Populism of the right and left has spread like wildfire throughout the world. The impulse reached its apogee in the United States with the election of Trump, but it was a force in Europe ever since the Great Recession sent the European economy into a prolonged tailspin. In the simplest terms, populism is a political ideology that vilifies economic and political elites and instead lionizes 'the people.' The people, populists of all stripes contend, need to retake power from the unaccountable elites who have left them powerless. And typically, populists' distrust of elites shades into a catchall distrust of trained experts because of their perceived distance from and contempt for 'the people.' Another signature element of populist movements is faith in a savior who can not only speak directly to the people, but also serve as a vessel for the plain people's hopes and dreams. Going back to the 1890s, a series of such saviors have come and gone in the US alone, from William Jennings Bryan to Huey Long to--finally--Donald Trump. In The Populist Temptation, the eminent economic historian Barry Eichengreen focuses on the global resurgence of populism today and places it in a deep context. Alternating between the present and earlier populist waves from modern history, he argues that populists tend to thrive most in the wake of economic downturns, when it is easy to convince the masses of elite malfeasance. Yet while there is more than a grain of truth that bankers, financiers, and 'bought' politicians are responsible for the mess, populists' own solutions tend to be simplistic and economically counterproductive. Moreover, by arguing that the ordinary people are at the mercy of extra-national forces beyond their control--international capital, immigrants, cosmopolitan globalists--populists often degenerate into demagoguery and xenophobia. There is no one solution to addressing the concerns that populists raise, but Eichengreen argues that there is an obvious place to start: shoring up and improving the welfare state so that it is better able to act as a buffer for those who suffer most during economic slumps. For example, America's patchwork welfare state was not well equipped to deal with the economic fallout that attended globalization and the decline of manufacturing in America, and that played no small part in Trump's victory. Lucidly explaining both the appeals and dangers of populism across history, this book is essential reading for anyone seeking to understand not just the populist phenomenon, but more generally the lasting political fallout that follows in the wake of major economic crises.
Dieser Download kann aus rechtlichen Gründen nur mit Rechnungsadresse in A, B, BG, CY, CZ, D, DK, EW, E, FIN, F, GR, HR, H, IRL, I, LT, L, LR, M, NL, PL, P, R, S, SLO, SK ausgeliefert werden.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2018Aufruhr in
schlechten Zeiten
Barry Eichengreens exakte Studie
über Populismus und Ökonomie
An Büchern über Populismus herrscht kein Mangel. Was hat das Buch Barry Eichengreens, der in Berkeley Ökonomie und Politische Wissenschaft lehrt, da noch an neuen Erkenntnissen zu bieten? Es ist vor allem seine bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreichende Analyse der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen, die in den USA und Europa das Entstehen populistischer Strömungen begünstigten und bis heute als Nährboden dienen. Zugleich versucht er zu erklären, warum diese Strömungen in manchen Ländern und zu manchen Zeiten erfolgreich waren, andernorts und zu anderen Zeiten aber nicht. Und schließlich entwickelt er aus diesen Betrachtungen Gegenstrategien.
Mit einer Definition hält Eichengreen sich nicht lange auf: Unter Populismus versteht er eine autoritäre, gegen die „Eliten“ gerichtete und auf das „einfache Volk“ rekurrierende Bewegung. Während der linke Populismus die anti-elitären Aspekte betont, stehen beim rechten die Feindseligkeit gegenüber Fremden und Minderheiten im Vordergrund. Im Buch geht es indes vor allem um den rechten Populismus. Den Einfluss der Populisten auf die politischen Institutionen kennzeichnet er als zerstörerisch, bei ihren Anhängern fördern sie die übelsten Eigenschaften zutage. Von Natur aus spalterisch, bringen sie „das Volk“ gegen die „Intellektuellen“, Einheimische gegen Fremde sowie ethnische und religiöse Mehrheiten gegen Minderheiten in Stellung. Der gemeinsame Nenner besteht in dem Gefühl, von den „etablierten“ Parteien zurückgelassen worden zu sein.
Was Eichengreens Populismus-Analyse von anderen unterscheidet, ist die Konzentration auf wirtschaftliche Faktoren. Populistische Revolten, so seine Überzeugung, entstehen eher selten in wirtschaftlich guten Zeiten. Die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Krisen und dem Aufstieg populistischer Bewegungen zeichnet er vom ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart, bis zum Brexit und zu Donald Trump nach. Es ist frappierend, dass bestimmte Argumente dabei immer wieder auftauchen: Immigranten als Bedrohung der wirtschaftlichen Sicherheit, die Sorge, staatliche Unterstützung könnte den Willen zur Selbsthilfe untergraben, der Einsatz antisemitischer oder fremdenfeindlicher Stereotype zur Erreichung politischer Ziele, um nur einige Beispiele zu nennen. Besonders brisant wird es, wenn wirtschaftliche und identitätspolitische Ängste verschmelzen.
