Winner of the 2007 National Book Critics Circle Award for Criticism
A New York Times Book Review Top Ten Book of the Year
Time magazine Top Ten Nonfiction Book of 2007
Newsweek Favorite Books of 2007
A Washington Post Book World Best Book of 2007
In this sweeping and dramatic narrative, Alex Ross, music critic for The New Yorker, weaves together the histories of the twentieth century and its music, from Vienna before the First World War to Paris in the twenties; from Hitler's Germany and Stalin's Russia to downtown New York in the sixties and seventies up to the present. Taking readers into the labyrinth of modern style, Ross draws revelatory connections between the century's most influential composers and the wider culture. The Rest Is Noise is an astonishing history of the twentieth century as told through its music.
A New York Times Book Review Top Ten Book of the Year
Time magazine Top Ten Nonfiction Book of 2007
Newsweek Favorite Books of 2007
A Washington Post Book World Best Book of 2007
In this sweeping and dramatic narrative, Alex Ross, music critic for The New Yorker, weaves together the histories of the twentieth century and its music, from Vienna before the First World War to Paris in the twenties; from Hitler's Germany and Stalin's Russia to downtown New York in the sixties and seventies up to the present. Taking readers into the labyrinth of modern style, Ross draws revelatory connections between the century's most influential composers and the wider culture. The Rest Is Noise is an astonishing history of the twentieth century as told through its music.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.02.2010Erkennen Sie die Melodie der Schrift?
Eine stupende Geschichtsschreibung der modernen Musik, die das vergangene Jahrhundert hörbar macht: Alex Ross versucht, den Klang der Instrumente mit Worten zu erfassen - eine Gratwanderung.
Von Paul Valéry stammt eine schöne Beschreibung des Lesens, bei dem man sich gelegentlich von den Buchstaben löst, um Erinnerungen und Verknüpfungen von Erinnerungen zu folgen. Das Lesen sei wie eine Flamme, die sich ausbreite, oder wie ein Faden, der von einem zum anderen Ende brenne, wobei es gelegentlich kleine Explosionen und Flackerfunken gebe. Ob sich an diesen kreativen Abschweifungen der Wert eines Buches bemisst, wie Valéry suggeriert, mag dahingestellt bleiben.
Der amerikanische Autor Alex Ross scheint sich jedenfalls bei seiner voluminösen Monographie über die Musik des zwanzigsten Jahrhunderts dieser Eigenart des Lesevorgangs bewusst gewesen zu sein: Er macht die Assoziationen zum integralen Bestandteil seines Buches, das geradezu von Querverweisen und Referenzen lebt. Ross richtet den Blick auf die Musik, aber ins Blickfeld gerät immer auch - und zwar mehr als in anderen Untersuchungen zur Musik dieses Jahrhunderts - ein ganzer Komplex historischer, kulturpolitischer, philosophisch-psychologischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge.
Es ist dieser untrügliche Spürsinn für geschichtliche Konstellationen, der bei der Lektüre des Buches sofort in Bann schlägt. Hinzu kommt eine Erzählhaltung, die wissenschaftlichen Untersuchungen, zumal über so schwierige Themen wie den musikalischen Aufbruch seit Richard Strauss bis hin zu den jüngsten Formen experimenteller Musik, meist abgeht. Der Autor, langjähriger Musikkritiker des "New Yorker", ist ein umfassend gebildeter, keineswegs in den Kategorien von klassischer Musik befangener Chronist von geradezu einschüchternder Universalbildung. Schon ein flüchtiger Blick auf die fünfzehn Kapitel, die dieses monumentale Werk enthält, angefangen vom Fin de Siècle über das Berlin der zwanziger Jahre, die Musik in der Sowjetunion und zur Zeit des Nationalsozialismus, über die Stunde null nach dem Krieg und die Avantgarde der sechziger Jahre, den Jazz und die Minimalisten bis hin zur Musik am Ende des Jahrhunderts und der Zeit nach der Moderne - schon dieses Panorama wird jedem Leser klarmachen, dass er sich auf eine lange Reise durch ein Jahrhundert einrichten muss, das die einfache Frage nach dem, was Musik eigentlich ausmache, neu stellt.
Man beginnt vorsichtig nachzulesen, wer sich alles am 16. Mai 1906 in Graz versammelte, um in der österreichischen Provinz der Uraufführung von "Salome" beizuwohnen, und begreift auch ohne Partitur oder musikalische Geschichtsbücher, allein aus der illustren Schar von Geistesgrößen und politischer Prominenz, dass es sich um ein Kulturereignis von epochalem Rang gehandelt haben muss. Es gehört zu den großen Erzählqualitäten von Alex Ross, aus einer alten Fotografie vom Eingang zum Grazer Opernhaus, auf der neben anderen Richard Strauss und Gustav Mahler zu sehen sind, eine Szene entstehen zu lassen, die die vibrierende Atmosphäre jener Jahre sinnlich erfahrbar macht.
