On mainstream social media platforms, far-right women make extremism relatable. They share Instagram stories about organic foods that help pregnant women propagate the "pure" white race and post behind-the-scenes selfies at antivaccination rallies. These social media personalities model a feminine lifestyle, at once promoting their personal brands and radicalizing their followers. Amid discussions of issues like dating, marriage, and family life, they call on women to become housewives to counteract the corrosive effects of feminism and champion the Great Replacement conspiracy theory, which motivated massacres in Christchurch, El Paso, and Buffalo.
Eviane Leidig offers an in-depth look into the world of far-right women influencers, exploring the digital lives they cultivate as they seek new recruits for white nationalism. Going beyond stereotypes of the typical male white supremacist, she uncovers how young, attractive women are playing key roles as propagandists, organizers, fundraisers, and entrepreneurs. Leidig argues that far-right women are marketing themselves as authentic and accessible in order to reach new followers and spread a hateful ideology. This insidious-and highly gendered-strategy takes advantage of the structure of social media platforms, where far-right women influencers' content is shared with and promoted to mainstream audiences. Providing much-needed expertise on gender and the far right, this timely and accessible book also details online and offline approaches to countering extremism.
Eviane Leidig offers an in-depth look into the world of far-right women influencers, exploring the digital lives they cultivate as they seek new recruits for white nationalism. Going beyond stereotypes of the typical male white supremacist, she uncovers how young, attractive women are playing key roles as propagandists, organizers, fundraisers, and entrepreneurs. Leidig argues that far-right women are marketing themselves as authentic and accessible in order to reach new followers and spread a hateful ideology. This insidious-and highly gendered-strategy takes advantage of the structure of social media platforms, where far-right women influencers' content is shared with and promoted to mainstream audiences. Providing much-needed expertise on gender and the far right, this timely and accessible book also details online and offline approaches to countering extremism.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.01.2024Die Botschaften der Tradwives
Eviane Leidig stellt rechtsradikale Influencerinnen vor, darunter Martin Sellners Ehefrau Brittany
Eine junge Frau sitzt im Wohnzimmer, perfekt geschminkt und frisiert. Im Plauderton spricht sie direkt in die Kamera, als würde sie eine Nachricht für eine Freundin aufnehmen. Zehntausende Influencerinnen auf Youtube oder Instagram kommen so daher, erklären, wie man sich richtig schminkt - oder sich richtig trennt. Nicht die Amerikanerin Brittany Sellner: Bei ihr geht es um einsame Feministinnen, niedrige Spermienraten und um das "Great Replacement", die Vorstellung, dass Weiße "verdrängt" würden. "Vielleicht sind Frauen ja so unglücklich, weil der Feminismus gar nicht in ihrem Interesse handelt", sinniert die 31-Jährige auf Youtube. "Kriegt viele weiße Kinder, damit Weiße 2042 nicht in der Minderheit sind", schrieb sie bei Twitter.
Sellner ist eine der rechtsradikalen Frauen, die Eviane Leidig in ihrem Buch "Women of the Far Right" vorstellt. Als Leidig es vergangenes Jahr veröffentlichte, war Sellners österreichischer Ehemann Martin schon als Chefideologe der Identitären Bewegung bekannt. Inzwischen kennen ihn auch Millionen Deutsche: Beim "Geheimtreffen" mit AfD- und CDU-Mitgliedern Ende November soll er einen Plan zur Vertreibung großer Gruppen von Menschen mit Migrationsgeschichte vorgestellt haben. Wo Martin Sellner markige Reden voller menschenfeindlicher Visionen hält, serviert seine Frau die gemeinsame Ideologie so gefällig wie Urlaubstipps. Brittany Sellners Instagram-Account sieht aus wie der von vielen Frauen. Sie posiert vor Berg und Strand, trägt schöne Kleider, hält bei innigen Umarmungen mit dem Ehemann die Selfie-Kamera drauf. Ab und zu zeigt sie dazwischen anderes, zum Beispiel eine Demonstration gegen "Zwangsimpfungen" in Wien vor einem Jahr. "Wir sind der Antikörper. Gegen dieses System", steht auf dem Spruchband, vor dem Sellner lächelnd posiert.
