»Immer habe ich den Regen geliebt – solange ich nicht nass wurde. Die Welt ist friedlicher, wenn es regnet, still sitze ich am Fenster und höre zu, wie der Wolkenbruch das Laub der Linde, die Postkästen und die leeren Flaschen hinter dem Bistrot zum Klingen bringt. So flüssig schriebe ich gern. Die ganze rue Delambre ist bis zur letzten Laterne auf eine glänzende Weise ausformuliert, und ich blicke durch die Tropfen auf der Fensterscheibe wie durch winzige, schnell zerlaufende Prismen auf mein Leben.«
Ralf Rothmanns Notizen aus fünfzig Jahren: So persönliche wie lyrische, so grimmige wie humorvolle Momentaufnahmen aus den Erinnerungen eines Autors, von dem wir viele wunderbare Romane und Erzählungen kennen und der uns hier mit wenigen Worten vor Augen führt, was versöhnen könnte mit den Zumutungen der Mitwelt und der viel zu rasch vergehenden Zeit: Eine poetische Existenz.
Ralf Rothmanns Notizen aus fünfzig Jahren: So persönliche wie lyrische, so grimmige wie humorvolle Momentaufnahmen aus den Erinnerungen eines Autors, von dem wir viele wunderbare Romane und Erzählungen kennen und der uns hier mit wenigen Worten vor Augen führt, was versöhnen könnte mit den Zumutungen der Mitwelt und der viel zu rasch vergehenden Zeit: Eine poetische Existenz.
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
"Zartes" und "Schwebendes" sucht Ralf Rothmann in seiner Prosa, schreibt Rezensent Christoph Schröder. Der Band, der nun zu seinem siebzigsten Geburtstag erschienen ist, vereint Notizen aus fünfzig Schaffensjahren und ist eine "Fundgrube" für Überraschendes und Unkonventionelles. Gerade den alltäglichen Momenten gewinnt Rothmann ihre besondere Seite ab, freut sich der Kritiker, anhand der Erinnerungen, Anekdoten und "poetischen Selbstaussagen" kann er zudem vortrefflich den Entwicklungsprozess des Schriftstellers nachvollziehen. Der "publikumsscheue" Autor hat sich noch nie so offen gezeigt, findet Schröder, und erlaubt den Lesern einen ganz neuen Blick auf sich und seine Werke.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.05.2023Künstliche Löwenpranken
Wie man sich den Schrecken des Alltags durch Anverwandlung vom Leibe hält: Ralf Rothmann wird siebzig und gibt Einblick in seine Schreibwerkstatt.
Ein halbes Jahrhundert lang hat der Schriftsteller Ralf Rothmann Ideen, Beobachtungen und Wortprotokollnotizen aus dem Alltag in Schreibheften gesammelt. Ein Stapel von 36 Heften ist emporgewachsen, aber erst jetzt, zu seinem heutigen siebzigsten Geburtstag, hat Rothmann eine Auswahl dieser kurzen Texte zu einem Buch verbunden. Indem der Autor dieses Material so lange bei sich behielt, sind ihm potentielle in der Zwischenzeit verstorbene Leser entgangen. Als einen solchen möchte man sich den Philosophen Hans Blumenberg vorstellen. In der Bibliothek Suhrkamp, die jetzt auch Rothmanns Notate aufgenommen hat, liegen mehrere Sammlungen von Glossen Blumenbergs vor, die ihre Anlässe regelmäßig in Tagebucheinträgen von Schriftstellern, Aphorismen oder ähnlich beiläufigem Niederschlag einer literarischen Lebensführung finden. Einer der Bände heißt "Löwen". Was hätte sich Blumenberg wohl zu folgendem Vermerk von Ralf Rothmann gedacht? ",Löwenverleih', träume ich, und werde zwei Tage später um ein Haar überfahren von einem grünen Lieferwagen mit der Aufschrift ,Palmenverleih'."
Das Leitmotiv von Blumenbergs Anekdoten ist "das Abwesende am Löwen". Man bekommt ihn nur selten zu sehen. Nicht der König der Tiere als allgegenwärtiges Symbol interessiert den Philosophen; im Gegenteil wird im Kontext phänomenologischer Forschung der Löwe zur Chiffre für das schwer Greifbare der Wirklichkeit. Mythische Geschichten ebenso wie philosophische Begriffe sind für Blumenberg Mittel, die Abstand verkürzen und Abwesenheit ausfüllen. Ihn hätte der Gedanke an einen Löwenverleih fasziniert, ein Unternehmen, welches das Bedürfnis nach Löwen zu befriedigen verspricht, allerdings nur auf Zeit und gegen ein Entgelt.
Im Corpus von Rothmanns sehr kurzen Geschichten haben wir es mit einer durch das Setting des Traumgesichts zugespitzten Variante des häufigsten Typus zu tun. Alle naselang schreibt Rothmann auf, dass er sich verlesen hat. Er gerät ins Staunen über ein seltsames Wort und bemerkt beim zweiten Hinsehen den Lesefehler. Statt der Obertöne in einer Frauenstimme vernimmt er Obsttöne, und den Tankgutschein im Preisausschreiben, den er als Fußgänger nicht benutzen kann, tauscht er automatisch gegen einen Krankenschein ein. Die Pedanterie, mit der er über diese Irrtümer Buch führt, ergibt einen merkwürdigen Kontrast zum Befund der Zerstreutheit.