Und nicht nur das. Ross ist auch musikalisch umfassend geschult, kann die Details einer musikalischen Analyse zu Mosaiksteinen einer Theorie des Schönen oder gar zur Gesellschaftsstudie verbinden, wenn er etwa feststellt, dass Strawinsky mit der Sonatenform und den Dur-Moll-Variationen seines Oktetts für Bläser sein altes russisches Ich abgestreift, aber keine neue Identität gefunden habe: "Die neue Objektivität war der alte Ästhetizismus." Oder wenn er die "samtene musikalische Revolution" bei Maurice Ravel preist, der "die Sprache der Musik erneuerte, ohne den öffentlichen Frieden zu stören".
Bei solchen Beispielen einer Verquickung von Sachurteilen, Wertschätzungen und Einbindungen in historisch-soziale Konfigurationen aber beginnt zugleich der Zweifel an dieser stupenden Geschichtsschreibung der modernen Musik, mit der - wie der Untertitel propagiert - ein Jahrhundert hörbar gemacht werden soll. Von Alfred Brendel stammt die Warnung, man möge sich bei der Analyse von Musik oder überhaupt von Kunst "bis an die Zähne mit kritischem Bewusstsein gegen Anekdoten wappnen". Die Warnung lässt sich auf Sprachbilder ausdehnen. Ross' Buch zeigt, wie recht Brendel hat.
Denn je mehr man in die Gedanken- und Ausdruckswelt von Alex Ross eintaucht, desto deutlicher wird erkennbar, wie sehr sich dieser kluge Kopf von seiner überquellenden Phantasie, seinem Hang zu schmückenden Beiwörtern und seiner gelegentlichen Scheu vor präzisen Aussagen zu einer üppigen Sprache gedrängt fühlt, die den Sachverhalt nur allzu gern zugunsten einer hübschen Pirouette beugt. Einmal misstrauisch geworden, bleibt man an jeder attraktiven Formulierung und jedem forschen Bild hängen, um dabei festzustellen, wie viel Blendwerk doch auch in diesem so grandios erscheinenden Buch steckt, dessen deutsche Übersetzung nicht immer sattelfest ist.
So fragt man sich, an welchen Stellen der Partitur und mit welchen Stilmitteln der Feuervogel zum "magischen Gebräu aus russischer Musikhexerei, überlagert von französischen Effekten, erleuchtet von einem unbekannten Faktor - Strawinskys Talent" geworden ist? Man wüsste gern etwas konkreter, wie Stefan George für Arnold Schönberg den Weg "fort von den leichtlebigen Freuden der Wiener Ästhetik" gewiesen hat: "Die Bildwelt des Lyrikers war in ihrer schieren Dichte nur schwer zugänglich, doch im Inneren des Labyrinths lockten sinnliche Geheimnisse." Dass die Partitur von Debussys "Pelléas" den Hörer "in einer Art flüssigem Medium gefangen (halte), in welchem die Psychologien der einzelnen Figuren aufgelöst sind", will nicht so recht einleuchten. Und dass Weberns Arbeiten "zwischen dem Lärm des Lebens und der Stille des Todes schweben", gehört zu jenem rhetorischen Kitsch, den Alex Ross in Weberns Komposition "Im Sommerwind" von 1904 konstatiert, ohne zu begründen, worin er eigentlich bestehe. Und was soll man mit dem Satz anfangen, Terry Riley, Steve Reich und Philip Glass hätten "die Freuden des gleichmäßigen Taktes wiederentdeckt und (seien) so zu einer modernen Tonalität gelangt, die nichts Nostalgisches an sich hatte"?
Man stellt es gerade bei der fraglosen Substanz und den offensichtlichen Möglichkeiten dieses Autors mit großem Bedauern fest: Aber je mehr man von derartigen Passagen liest, desto mehr schwillt einem der Kamm. Das liegt nicht nur an dem fortschreitenden Wildwuchs aus musiktheoretischen Aussagen und metaphorischen Schlussfolgerungen. Es liegt auch an den unterschwelligen Vorurteilen gegen deutsche Musik ("Geschmackspolitiker"), europäischen Intellekt und seriöse Kunstauffassung allgemein ("Neurosen der Moderne"), die fast den Verdacht nähren, unter der Tarnkappe einer blühend-progressiven Sprache verberge sich ein konservativer amerikanischer Geist, der bespöttelt, was er eigentlich als Mangel der eigenen Kultur empfinden müsste.