Die Mischung aus nahbarer Selbstinszenierung und fast beiläufig eingestreuten ideologischen Botschaften sei die Masche der rechten Influencerinnen, so Leidig. Sie nimmt den Leser mit auf eine Reise durch bunte Instagram-Accounts und niedlich dekorierte Youtube-Channel, alle im Dienst rechter und rassistischer Propaganda. Die meisten stammen von Amerikanerinnen oder Kanadierinnen wie Lauren Chen und Ayla Stewart. Gern beschreiben diese Frauen ein "Erwachen", bei dem sie sich von der liberalen Welt verabschiedet und sich "traditionellen Werten" zugewandt hätten. Zwischen die persönlichen Geschichten werden die politischen Anliegen platziert: gegen Schwangerschaftsabbrüche, für eine sehr repressive Einwanderungspolitik, gegen den Sozialstaat.
Nicht selten verbreiten die Frauen auch antisemitische Phantasmen. Sellner bezog sich zum Beispiel auf die Parole, die amerikanische Politik werde vom Milliardär George Soros kontrolliert. So verpackt sie für eine andere Zielgruppe, was auch ihr Ehemann seinen Anhängern bietet: ein Gemisch aus Verschwörungserzählungen, Rassismus und Aufwiegelei. Die Ideologie kommt im Gewand der freundlichen "tradwife" daher, einer Frau, die selbstverständlich für die Karriere ihres Mannes zurücksteckt, aber in diesem Fall doch mehrere Bücher geschrieben und sich online einen Namen gemacht hat.
Leidig beschreibt, wie sie immer tiefer in die Onlinewelt der rechten Frauen eintauchte. Dabei stellte sie gelegentlich fest, dass der freundliche Auftritt der Influencerinnen seine Wirkung bei ihr nicht ganz verfehlte. Manchmal fühlte sie sich mit einer Frau verbunden, die in einer ähnlichen Lebensphase steckte und über Alltagsprobleme nachdachte wie sie, schreibt Leidig, die an der Tilburg-Universität in den Niederlanden über Extremismus forscht. Genau in diesen Gemeinsamkeiten liege das Erfolgsgeheimnis von Frauen wie Sellner, die über verschiedene Kanäle Hunderttausende Menschen erreicht.
Wie andere Influencerinnen setzen rechte Frauen auf Tiktok oder Youtube auf zwischenmenschliche Kontakte mit ihrer "community" oder die Illusion derselben. Durch das Reden über Schönheitstipps, Reisen, Probleme in der Schwangerschaft und vieles andere mehr schaffen die Online-Persönlichkeiten eine Form von Vertrautheit, die oft als "networked intimacy" bezeichnet wird. Die Vertrautheit ist für viele "digital natives" dabei genauso authentisch wie offline. Für den Rechtsradikalismus, der früher auf Hinterzimmer, auf konspirativen Konzerttourismus oder auf männerdominierte Chatforen angewiesen war, sind die Influencerinnen Teil einer erfolgreichen Verbreiterung.
Besonders interessant ist Leidigs Buch dort, wo sie die vielen internationalen Verbindungen der rechten Frauen beschreibt. Nicht nur die Ehe der Sellners steht dafür. Rebecca Hargraves und Robyn Riley, zwei rechte Influencerinnen, flogen zum Beispiel nach Budapest, um Kontakte zu ungarischen Gesinnungsgenossen zu pflegen. Lana Lokteff, eine rechtsextreme Mode-Unternehmerin aus Oregon, sprach auf einer Konferenz der Identitären in Stockholm. Lauren Southern, eine bekannte kanadische Rechtsradikale, besuchte Brexit-Anführer Nigel Farage in England und hielt eine Rede beim Vlaams Belang in Belgien. Und Brittany Sellner traf sich in Moskau mit dem rechtsextremen Philosophen Alexander Dugin.
