The story of four remarkable women who shaped the intellectual history of the 20th century: Elizabeth Anscombe, Philippa Foot, Mary Midgley, and Iris Murdoch. On the cusp of the Second World War, four women went to Oxford to begin their studies: a fiercely brilliant Catholic convert; a daughter of privilege longing to escape her stifling upbringing; an ardent Communist and aspiring novelist with a list of would-be lovers as long as her arm; and a quiet, messy lover of newts and mice who would become a great public intellectual of our time. They became lifelong friends. At the time, only a handful of women had ever made lives in philosophy. But when Oxford's men were drafted in the war, everything changed. As Elizabeth Anscombe, Philippa Foot, Mary Midgley, and Iris Murdoch labored to make a place for themselves in a male-dominated world, as they made friendships and families, and as they drifted toward and away from each other, they never stopped insisting that some lives are better than others. They argued that courage and discernment and justice--and love--are the heart of a good life. This book presents the first sustained engagement with these women's contributions: with the critique and the alternative they framed. Drawing on a cluster of recently opened archives and extensive correspondence and interviews with those who knew them best, Benjamin Lipscomb traces the lives and ideas of four friends who gave us a better way to think about ethics, and ourselves.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.07.2022Attacken in Oxford
Zur eigenen Stimme finden in einer Männerdomäne: Zwei Bücher widmen sich vier englischen Philosophinnen, die prominente Positionen ins Visier nahmen.
Philosophische Aussagen erheben gewöhnlich Anspruch auf Allgemeingültigkeit, entspringen aber stets einem spezifischen Kontext. Gleich zwei Bücher widmen sich nun vier bedeutenden Philosophinnen, deren Lebenswege sich in einem prägenden historischen Moment kreuzten. Als die Universität Oxford mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in den Notbetrieb wechselte und ein Großteil der männlichen Studenten sowie viele Wissenschaftler zum Militär gingen, blieben Elizabeth Anscombe, Philippa Foot (damals: Bosanquet), Iris Murdoch und Mary Midgley (damals: Scrutton) zurück. Die jungen Frauen erlebten eine jäh aus den tradierten Abläufen gerissene Universität: Collegegebäude wurden für die Versorgung Verwundeter requiriert, mit geflüchteten Intellektuellen aus Mitteleuropa hielten neue Lehrformate Einzug, und die Studentinnen waren plötzlich in der Überzahl. Es war dieses besondere Umfeld, in dem sie zur Philosophie fanden und Freundschaften miteinander formten, die teils ein Leben lang hielten. Und im Oxford der Nachkriegsjahre nahmen dann ihre eigenen philosophischen Arbeiten Gestalt an.
Anscombe und Foot zählen zu den einflussreichsten Stimmen in der Philosophie der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, Murdoch und Midgley waren bedeutende Intellektuelle ihrer Zeit. Alle vier gelten mit Recht als Wegbereiterinnen für Frauen in einem traditionell von Männern dominierten Fach. Ein Porträt ihrer gemeinsamen Zeit in Oxford ist daher ein naheliegendes Sujet, und es ist erfreulich, dass sich daran nun gleich zwei Bücher versuchen: "The Quartet. Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten" aus der Feder der Philosophinnen Clare Mac Cumhaill und Rachael Wiseman sowie Benjamin J. B. Lipscombs "The Women Are Up to Something", das bisher nur auf Englisch vorliegt.
Das zentrale Narrativ beider Bücher: Die kriegsbedingte Abwesenheit der Männer ermöglichte es den Protagonistinnen erst, ihre eigene philosophische Stimme zu entwickeln. In der Folge und vor dem Hintergrund der Zäsur des Weltkriegs und der Schoah gingen sie zum Angriff auf die in Oxford vorherrschende Philosophie über - allem voran eine Lehre der Metaethik, laut der ethische Aussagen eigentlich gar keine Aussagen sind und somit auch keinen Wahrheitswert haben. Auf unterschiedliche Arten entwickelten sie Ansätze, um die Ethik wieder auf ein solides Fundament zurückzuführen (Lipscomb) beziehungsweise um der Mystik und der Metaphysik wieder Raum zu geben (Cumhaill und Wiseman).