Es sind gerade die vielen Beispiele für erstaunlich sensible Beobachtungen, von bemerkenswerter Zusammenschau und Hinweisen auf kulturelle Identitäten, die den Ärger über die Nachlässigkeiten im Denken und im Spiel mit schiefen Sprachbildern verstärken. Alex Ross hätte einen kompetenten Gegenleser nötig gehabt und sicherlich auch verdient.
WOLFGANG SANDNER
Alex Ross: "The Rest Is Noise". Das 20. Jahrhundert hören. Aus dem Amerikanischen von Ingo Herzke. Piper Verlag, München 2009. 703 S., geb., 29,95 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eine stupende Geschichtsschreibung der modernen Musik, die das vergangene Jahrhundert hörbar macht: Alex Ross versucht, den Klang der Instrumente mit Worten zu erfassen - eine Gratwanderung.
Von Paul Valéry stammt eine schöne Beschreibung des Lesens, bei dem man sich gelegentlich von den Buchstaben löst, um Erinnerungen und Verknüpfungen von Erinnerungen zu folgen. Das Lesen sei wie eine Flamme, die sich ausbreite, oder wie ein Faden, der von einem zum anderen Ende brenne, wobei es gelegentlich kleine Explosionen und Flackerfunken gebe. Ob sich an diesen kreativen Abschweifungen der Wert eines Buches bemisst, wie Valéry suggeriert, mag dahingestellt bleiben.
Der amerikanische Autor Alex Ross scheint sich jedenfalls bei seiner voluminösen Monographie über die Musik des zwanzigsten Jahrhunderts dieser Eigenart des Lesevorgangs bewusst gewesen zu sein: Er macht die Assoziationen zum integralen Bestandteil seines Buches, das geradezu von Querverweisen und Referenzen lebt. Ross richtet den Blick auf die Musik, aber ins Blickfeld gerät immer auch - und zwar mehr als in anderen Untersuchungen zur Musik dieses Jahrhunderts - ein ganzer Komplex historischer, kulturpolitischer, philosophisch-psychologischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge.
Es ist dieser untrügliche Spürsinn für geschichtliche Konstellationen, der bei der Lektüre des Buches sofort in Bann schlägt. Hinzu kommt eine Erzählhaltung, die wissenschaftlichen Untersuchungen, zumal über so schwierige Themen wie den musikalischen Aufbruch seit Richard Strauss bis hin zu den jüngsten Formen experimenteller Musik, meist abgeht. Der Autor, langjähriger Musikkritiker des "New Yorker", ist ein umfassend gebildeter, keineswegs in den Kategorien von klassischer Musik befangener Chronist von geradezu einschüchternder Universalbildung. Schon ein flüchtiger Blick auf die fünfzehn Kapitel, die dieses monumentale Werk enthält, angefangen vom Fin de Siècle über das Berlin der zwanziger Jahre, die Musik in der Sowjetunion und zur Zeit des Nationalsozialismus, über die Stunde null nach dem Krieg und die Avantgarde der sechziger Jahre, den Jazz und die Minimalisten bis hin zur Musik am Ende des Jahrhunderts und der Zeit nach der Moderne - schon dieses Panorama wird jedem Leser klarmachen, dass er sich auf eine lange Reise durch ein Jahrhundert einrichten muss, das die einfache Frage nach dem, was Musik eigentlich ausmache, neu stellt.
Man beginnt vorsichtig nachzulesen, wer sich alles am 16. Mai 1906 in Graz versammelte, um in der österreichischen Provinz der Uraufführung von "Salome" beizuwohnen, und begreift auch ohne Partitur oder musikalische Geschichtsbücher, allein aus der illustren Schar von Geistesgrößen und politischer Prominenz, dass es sich um ein Kulturereignis von epochalem Rang gehandelt haben muss. Es gehört zu den großen Erzählqualitäten von Alex Ross, aus einer alten Fotografie vom Eingang zum Grazer Opernhaus, auf der neben anderen Richard Strauss und Gustav Mahler zu sehen sind, eine Szene entstehen zu lassen, die die vibrierende Atmosphäre jener Jahre sinnlich erfahrbar macht.
Und nicht nur das. Ross ist auch musikalisch umfassend geschult, kann die Details einer musikalischen Analyse zu Mosaiksteinen einer Theorie des Schönen oder gar zur Gesellschaftsstudie verbinden, wenn er etwa feststellt, dass Strawinsky mit der Sonatenform und den Dur-Moll-Variationen seines Oktetts für Bläser sein altes russisches Ich abgestreift, aber keine neue Identität gefunden habe: "Die neue Objektivität war der alte Ästhetizismus." Oder wenn er die "samtene musikalische Revolution" bei Maurice Ravel preist, der "die Sprache der Musik erneuerte, ohne den öffentlichen Frieden zu stören".