Wie den Männern geht es den rechten Frauen um gesellschaftlichen und politischen Einfluss. Leidig beschreibt, dass manche von ihnen in Regionalparlamente gewählt werden wollen. Dass auch weibliche Rechte und Neonazis nach Macht strebten, sei ihre Achillesferse, meint sie, schließlich stellten sich manche Frauen dadurch gegen die selbst propagierten Ideale. Eine "tradwife" soll eben zu Hause arbeiten und damit glücklich sein. Indem viele rechte Frauen an die Öffentlichkeit drängten und eigentlich Politikerinnen sein wollten, riskierten sie Konflikte mit den Männern. Darin liege eine potentielle Schwachstelle der rechten Bewegungen - und damit auch ein Element der Hoffnung für Demokraten. FRAUKE STEFFENS
Eviane Leidig: "The Woman of the Far Right". Social Media Influencers and Online Radicalization.
Columbia University Press, New York 2023. 276 S., br., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Eviane Leidig stellt rechtsradikale Influencerinnen vor, darunter Martin Sellners Ehefrau Brittany
Eine junge Frau sitzt im Wohnzimmer, perfekt geschminkt und frisiert. Im Plauderton spricht sie direkt in die Kamera, als würde sie eine Nachricht für eine Freundin aufnehmen. Zehntausende Influencerinnen auf Youtube oder Instagram kommen so daher, erklären, wie man sich richtig schminkt - oder sich richtig trennt. Nicht die Amerikanerin Brittany Sellner: Bei ihr geht es um einsame Feministinnen, niedrige Spermienraten und um das "Great Replacement", die Vorstellung, dass Weiße "verdrängt" würden. "Vielleicht sind Frauen ja so unglücklich, weil der Feminismus gar nicht in ihrem Interesse handelt", sinniert die 31-Jährige auf Youtube. "Kriegt viele weiße Kinder, damit Weiße 2042 nicht in der Minderheit sind", schrieb sie bei Twitter.
Sellner ist eine der rechtsradikalen Frauen, die Eviane Leidig in ihrem Buch "Women of the Far Right" vorstellt. Als Leidig es vergangenes Jahr veröffentlichte, war Sellners österreichischer Ehemann Martin schon als Chefideologe der Identitären Bewegung bekannt. Inzwischen kennen ihn auch Millionen Deutsche: Beim "Geheimtreffen" mit AfD- und CDU-Mitgliedern Ende November soll er einen Plan zur Vertreibung großer Gruppen von Menschen mit Migrationsgeschichte vorgestellt haben. Wo Martin Sellner markige Reden voller menschenfeindlicher Visionen hält, serviert seine Frau die gemeinsame Ideologie so gefällig wie Urlaubstipps. Brittany Sellners Instagram-Account sieht aus wie der von vielen Frauen. Sie posiert vor Berg und Strand, trägt schöne Kleider, hält bei innigen Umarmungen mit dem Ehemann die Selfie-Kamera drauf. Ab und zu zeigt sie dazwischen anderes, zum Beispiel eine Demonstration gegen "Zwangsimpfungen" in Wien vor einem Jahr. "Wir sind der Antikörper. Gegen dieses System", steht auf dem Spruchband, vor dem Sellner lächelnd posiert.
Die Mischung aus nahbarer Selbstinszenierung und fast beiläufig eingestreuten ideologischen Botschaften sei die Masche der rechten Influencerinnen, so Leidig. Sie nimmt den Leser mit auf eine Reise durch bunte Instagram-Accounts und niedlich dekorierte Youtube-Channel, alle im Dienst rechter und rassistischer Propaganda. Die meisten stammen von Amerikanerinnen oder Kanadierinnen wie Lauren Chen und Ayla Stewart. Gern beschreiben diese Frauen ein "Erwachen", bei dem sie sich von der liberalen Welt verabschiedet und sich "traditionellen Werten" zugewandt hätten. Zwischen die persönlichen Geschichten werden die politischen Anliegen platziert: gegen Schwangerschaftsabbrüche, für eine sehr repressive Einwanderungspolitik, gegen den Sozialstaat.