Als unmittelbare Widersacher des Quartetts identifizieren die Bücher die Philosophen A. J. Ayer und Richard Hare, als eigentlichen Gegenspieler nichts weniger als ein antiaristotelisches Weltbild. Ayer und Hare waren führende Vertreter der in Oxford vorherrschenden Sprachphilosophie, die von den Logischen Positivisten des Wiener Kreises inspiriert war. In Zuge der Versuche in den Zwanzigerjahren, die Philosophie wissenschaftlicher zu machen, vertraten diese Autoren die These, dass eine Aussage nur dann sinnhaft ist, wenn sie sich - zumindest im Prinzip - verifizieren (oder falsifizieren) lässt. Für die Ethik folgt daraus ein Paradox. Einerseits ist unklar, nach welchem objektiven Standard wir ethische Aussagen, etwa über richtiges Handeln, auf ihre Wahrheit überprüfen könnten; andererseits scheinen wir über diese Aussagen sehr wohl zu streiten, sie also nicht einfach als sinnlos anzusehen.
Ayer löste diesen vermeintlichen Widerspruch durch die Behauptung auf, dass es streng genommen gar keine ethischen Aussagen gibt. Was wir für solche Aussagen halten - etwa, wenn wir über die Abschaffung der Todesstrafe streiten -, sind nur Ausdrücke der Zustimmung oder Ablehnung, vergleichbar mit Jubelschreien und Buhrufen. Hares alternative Lösung bestand in der These, dass die ethische Sprache stets präskriptiv sei, jedes moralische Urteil also einen Befehl enthalte. Wenn ich behaupte, ich solle einem Bettler Geld geben, impliziert diese Aussage das Gebot, dass jede Person in vergleichbaren Umständen genauso handle. Hare kann so zwar erklären, warum wir moralische Positionen rechtfertigen, doch auch für ihn kann die Aussage "Man soll nicht foltern" keine objektive Wahrheit beschreiben.
Mit diesem Verständnis der Ethik haderten die vier porträtierten Philosophinnen, und in den Augen ihrer Biographen stemmten sie sich damit zugleich gegen ein mächtiges Denkmuster. Denn im Gegensatz zu Aristoteles, der die Welt als in ihrem Wesen organisch verstand und den Dingen inhärente Ziele zuschrieb, vermittelt die moderne Wissenschaft das Bild einer Welt, in der die Dinge für sich genommen auf nichts ausgerichtet sind, sondern erst durch externe Anstöße in Bewegung geraten. Mit diesem Verständnis einer von jedem Telos befreiten Welt (Lipscomb nennt es das "Billard-Kugel-Universum") drängt sich eine kategorische Unterscheidung zwischen Fakten und Werten geradezu auf. Diese aber provoziert dann die Frage, was das Wesen moralischer Tatsachen ist und wie wir über sie je Erkenntnisse gewinnen können - und von dort ist es bloß ein kleiner Schritt zu der skeptischen Position von Ayer und Hare.
Es ist nicht ohne Risiko, die vier Philosophinnen in einer einheitlichen Geschichte zu behandeln. Anscombe zum Beispiel, deren von Jugend an resolute Art Gegenstand vieler Anekdoten ist, hätte ihren Ideen wohl auch im Männerfeld der Vorkriegsjahre Gehör verschafft. Und allem Austausch zum Trotz verfolgten die vier Frauen kein kohärentes, gemeinsames Projekt - dafür waren ihre intellektuellen Temperamente viel zu unterschiedlich. Unstrittig aber ist, dass jede von ihnen einen Beitrag dazu leistete, dominante Positionen der zeitgenössischen Philosophie zu attackieren und Alternativen aufzuzeigen.
