Konsumausgaben des Haushalts finanzieren - und dazu noch in die eigene Tasche wirtschaften -, wird der Reichtum zum Fluch, weil der Rest der Wirtschaft stagniert oder verkümmert. Investiert die Regierung den Geldsegen so, dass auch die Nachkommen noch etwas davon haben, kann er zum Segen werden. Immer vorausgesetzt, dass die Regierung sich von den Multis nicht hat über den Tisch ziehen lassen, was offenbar öfter vorkommt. Übrigens rät Collier den Nigerianern, sie sollten nicht in ihre bäuerliche Landwirtschaft investieren, sondern in die Erweiterung von Lagos. Afrika, so Collier, brauche mehr Megacities von zwanzig und mehr Millionen Menschen, weil dort die Produktivität pro Kopf größer ist als auf dem Land. Was dazu wohl die Politiker meinen, die für innere Sicherheit bürgen sollen?
Schließlich beschäftigt sich Collier doch noch mit der Landwirtschaft, vor allem unter dem Aspekt, wie man erschwingliche Lebensmittel für eine wachsende Weltbevölkerung produzieren kann. Daher ist er für großflächige Intensivlandwirtschaft. Zuerst müsse "die Liebesaffäre der Mittelschicht mit der kleinbäuerlichen Landwirtschaft" beendet werden. Wer mit wachsendem Zorn erlebt hat, wie die Regierungen Afrikas - und manchmal auch Europas, wenn es um Entwicklungshilfe ging - diese bäuerliche Landwirtschaft Afrikas vernachlässigt haben, wird Colliers Kompetenz in Liebesdingen nicht hoch ansetzen. Um die Preise für Lebensmittel niedrig zu halten, muss vor allem mehr produziert werden. Da Gentechnik die Erträge steigern könnte, ist Collier für die "Aufhebung des Gentechnikverbots." Dass Weizen und Mais inzwischen an Autos verfüttert werden, findet Collier nur in den Vereinigten Staaten unsinnig, wo - durch Subventionen gefördert! - "etwa ein Drittel des amerikanischen Getreides in die Energieproduktion geflossen ist".
Den Ökonomen stören vor allem die Subventionen. Aber wenn es schon um ein Angebot an Lebensmitteln geht, das weltweit die Nachfrage übersteigt, dann wäre es doch wohl nötig, solche Zweckentfremdungen ganz zu verbieten. Eine Landwirtschaft, die so intensiv ist, dass sie neben neun oder zehn Milliarden Menschen auch noch Millionen Autos bedient, wird es nicht geben, jedenfalls nicht lange.
Dass ein Rezensent nicht allem zustimmt, was ein gescheiter Autor zu Papier bringt, muss nicht gegen sein Buch sprechen. Wichtiger ist, was die Leute denken, für die es geschrieben ist. Es sind, wie des Öfteren bei anerkannten Wissenschaftlern, vor allem die Kollegen. Mit dem englischen Original wäre da eigentlich das Auslangen zu finden. Was sogar dann gelten würde, wenn die deutsche Übersetzung etwas besser ausgefallen wäre, als sie es tatsächlich ist.
Paul Collier: "Der hungrige Planet". Wie können wir Wohlstand mehren, ohne die Erde auszuplündern.
Aus dem Englischen von Martin Richter. Siedler Verlag, München 2011. 272 S., geb., 22,99 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main