Nicht selten verbreiten die Frauen auch antisemitische Phantasmen. Sellner bezog sich zum Beispiel auf die Parole, die amerikanische Politik werde vom Milliardär George Soros kontrolliert. So verpackt sie für eine andere Zielgruppe, was auch ihr Ehemann seinen Anhängern bietet: ein Gemisch aus Verschwörungserzählungen, Rassismus und Aufwiegelei. Die Ideologie kommt im Gewand der freundlichen "tradwife" daher, einer Frau, die selbstverständlich für die Karriere ihres Mannes zurücksteckt, aber in diesem Fall doch mehrere Bücher geschrieben und sich online einen Namen gemacht hat.
Leidig beschreibt, wie sie immer tiefer in die Onlinewelt der rechten Frauen eintauchte. Dabei stellte sie gelegentlich fest, dass der freundliche Auftritt der Influencerinnen seine Wirkung bei ihr nicht ganz verfehlte. Manchmal fühlte sie sich mit einer Frau verbunden, die in einer ähnlichen Lebensphase steckte und über Alltagsprobleme nachdachte wie sie, schreibt Leidig, die an der Tilburg-Universität in den Niederlanden über Extremismus forscht. Genau in diesen Gemeinsamkeiten liege das Erfolgsgeheimnis von Frauen wie Sellner, die über verschiedene Kanäle Hunderttausende Menschen erreicht.
Wie andere Influencerinnen setzen rechte Frauen auf Tiktok oder Youtube auf zwischenmenschliche Kontakte mit ihrer "community" oder die Illusion derselben. Durch das Reden über Schönheitstipps, Reisen, Probleme in der Schwangerschaft und vieles andere mehr schaffen die Online-Persönlichkeiten eine Form von Vertrautheit, die oft als "networked intimacy" bezeichnet wird. Die Vertrautheit ist für viele "digital natives" dabei genauso authentisch wie offline. Für den Rechtsradikalismus, der früher auf Hinterzimmer, auf konspirativen Konzerttourismus oder auf männerdominierte Chatforen angewiesen war, sind die Influencerinnen Teil einer erfolgreichen Verbreiterung.
Besonders interessant ist Leidigs Buch dort, wo sie die vielen internationalen Verbindungen der rechten Frauen beschreibt. Nicht nur die Ehe der Sellners steht dafür. Rebecca Hargraves und Robyn Riley, zwei rechte Influencerinnen, flogen zum Beispiel nach Budapest, um Kontakte zu ungarischen Gesinnungsgenossen zu pflegen. Lana Lokteff, eine rechtsextreme Mode-Unternehmerin aus Oregon, sprach auf einer Konferenz der Identitären in Stockholm. Lauren Southern, eine bekannte kanadische Rechtsradikale, besuchte Brexit-Anführer Nigel Farage in England und hielt eine Rede beim Vlaams Belang in Belgien. Und Brittany Sellner traf sich in Moskau mit dem rechtsextremen Philosophen Alexander Dugin.
Wie den Männern geht es den rechten Frauen um gesellschaftlichen und politischen Einfluss. Leidig beschreibt, dass manche von ihnen in Regionalparlamente gewählt werden wollen. Dass auch weibliche Rechte und Neonazis nach Macht strebten, sei ihre Achillesferse, meint sie, schließlich stellten sich manche Frauen dadurch gegen die selbst propagierten Ideale. Eine "tradwife" soll eben zu Hause arbeiten und damit glücklich sein. Indem viele rechte Frauen an die Öffentlichkeit drängten und eigentlich Politikerinnen sein wollten, riskierten sie Konflikte mit den Männern. Darin liege eine potentielle Schwachstelle der rechten Bewegungen - und damit auch ein Element der Hoffnung für Demokraten. FRAUKE STEFFENS
Eviane Leidig: "The Woman of the Far Right". Social Media Influencers and Online Radicalization.
Columbia University Press, New York 2023. 276 S., br., 28,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main