Auf die akademischen Debatten hatten dabei vor allem Anscombe und Foot großen Einfluss. Sie entwickelten eine Position der Tugendethik, die statt der Richtigkeit einzelner Handlungen die Kultivierung charakterlicher Tugenden und das erfüllte Leben ins Zentrum der Ethik rückt. Damit knüpften sie an jene aristotelische Position an, die bis in die frühe Neuzeit dominant war und für die sich ethische Antworten aus dem Charakter des menschlichen Wesens ergeben. Midgley und Murdoch entfalteten vor allem in der breiteren Öffentlichkeit Wirkung. Midgley verband die Idee des erfüllten Lebens mit konkreten, auf Kenntnisse der Biologie gestützten Überlegungen dazu, was für eine Art Wesen wir eigentlich sind. Murdoch betonte vor allem die moralische Bedeutung des Wahrnehmens unseres Gegenübers und die Fähigkeit, an schwierigen Situationen ethisch zu wachsen (etwas, für das in ihren Augen Ayer und Hare ebenso wenig Raum ließen wie die französischen Existentialisten), und führte dies auch in ihren literarischen Schriften vor.
Mindestens ebenso beeindruckend wie das Verbindende dieser vier Frauen (ihre Unerschrockenheit in der intellektuellen Auseinandersetzung, ihr politisches Engagement, ihre Leidenschaft fürs Unterrichten) sind jedoch die Unterschiede - und die Tatsache, dass die meisten untereinander trotzdem eine tiefe intellektuelle Freundschaft verband. Da ist Anscombe, die kettenrauchende Katholikin, die mit allen Konventionen bricht und neben ihrer eigenen Arbeit Wittgensteins Nachlass verwaltet, vor Abtreibungskliniken demonstriert und sieben Kinder großzieht. Dagegen Foot, kinderlos, Enkelin eines amerikanischen Präsidenten, die etwas Aristokratisches ausstrahlt und in ihrem Einsatz für Oxfam ebenso unermüdlich ist wie in ihrer philosophischen Arbeit. Dann Midgley, die neben einer publizistischen Tätigkeit zunächst Hausfrau wird, dafür dann noch mit Mitte neunzig auf dem Literaturfestival in Hay-on-Wye auftritt und Monographien publiziert. Schließlich Murdoch, die in der Universität nie so ganz ihre Heimat findet und als bisexuelle Frau in offener Ehe ein unkonventionelles Leben führt.
Es ist keine leichte Aufgabe, vier so facettenreichen Frauen in einem Buch gerecht zu werden. Mac Cumhaill und Wiseman gelingt es nur teilweise. Zu sehr wollen sie ihre Leserschaft an die Hand nehmen, stützen sie sich auf ausgeschmückte Szenen, die Nähe bloß suggerieren. Da rückt Foot ein Kissen zurecht, Murdoch betrachtet den "riesigen Mond", und mitunter erfinden die Autorinnen ganze Dialoge ("Wir wissen nicht genau, was gesprochen wurde, aber man kann es sich gut vorstellen"). Die Frauen, immerhin einige der schlagfertigsten Intellektuellen ihrer Zeit, werden mit Vornamen angesprochen, und am Ende heißt es über unsere "vier Freundinnen": "Wir haben gesehen, wie sie wuchsen, heranreiften und wie sie zu erkennen versuchten, worauf es im menschlichen Leben wirklich ankommt."
Lipscomb dagegen trifft den richtigen Ton: einfühlsam, aber nicht aufdringlich, stets klar und mit einer treffenden Balance zwischen Erzählung, wörtlichen Zitaten und fachlicher Einordnung. Über einzelne philosophische Zuschreibungen mag man streiten, aber als Biograph ist Lipscomb ein echtes Meisterstück gelungen. Einer stets auf das Allgemeine ausgerichteten Philosophie stellt er so nebenbei ein eindrückliches Bild zur Seite: das von vier Frauen, deren Biographien die Mannigfaltigkeit menschlichen Lebens und Denkens, aber auch des Füreinander-Sorge-Tragens imposant vor Augen führen. FRIEDEMANN BIEBER
Clare Mac Cumhaill und Rachael Wiseman: "The Quartet". Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten.