Welche Strategie empfiehlt Eichengreen? Er rät zu Lösungen, die Geduld erfordern: Investitionen in Bildung auf allen Ebenen, moderate staatliche Eingriffe, um Marktversagen zu korrigieren, die Erziehung zu Mitgefühl und Solidarität. Es ist nicht zuletzt diese unaufgeregte und differenzierte Argumentation, die dieses Buch auszeichnet.
WERNER BÜHRER
Barry Eichengreen:
The Populist Temptation. Economic Grievance and Political Reaction in the Modern Era.
Oxford University Press, Oxford 2018.
244 Seiten, 18,99 Pfund.
E-Book: ca. 15,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
schlechten Zeiten
Barry Eichengreens exakte Studie
über Populismus und Ökonomie
An Büchern über Populismus herrscht kein Mangel. Was hat das Buch Barry Eichengreens, der in Berkeley Ökonomie und Politische Wissenschaft lehrt, da noch an neuen Erkenntnissen zu bieten? Es ist vor allem seine bis weit ins 19. Jahrhundert zurückreichende Analyse der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Bedingungen, die in den USA und Europa das Entstehen populistischer Strömungen begünstigten und bis heute als Nährboden dienen. Zugleich versucht er zu erklären, warum diese Strömungen in manchen Ländern und zu manchen Zeiten erfolgreich waren, andernorts und zu anderen Zeiten aber nicht. Und schließlich entwickelt er aus diesen Betrachtungen Gegenstrategien.
Mit einer Definition hält Eichengreen sich nicht lange auf: Unter Populismus versteht er eine autoritäre, gegen die „Eliten“ gerichtete und auf das „einfache Volk“ rekurrierende Bewegung. Während der linke Populismus die anti-elitären Aspekte betont, stehen beim rechten die Feindseligkeit gegenüber Fremden und Minderheiten im Vordergrund. Im Buch geht es indes vor allem um den rechten Populismus. Den Einfluss der Populisten auf die politischen Institutionen kennzeichnet er als zerstörerisch, bei ihren Anhängern fördern sie die übelsten Eigenschaften zutage. Von Natur aus spalterisch, bringen sie „das Volk“ gegen die „Intellektuellen“, Einheimische gegen Fremde sowie ethnische und religiöse Mehrheiten gegen Minderheiten in Stellung. Der gemeinsame Nenner besteht in dem Gefühl, von den „etablierten“ Parteien zurückgelassen worden zu sein.
Was Eichengreens Populismus-Analyse von anderen unterscheidet, ist die Konzentration auf wirtschaftliche Faktoren. Populistische Revolten, so seine Überzeugung, entstehen eher selten in wirtschaftlich guten Zeiten. Die Zusammenhänge zwischen wirtschaftlichen Krisen und dem Aufstieg populistischer Bewegungen zeichnet er vom ersten Drittel des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart, bis zum Brexit und zu Donald Trump nach. Es ist frappierend, dass bestimmte Argumente dabei immer wieder auftauchen: Immigranten als Bedrohung der wirtschaftlichen Sicherheit, die Sorge, staatliche Unterstützung könnte den Willen zur Selbsthilfe untergraben, der Einsatz antisemitischer oder fremdenfeindlicher Stereotype zur Erreichung politischer Ziele, um nur einige Beispiele zu nennen. Besonders brisant wird es, wenn wirtschaftliche und identitätspolitische Ängste verschmelzen.
Welche Strategie empfiehlt Eichengreen? Er rät zu Lösungen, die Geduld erfordern: Investitionen in Bildung auf allen Ebenen, moderate staatliche Eingriffe, um Marktversagen zu korrigieren, die Erziehung zu Mitgefühl und Solidarität. Es ist nicht zuletzt diese unaufgeregte und differenzierte Argumentation, die dieses Buch auszeichnet.
WERNER BÜHRER
Barry Eichengreen:
The Populist Temptation. Economic Grievance and Political Reaction in the Modern Era.
Oxford University Press, Oxford 2018.
244 Seiten, 18,99 Pfund.
E-Book: ca. 15,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.02.2019Ungewaschen am Tisch?
