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Im Jahr 59 vor Christus bedankte sich der römische Politiker und Publizist Marcus Tullius Cicero bei seinem Freund Titus Pomponius Atticus für die Zusendung einer Schrift des mathematischen Geographen Serapion von Antiochia. Doch wirklich etwas anfangen konnte Cicero, immerhin einer der gebildetsten Köpfe seiner Zeit, mit dem Buchpräsent nicht. "Unter uns darf ich das sagen", schrieb er Atticus: "Tatsächlich verstehe ich da kaum ein Tausendstel."
Schon damals war die Spezialisierung der Wissenschaften also weit fortgeschritten. Und schon damals gab es daher Literatur, die Spezialwissen für den interessierten Laien aufbereitete. Ein solches Werk hat rund hundertachtzig Jahre nach Cicero, zur Regierungszeit Kaiser Hadrians, der Grieche Theon von Smyrna verfasst - und nun liegt es zum ersten Mal in einer deutschen Übersetzung vor. Besorgt hat sie der Erfurter Althistoriker Kai Brodersen, und sie ist nicht nur sehr lesbar und trotzdem genau, ihr ist überdies auch der griechische Originaltext gegenübergestellt, samt einiger mitüberlieferter antiker Grafiken. Allein, der Titel ist etwas irreführend, was aber weder Brodersen noch dem Verlag anzulasten ist. "In der Mathematik Nützliches für die Lektüre Platons" ist der Text in den mittelalterlichen Handschriften überschrieben, die ihn fast vollständig überliefert haben - ganz im Gegensatz übrigens zu dem zur Gänze verlorenen und auch sonst kaum fassbaren Werk des Serapion von Antiochia.
Tatsächlich war Theon als Philosoph ein Platoniker, das vermerkt sogar der Sockel einer Büste, die von ihm erhalten ist. Doch um Platon geht es hier nur am Rande, genauer gesagt, vor allem in dem mit Platonzitaten gespickten Prooimion und sonst noch am ehesten im ersten der drei Teile des Werks, in dem sich sogar eine Anspielung auf Platons nur mündlich gelehrte Prinzipientheorie findet. Doch statt nun Stück für Stück die im weitesten Sinne mathematischen Stellen im Corpus platonicum durchzugehen, bietet Theon vielmehr eine einführende Darstellung in die Gebiete Arithmetik, Musiktheorie und Astronomie seiner Zeit - natürlich aus der Perspektive eines Angehörigen der platonischen Denkschule -, und er wendet sich dabei klar an Nichtspezialisten.
Das macht diesen Band auch für heutige Leser interessant, die sich einmal aus erster Hand über die Wissenschaft der Antike informieren wollen, aber keine professionellen Wissenschaftshistoriker sind und sich daher an den Schriften der originären antiken Wissenschaftler - in der Astronomie etwa an Klaudios Ptolemaios - doch ähnlich die Zähne ausbeißen würden wie seinerzeit Cicero am Serapion von Antiochia. Daher konnte Brodersen es auch bei einer kurzen Einführung belassen und brauchte seiner Übertragung keinen umfangreichen Kommentar beizufügen - gelegentliche klärende Klammern reichen, um hier einem Wissenschaftspublizisten des zweiten Jahrhunderts folgen zu können. ULF VON RAUCHHAUPT
Theon von Smyrna: "Mathematik für die Platonlektüre".
Altgriechisch/Deutsch. Hrg. v. Kai Brodersen. wbg Academic, Darmstadt 2021. 352 S., geb., 80,- Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
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