Aus dem Englischen von J. Hagestedt, F. Lachmann und A. Thomsen. Verlag C. H. Beck, München 2022. 504 S., Abb., geb., 26,95 Euro.
Benjamin J. B. Lipscomb: "The Women Are Up to Something". How Elizabeth Anscombe, Philippa Foot, Mary Midgley, and Iris Murdoch revolutionized Ethics.
Oxford University Press, Oxford 2021. 344 S., geb., 24,90 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zur eigenen Stimme finden in einer Männerdomäne: Zwei Bücher widmen sich vier englischen Philosophinnen, die prominente Positionen ins Visier nahmen.
Philosophische Aussagen erheben gewöhnlich Anspruch auf Allgemeingültigkeit, entspringen aber stets einem spezifischen Kontext. Gleich zwei Bücher widmen sich nun vier bedeutenden Philosophinnen, deren Lebenswege sich in einem prägenden historischen Moment kreuzten. Als die Universität Oxford mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in den Notbetrieb wechselte und ein Großteil der männlichen Studenten sowie viele Wissenschaftler zum Militär gingen, blieben Elizabeth Anscombe, Philippa Foot (damals: Bosanquet), Iris Murdoch und Mary Midgley (damals: Scrutton) zurück. Die jungen Frauen erlebten eine jäh aus den tradierten Abläufen gerissene Universität: Collegegebäude wurden für die Versorgung Verwundeter requiriert, mit geflüchteten Intellektuellen aus Mitteleuropa hielten neue Lehrformate Einzug, und die Studentinnen waren plötzlich in der Überzahl. Es war dieses besondere Umfeld, in dem sie zur Philosophie fanden und Freundschaften miteinander formten, die teils ein Leben lang hielten. Und im Oxford der Nachkriegsjahre nahmen dann ihre eigenen philosophischen Arbeiten Gestalt an.
Anscombe und Foot zählen zu den einflussreichsten Stimmen in der Philosophie der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, Murdoch und Midgley waren bedeutende Intellektuelle ihrer Zeit. Alle vier gelten mit Recht als Wegbereiterinnen für Frauen in einem traditionell von Männern dominierten Fach. Ein Porträt ihrer gemeinsamen Zeit in Oxford ist daher ein naheliegendes Sujet, und es ist erfreulich, dass sich daran nun gleich zwei Bücher versuchen: "The Quartet. Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten" aus der Feder der Philosophinnen Clare Mac Cumhaill und Rachael Wiseman sowie Benjamin J. B. Lipscombs "The Women Are Up to Something", das bisher nur auf Englisch vorliegt.
Das zentrale Narrativ beider Bücher: Die kriegsbedingte Abwesenheit der Männer ermöglichte es den Protagonistinnen erst, ihre eigene philosophische Stimme zu entwickeln. In der Folge und vor dem Hintergrund der Zäsur des Weltkriegs und der Schoah gingen sie zum Angriff auf die in Oxford vorherrschende Philosophie über - allem voran eine Lehre der Metaethik, laut der ethische Aussagen eigentlich gar keine Aussagen sind und somit auch keinen Wahrheitswert haben. Auf unterschiedliche Arten entwickelten sie Ansätze, um die Ethik wieder auf ein solides Fundament zurückzuführen (Lipscomb) beziehungsweise um der Mystik und der Metaphysik wieder Raum zu geben (Cumhaill und Wiseman).