Bücher über Wirtschaft und Populismus
Die seriöse Debatte der Wechselwirkungen zwischen Populismus und Wirtschaft geht zurück auf den Ökonomen Dani Rodrik. Er postulierte zum einen schon vor Jahren ein "unmögliches Dreieck" aus wirtschaftlicher Globalisierung, Nationalstaat und Demokratie, und er verwies auf frühe Wurzeln des Phänomens, die in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Des Weiteren geht auf Rodrik die Unterscheidung zwischen "linkem" und "rechtem" Populismus zurück; beide Variationen sieht er wesentlich, wenn auch nicht allein durch die Globalisierung bedingt. "Linker" Populismus ist für ihn stark durch Protest gegen die mit der Globalisierung verbundene Freiheit von Kapital und Gütern verbunden. "Rechter" Populismus drückt sich in Form von Protest gegen die Freizügigkeit des Personenverkehrs, also gegen Migration, aus. Auch hat Rodrik dafür plädiert, systematisch die Determinanten von Angebot und Nachfrage nach Populismus zu analysieren.
In der Zwischenzeit hat der Harvard-Ökonom mit "Straight Talk on Trade" ein Buch vorgelegt, das ein wenig zusammengestoppelt wirkt, weil es im Wesentlichen eine Ansammlung von kürzeren Beiträgen zusammenfasst. Rodrik analysiere die Politik mit den Augen des Ökonomen und betrachte die Ökonomie mit den Augen eines Philosophen, kommentiert Rodriks Kollege David Autor. Dem Verfasser geht es darum, durch eine Politik, die Globalisierung befürwortet, aber auch ihre negativen Begleiteffekte nicht negiert, Demokratie mit Selbstbestimmung und wirtschaftlichem Wohlstand zu vereinen: "Das Versagen der Ökonomen, das gesamte Bild des Außenhandels zu zeichnen, mit allen notwendigen Einschränkungen und Vorbehalten, hat es erleichtert, den Außenhandel, nicht selten fälschlich, schwarzzumalen." Auch wer Rodrik nicht in allem zustimmt, sollte ihn lesen.
Rodriks Unterscheidung zwischen "linkem" und "rechtem" Populismus wird von Philip Manow in "Die Politische Ökonomie des Populismus" mit Blick auf Europa weiter ausdifferenziert. Im gelegentlich besserwisserischen Duktus des deutschen Sozialwissenschaftlers alter Schule betont Manow aber immerhin zu Recht, dass es keinen Sinn hat, Populismus ohne seine wirtschaftlichen Grundlagen zu analysieren und stattdessen mit Ausfällen gegen "alte, weiße Männer" oder "Abgehängte" das Thema zu verfehlen. Außerdem habe es keinen Sinn, Anhänger eines Populismus zu behandeln wie "Ungewaschene am Tisch".
Vereinfachungen sind immer angreifbar, aber als Grundthese gibt Manow für Europa vor: "Im Süden ist der Populismus tendenziell links, im Norden tendenziell rechts." Manow unterscheidet aber noch einmal innerhalb des "rechten" Populismus je nach der Natur der bekämpften Migration. In West- und Osteuropa sieht er vor allem Protest gegen Arbeitsmigration - Großbritannien wäre ein Beispiel. In vielen Ländern Nord- und Kontinentaleuropas erkennt Manow dagegen vor allem Protest gegen Fluchtmigration.
Der Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen wirft in "The Populist Temptation" naturgemäß einen intensiveren Blick auf die Geschichte des Populismus, die nach der üblichen Lesart in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten mit Protesten gegen die Goldwährung und die damalige wirtschaftliche Globalisierung ihren Anfang nahm. Eichengreen erinnert daran, wie sowohl Bismarck in Deutschland als auch Chamberlain in Großbritannien für Zollpolitik nicht zuletzt mit dem Ziel eintraten, die jeweilige Nation zu einen. Anschließend arbeitet sich der Verfasser in die Gegenwart vor, indem er sich vor allem stark mit dem Phänomen Trump befasst. Ob die Vereinigten Staaten oder Europa auf die Dauer anfälliger für den Populismus bleiben, lässt er offen.
"Hochtechnologie und Globalisierung haben sich gegenseitig verstärkt", schreibt der Chefökonom des internationalen Wirtschaftsforschungsunternehmens TS Lombard, Charles Dumas, in "Populism and Economics". Globalisierung, Technologie, Demographie und Ungleichgewichte seien die vier Elemente, die wesentlich zur heutigen Situation beigetragen hätten. Fraglos nutzten Demagogen eine weitverbreitete Unzufriedenheit aus und präsentierten unsinnige Rezepte, aber Politiker und Kommentatoren aus der politischen Mitte legten eine gleichermaßen verbreitete Unfähigkeit im Umgang mit legitimen Klagen an den Tag.