Bei solchen Beispielen einer Verquickung von Sachurteilen, Wertschätzungen und Einbindungen in historisch-soziale Konfigurationen aber beginnt zugleich der Zweifel an dieser stupenden Geschichtsschreibung der modernen Musik, mit der - wie der Untertitel propagiert - ein Jahrhundert hörbar gemacht werden soll. Von Alfred Brendel stammt die Warnung, man möge sich bei der Analyse von Musik oder überhaupt von Kunst "bis an die Zähne mit kritischem Bewusstsein gegen Anekdoten wappnen". Die Warnung lässt sich auf Sprachbilder ausdehnen. Ross' Buch zeigt, wie recht Brendel hat.
Denn je mehr man in die Gedanken- und Ausdruckswelt von Alex Ross eintaucht, desto deutlicher wird erkennbar, wie sehr sich dieser kluge Kopf von seiner überquellenden Phantasie, seinem Hang zu schmückenden Beiwörtern und seiner gelegentlichen Scheu vor präzisen Aussagen zu einer üppigen Sprache gedrängt fühlt, die den Sachverhalt nur allzu gern zugunsten einer hübschen Pirouette beugt. Einmal misstrauisch geworden, bleibt man an jeder attraktiven Formulierung und jedem forschen Bild hängen, um dabei festzustellen, wie viel Blendwerk doch auch in diesem so grandios erscheinenden Buch steckt, dessen deutsche Übersetzung nicht immer sattelfest ist.
So fragt man sich, an welchen Stellen der Partitur und mit welchen Stilmitteln der Feuervogel zum "magischen Gebräu aus russischer Musikhexerei, überlagert von französischen Effekten, erleuchtet von einem unbekannten Faktor - Strawinskys Talent" geworden ist? Man wüsste gern etwas konkreter, wie Stefan George für Arnold Schönberg den Weg "fort von den leichtlebigen Freuden der Wiener Ästhetik" gewiesen hat: "Die Bildwelt des Lyrikers war in ihrer schieren Dichte nur schwer zugänglich, doch im Inneren des Labyrinths lockten sinnliche Geheimnisse." Dass die Partitur von Debussys "Pelléas" den Hörer "in einer Art flüssigem Medium gefangen (halte), in welchem die Psychologien der einzelnen Figuren aufgelöst sind", will nicht so recht einleuchten. Und dass Weberns Arbeiten "zwischen dem Lärm des Lebens und der Stille des Todes schweben", gehört zu jenem rhetorischen Kitsch, den Alex Ross in Weberns Komposition "Im Sommerwind" von 1904 konstatiert, ohne zu begründen, worin er eigentlich bestehe. Und was soll man mit dem Satz anfangen, Terry Riley, Steve Reich und Philip Glass hätten "die Freuden des gleichmäßigen Taktes wiederentdeckt und (seien) so zu einer modernen Tonalität gelangt, die nichts Nostalgisches an sich hatte"?
Man stellt es gerade bei der fraglosen Substanz und den offensichtlichen Möglichkeiten dieses Autors mit großem Bedauern fest: Aber je mehr man von derartigen Passagen liest, desto mehr schwillt einem der Kamm. Das liegt nicht nur an dem fortschreitenden Wildwuchs aus musiktheoretischen Aussagen und metaphorischen Schlussfolgerungen. Es liegt auch an den unterschwelligen Vorurteilen gegen deutsche Musik ("Geschmackspolitiker"), europäischen Intellekt und seriöse Kunstauffassung allgemein ("Neurosen der Moderne"), die fast den Verdacht nähren, unter der Tarnkappe einer blühend-progressiven Sprache verberge sich ein konservativer amerikanischer Geist, der bespöttelt, was er eigentlich als Mangel der eigenen Kultur empfinden müsste.
Es sind gerade die vielen Beispiele für erstaunlich sensible Beobachtungen, von bemerkenswerter Zusammenschau und Hinweisen auf kulturelle Identitäten, die den Ärger über die Nachlässigkeiten im Denken und im Spiel mit schiefen Sprachbildern verstärken. Alex Ross hätte einen kompetenten Gegenleser nötig gehabt und sicherlich auch verdient.
WOLFGANG SANDNER
Alex Ross: "The Rest Is Noise". Das 20. Jahrhundert hören. Aus dem Amerikanischen von Ingo Herzke. Piper Verlag, München 2009. 703 S., geb., 29,95 [Euro].
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