Als unmittelbare Widersacher des Quartetts identifizieren die Bücher die Philosophen A. J. Ayer und Richard Hare, als eigentlichen Gegenspieler nichts weniger als ein antiaristotelisches Weltbild. Ayer und Hare waren führende Vertreter der in Oxford vorherrschenden Sprachphilosophie, die von den Logischen Positivisten des Wiener Kreises inspiriert war. In Zuge der Versuche in den Zwanzigerjahren, die Philosophie wissenschaftlicher zu machen, vertraten diese Autoren die These, dass eine Aussage nur dann sinnhaft ist, wenn sie sich - zumindest im Prinzip - verifizieren (oder falsifizieren) lässt. Für die Ethik folgt daraus ein Paradox. Einerseits ist unklar, nach welchem objektiven Standard wir ethische Aussagen, etwa über richtiges Handeln, auf ihre Wahrheit überprüfen könnten; andererseits scheinen wir über diese Aussagen sehr wohl zu streiten, sie also nicht einfach als sinnlos anzusehen.
Ayer löste diesen vermeintlichen Widerspruch durch die Behauptung auf, dass es streng genommen gar keine ethischen Aussagen gibt. Was wir für solche Aussagen halten - etwa, wenn wir über die Abschaffung der Todesstrafe streiten -, sind nur Ausdrücke der Zustimmung oder Ablehnung, vergleichbar mit Jubelschreien und Buhrufen. Hares alternative Lösung bestand in der These, dass die ethische Sprache stets präskriptiv sei, jedes moralische Urteil also einen Befehl enthalte. Wenn ich behaupte, ich solle einem Bettler Geld geben, impliziert diese Aussage das Gebot, dass jede Person in vergleichbaren Umständen genauso handle. Hare kann so zwar erklären, warum wir moralische Positionen rechtfertigen, doch auch für ihn kann die Aussage "Man soll nicht foltern" keine objektive Wahrheit beschreiben.
Mit diesem Verständnis der Ethik haderten die vier porträtierten Philosophinnen, und in den Augen ihrer Biographen stemmten sie sich damit zugleich gegen ein mächtiges Denkmuster. Denn im Gegensatz zu Aristoteles, der die Welt als in ihrem Wesen organisch verstand und den Dingen inhärente Ziele zuschrieb, vermittelt die moderne Wissenschaft das Bild einer Welt, in der die Dinge für sich genommen auf nichts ausgerichtet sind, sondern erst durch externe Anstöße in Bewegung geraten. Mit diesem Verständnis einer von jedem Telos befreiten Welt (Lipscomb nennt es das "Billard-Kugel-Universum") drängt sich eine kategorische Unterscheidung zwischen Fakten und Werten geradezu auf. Diese aber provoziert dann die Frage, was das Wesen moralischer Tatsachen ist und wie wir über sie je Erkenntnisse gewinnen können - und von dort ist es bloß ein kleiner Schritt zu der skeptischen Position von Ayer und Hare.
Es ist nicht ohne Risiko, die vier Philosophinnen in einer einheitlichen Geschichte zu behandeln. Anscombe zum Beispiel, deren von Jugend an resolute Art Gegenstand vieler Anekdoten ist, hätte ihren Ideen wohl auch im Männerfeld der Vorkriegsjahre Gehör verschafft. Und allem Austausch zum Trotz verfolgten die vier Frauen kein kohärentes, gemeinsames Projekt - dafür waren ihre intellektuellen Temperamente viel zu unterschiedlich. Unstrittig aber ist, dass jede von ihnen einen Beitrag dazu leistete, dominante Positionen der zeitgenössischen Philosophie zu attackieren und Alternativen aufzuzeigen.
Auf die akademischen Debatten hatten dabei vor allem Anscombe und Foot großen Einfluss. Sie entwickelten eine Position der Tugendethik, die statt der Richtigkeit einzelner Handlungen die Kultivierung charakterlicher Tugenden und das erfüllte Leben ins Zentrum der Ethik rückt. Damit knüpften sie an jene aristotelische Position an, die bis in die frühe Neuzeit dominant war und für die sich ethische Antworten aus dem Charakter des menschlichen Wesens ergeben. Midgley und Murdoch entfalteten vor allem in der breiteren Öffentlichkeit Wirkung. Midgley verband die Idee des erfüllten Lebens mit konkreten, auf Kenntnisse der Biologie gestützten Überlegungen dazu, was für eine Art Wesen wir eigentlich sind. Murdoch betonte vor allem die moralische Bedeutung des Wahrnehmens unseres Gegenübers und die Fähigkeit, an schwierigen Situationen ethisch zu wachsen (etwas, für das in ihren Augen Ayer und Hare ebenso wenig Raum ließen wie die französischen Existentialisten), und führte dies auch in ihren literarischen Schriften vor.