Dann schreibt Dumas etwas, was in der internationalen Diskussion Standard ist, in Deutschland aber häufig verdrängt wird: "Dieser massive Wandel wurde ergänzt durch eine globale Ersparnisschwemme - oder genauer, durch den strukturellen eurasischen Ersparnisüberschuss in Deutschland, seinen Nachbarländern im Norden, Westen und Süden, plus China, Japan und den asiatischen Tigerstaaten. Dieser große Teil der Weltwirtschaft kann seine Sucht nach Ersparnisbildung nur aufrechterhalten, wenn andere Länder oder Branchen Defizite fahren und/oder ihre Verschuldung steigern. Sowohl die Finanzkrise - und ihr Nachfolger, die Euro-Krise - als auch der anschließende langsame Aufschwung der Weltwirtschaft waren klare Folgen dieser Defizite und Schulden." Die Ersparnisschwemme sei aber keine zwingende Nebenbedingung der Globalisierung
Mit Blick auf Europa erwartet Dumas einen Rückgang des deutschen Leistungsbilanzüberschusses, aber er fürchtet, dass Italien nicht genug Zeit haben wird, um wirtschaftlich auf die Füße zu fallen. Und nicht nur für Italien gilt nach Ansicht des Verfassers: "Ein langsameres Potentialwachstum in den kommenden Jahren könnte der gefährlichen Welle politischer Unzufriedenheit mit der Weltwirtschaftsordnung weitere Kraft verleihen."
GERALD BRAUNBERGER
Dani Rodrik: Straight Talk on Trade. Princeton University Press. Princeton 2018. 316 Seiten. 23,50 Euro
Philip Manow: Die Politische Ökonomie des Populismus. Suhrkamp. Frankfurt 2018. 178 Seiten. 16,50 Euro
Barry Eichengreen: The Populist Temptation. Oxford University Press. Oxford 2018. 244 Seiten. 18,99 Pfund
Charles Dumas: Populism and Economics. Profile Books. London 2018. 184 Seiten. 19,95 Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Bücher über Wirtschaft und Populismus
Die seriöse Debatte der Wechselwirkungen zwischen Populismus und Wirtschaft geht zurück auf den Ökonomen Dani Rodrik. Er postulierte zum einen schon vor Jahren ein "unmögliches Dreieck" aus wirtschaftlicher Globalisierung, Nationalstaat und Demokratie, und er verwies auf frühe Wurzeln des Phänomens, die in das 19. Jahrhundert zurückreichen. Des Weiteren geht auf Rodrik die Unterscheidung zwischen "linkem" und "rechtem" Populismus zurück; beide Variationen sieht er wesentlich, wenn auch nicht allein durch die Globalisierung bedingt. "Linker" Populismus ist für ihn stark durch Protest gegen die mit der Globalisierung verbundene Freiheit von Kapital und Gütern verbunden. "Rechter" Populismus drückt sich in Form von Protest gegen die Freizügigkeit des Personenverkehrs, also gegen Migration, aus. Auch hat Rodrik dafür plädiert, systematisch die Determinanten von Angebot und Nachfrage nach Populismus zu analysieren.
In der Zwischenzeit hat der Harvard-Ökonom mit "Straight Talk on Trade" ein Buch vorgelegt, das ein wenig zusammengestoppelt wirkt, weil es im Wesentlichen eine Ansammlung von kürzeren Beiträgen zusammenfasst. Rodrik analysiere die Politik mit den Augen des Ökonomen und betrachte die Ökonomie mit den Augen eines Philosophen, kommentiert Rodriks Kollege David Autor. Dem Verfasser geht es darum, durch eine Politik, die Globalisierung befürwortet, aber auch ihre negativen Begleiteffekte nicht negiert, Demokratie mit Selbstbestimmung und wirtschaftlichem Wohlstand zu vereinen: "Das Versagen der Ökonomen, das gesamte Bild des Außenhandels zu zeichnen, mit allen notwendigen Einschränkungen und Vorbehalten, hat es erleichtert, den Außenhandel, nicht selten fälschlich, schwarzzumalen." Auch wer Rodrik nicht in allem zustimmt, sollte ihn lesen.
Rodriks Unterscheidung zwischen "linkem" und "rechtem" Populismus wird von Philip Manow in "Die Politische Ökonomie des Populismus" mit Blick auf Europa weiter ausdifferenziert. Im gelegentlich besserwisserischen Duktus des deutschen Sozialwissenschaftlers alter Schule betont Manow aber immerhin zu Recht, dass es keinen Sinn hat, Populismus ohne seine wirtschaftlichen Grundlagen zu analysieren und stattdessen mit Ausfällen gegen "alte, weiße Männer" oder "Abgehängte" das Thema zu verfehlen. Außerdem habe es keinen Sinn, Anhänger eines Populismus zu behandeln wie "Ungewaschene am Tisch".