Mindestens ebenso beeindruckend wie das Verbindende dieser vier Frauen (ihre Unerschrockenheit in der intellektuellen Auseinandersetzung, ihr politisches Engagement, ihre Leidenschaft fürs Unterrichten) sind jedoch die Unterschiede - und die Tatsache, dass die meisten untereinander trotzdem eine tiefe intellektuelle Freundschaft verband. Da ist Anscombe, die kettenrauchende Katholikin, die mit allen Konventionen bricht und neben ihrer eigenen Arbeit Wittgensteins Nachlass verwaltet, vor Abtreibungskliniken demonstriert und sieben Kinder großzieht. Dagegen Foot, kinderlos, Enkelin eines amerikanischen Präsidenten, die etwas Aristokratisches ausstrahlt und in ihrem Einsatz für Oxfam ebenso unermüdlich ist wie in ihrer philosophischen Arbeit. Dann Midgley, die neben einer publizistischen Tätigkeit zunächst Hausfrau wird, dafür dann noch mit Mitte neunzig auf dem Literaturfestival in Hay-on-Wye auftritt und Monographien publiziert. Schließlich Murdoch, die in der Universität nie so ganz ihre Heimat findet und als bisexuelle Frau in offener Ehe ein unkonventionelles Leben führt.
Es ist keine leichte Aufgabe, vier so facettenreichen Frauen in einem Buch gerecht zu werden. Mac Cumhaill und Wiseman gelingt es nur teilweise. Zu sehr wollen sie ihre Leserschaft an die Hand nehmen, stützen sie sich auf ausgeschmückte Szenen, die Nähe bloß suggerieren. Da rückt Foot ein Kissen zurecht, Murdoch betrachtet den "riesigen Mond", und mitunter erfinden die Autorinnen ganze Dialoge ("Wir wissen nicht genau, was gesprochen wurde, aber man kann es sich gut vorstellen"). Die Frauen, immerhin einige der schlagfertigsten Intellektuellen ihrer Zeit, werden mit Vornamen angesprochen, und am Ende heißt es über unsere "vier Freundinnen": "Wir haben gesehen, wie sie wuchsen, heranreiften und wie sie zu erkennen versuchten, worauf es im menschlichen Leben wirklich ankommt."
Lipscomb dagegen trifft den richtigen Ton: einfühlsam, aber nicht aufdringlich, stets klar und mit einer treffenden Balance zwischen Erzählung, wörtlichen Zitaten und fachlicher Einordnung. Über einzelne philosophische Zuschreibungen mag man streiten, aber als Biograph ist Lipscomb ein echtes Meisterstück gelungen. Einer stets auf das Allgemeine ausgerichteten Philosophie stellt er so nebenbei ein eindrückliches Bild zur Seite: das von vier Frauen, deren Biographien die Mannigfaltigkeit menschlichen Lebens und Denkens, aber auch des Füreinander-Sorge-Tragens imposant vor Augen führen. FRIEDEMANN BIEBER
Clare Mac Cumhaill und Rachael Wiseman: "The Quartet". Wie vier Frauen die Philosophie zurück ins Leben brachten.
Aus dem Englischen von J. Hagestedt, F. Lachmann und A. Thomsen. Verlag C. H. Beck, München 2022. 504 S., Abb., geb., 26,95 Euro.
Benjamin J. B. Lipscomb: "The Women Are Up to Something". How Elizabeth Anscombe, Philippa Foot, Mary Midgley, and Iris Murdoch revolutionized Ethics.
Oxford University Press, Oxford 2021. 344 S., geb., 24,90 Euro.
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