Vereinfachungen sind immer angreifbar, aber als Grundthese gibt Manow für Europa vor: "Im Süden ist der Populismus tendenziell links, im Norden tendenziell rechts." Manow unterscheidet aber noch einmal innerhalb des "rechten" Populismus je nach der Natur der bekämpften Migration. In West- und Osteuropa sieht er vor allem Protest gegen Arbeitsmigration - Großbritannien wäre ein Beispiel. In vielen Ländern Nord- und Kontinentaleuropas erkennt Manow dagegen vor allem Protest gegen Fluchtmigration.
Der Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen wirft in "The Populist Temptation" naturgemäß einen intensiveren Blick auf die Geschichte des Populismus, die nach der üblichen Lesart in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten mit Protesten gegen die Goldwährung und die damalige wirtschaftliche Globalisierung ihren Anfang nahm. Eichengreen erinnert daran, wie sowohl Bismarck in Deutschland als auch Chamberlain in Großbritannien für Zollpolitik nicht zuletzt mit dem Ziel eintraten, die jeweilige Nation zu einen. Anschließend arbeitet sich der Verfasser in die Gegenwart vor, indem er sich vor allem stark mit dem Phänomen Trump befasst. Ob die Vereinigten Staaten oder Europa auf die Dauer anfälliger für den Populismus bleiben, lässt er offen.
"Hochtechnologie und Globalisierung haben sich gegenseitig verstärkt", schreibt der Chefökonom des internationalen Wirtschaftsforschungsunternehmens TS Lombard, Charles Dumas, in "Populism and Economics". Globalisierung, Technologie, Demographie und Ungleichgewichte seien die vier Elemente, die wesentlich zur heutigen Situation beigetragen hätten. Fraglos nutzten Demagogen eine weitverbreitete Unzufriedenheit aus und präsentierten unsinnige Rezepte, aber Politiker und Kommentatoren aus der politischen Mitte legten eine gleichermaßen verbreitete Unfähigkeit im Umgang mit legitimen Klagen an den Tag.
Dann schreibt Dumas etwas, was in der internationalen Diskussion Standard ist, in Deutschland aber häufig verdrängt wird: "Dieser massive Wandel wurde ergänzt durch eine globale Ersparnisschwemme - oder genauer, durch den strukturellen eurasischen Ersparnisüberschuss in Deutschland, seinen Nachbarländern im Norden, Westen und Süden, plus China, Japan und den asiatischen Tigerstaaten. Dieser große Teil der Weltwirtschaft kann seine Sucht nach Ersparnisbildung nur aufrechterhalten, wenn andere Länder oder Branchen Defizite fahren und/oder ihre Verschuldung steigern. Sowohl die Finanzkrise - und ihr Nachfolger, die Euro-Krise - als auch der anschließende langsame Aufschwung der Weltwirtschaft waren klare Folgen dieser Defizite und Schulden." Die Ersparnisschwemme sei aber keine zwingende Nebenbedingung der Globalisierung
Mit Blick auf Europa erwartet Dumas einen Rückgang des deutschen Leistungsbilanzüberschusses, aber er fürchtet, dass Italien nicht genug Zeit haben wird, um wirtschaftlich auf die Füße zu fallen. Und nicht nur für Italien gilt nach Ansicht des Verfassers: "Ein langsameres Potentialwachstum in den kommenden Jahren könnte der gefährlichen Welle politischer Unzufriedenheit mit der Weltwirtschaftsordnung weitere Kraft verleihen."
GERALD BRAUNBERGER
Dani Rodrik: Straight Talk on Trade. Princeton University Press. Princeton 2018. 316 Seiten. 23,50 Euro
Philip Manow: Die Politische Ökonomie des Populismus. Suhrkamp. Frankfurt 2018. 178 Seiten. 16,50 Euro
Barry Eichengreen: The Populist Temptation. Oxford University Press. Oxford 2018. 244 Seiten. 18,99 Pfund
Charles Dumas: Populism and Economics. Profile Books. London 2018. 184 Seiten. 19,95 Dollar.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
The Populist Temptation is strongly recommended for scholars interested in the economic roots and consequences of right wing populism, and, more broadly, those utilizing historical comparative narratives. Furthermore, the effort of the author to refer to the impacts of populism in the EU makes it also valuable for scholars of European public policies or interested in the future of the EU. Hugo Marcos-Marne, Democratization