Für sich genommen wirft das Muster der Missgeschicklichkeit keine Entzifferungsprobleme auf. Der Autor dokumentiert seine Weltfremdheit und zugleich das Erlebnis, dass sich ihm in der Sprache unwillkürlich eine andere oder wenigstens verschobene, in neue Beziehungen gebrachte Welt erschließt. Rothmann selbst studiert unter der Überschrift "Die Wahrheit der Marotten" den Zerrspiegel seines Wortverständnisses und lässt sich von der Selbstbetrachtung zu terminologischer Kreativität anregen. Aus der Mängelanzeige, wie sie in ein Zeugnis eingetragen würde, wird so etwas wie der Beweis einer Begabung: "Dass ich oft so flüchtig und dann fehlerhaft lese oder vieles dem Wortlaut nach falsch verstehe, mag Ausdruck meiner Charaktergeschwindigkeit sein."
Führt er sein Ideentagebuch in Schulheften? Er beschreibt im Vorwort die Schreibhefte nicht. Aber edles Schreibzeug würde nicht zu ihm passen. Jedenfalls fällt ihm ein Wort aus der Schulzeit ein, der Flüchtigkeitsfehler, und beim Wort genommen scheint dieses vielleicht immer nur flüchtig zur Kenntnis genommene Wort zu sagen, "dass da jemand auf der Flucht ist". Wovor? "Vor dem trostlos rationalen, alles durchwirkenden Zweckzusammenhang, will mir scheinen." Anders gewendet: Die Flucht führt heraus aus einer nach den Maßgaben autoritärer Schulweisheit eingerichteten Welt, hinein in "eine poetischere oder wenigstens humorvollere Dimension". In einer anderen Notiz offenbart sich Rothmann als der Geschlagene, den man aus seinen Ruhrgebietskindheitsromanen kennt. Er wuchs heran "unter den wütenden Hieben der Mutter mit den Holzlöffeln und denen der alten Nazi-Lehrer mit den Linealen mit Stahlkante". Es wäre wohl wieder ein Versuch der Begradigung mit der stählernen Waffe fällig gewesen, hätte der kleine Ralf im Unterricht die freche Ausflucht vorgebracht, dass die schlechte Gewohnheit des überfliegenden Lesens bei ihm ein Zeichen für angeborene Flinkheit sei. Kunde im Löwenverleih wird, wer das Fürchten lernen möchte.
Die Traumerzählung verschiebt das Schema ins Phantastische, durch Umkehrung der Leserichtung. Für Palmenverleih hat Rothmann Löwenverleih gelesen, obwohl er Palmenverleih noch gar nicht hatte lesen können. Er konnte ja nicht wissen, dass er zwei Tage nach dem Traum einem Lieferwagen mit dieser Aufschrift begegnen würde. Der Vorzeichencharakter des Traums ist ein Signum der poetischen Inspiration.
Rothmann hat den Extrakt der 36 Hefte in der chronologischen Ordnung belassen, wobei er im Detail möglicherweise Umstellungen vorgenommen hat, wenn er zwischen dem Ästhetischen als Stoff und Gegenstand wechselt und auf Impressionen passende Reflexionen folgen lässt. So spiegelt das Buch seine gesamte schriftstellerische Entwicklung, allerdings in Gestalt des Ungeschriebenen, genauer: des nicht Aus- und Fortgeschriebenen, weil es vom Inhalt der Hefte nur das Übriggebliebene wiedergibt, das nicht schon früher "in Erzählungen und Romane übertragen" wurde. Es wartet sozusagen noch auf die Kondensation, von der das Buch handeln müsste, enthielte es tatsächlich eine "Theorie des Regens". Die Einfälle, mit denen der Autor nichts anfangen konnte, sind für den Leser nicht nutzlos. Gerade sie illustrieren Rothmanns romantische Überzeugung, dass der Schriftsteller seine Arbeit nicht planen kann. Er träumt von Löwen, hat keine Palmen bestellt, und dann wird ihm plötzlich grün vor Augen. Der Dichter schöpft aus Geistesabwesenheit. Schärfer formuliert: Der Geist, der dem Lebensstoff literarische Form verpasst, ist das Abwesende am Dichter. PATRICK BAHNERS
Ralf Rothmann: "Theorie des Regens". Notizen.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023. 216 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wie man sich den Schrecken des Alltags durch Anverwandlung vom Leibe hält: Ralf Rothmann wird siebzig und gibt Einblick in seine Schreibwerkstatt.
Ein halbes Jahrhundert lang hat der Schriftsteller Ralf Rothmann Ideen, Beobachtungen und Wortprotokollnotizen aus dem Alltag in Schreibheften gesammelt. Ein Stapel von 36 Heften ist emporgewachsen, aber erst jetzt, zu seinem heutigen siebzigsten Geburtstag, hat Rothmann eine Auswahl dieser kurzen Texte zu einem Buch verbunden. Indem der Autor dieses Material so lange bei sich behielt, sind ihm potentielle in der Zwischenzeit verstorbene Leser entgangen. Als einen solchen möchte man sich den Philosophen Hans Blumenberg vorstellen. In der Bibliothek Suhrkamp, die jetzt auch Rothmanns Notate aufgenommen hat, liegen mehrere Sammlungen von Glossen Blumenbergs vor, die ihre Anlässe regelmäßig in Tagebucheinträgen von Schriftstellern, Aphorismen oder ähnlich beiläufigem Niederschlag einer literarischen Lebensführung finden. Einer der Bände heißt "Löwen". Was hätte sich Blumenberg wohl zu folgendem Vermerk von Ralf Rothmann gedacht? ",Löwenverleih', träume ich, und werde zwei Tage später um ein Haar überfahren von einem grünen Lieferwagen mit der Aufschrift ,Palmenverleih'."
Das Leitmotiv von Blumenbergs Anekdoten ist "das Abwesende am Löwen". Man bekommt ihn nur selten zu sehen. Nicht der König der Tiere als allgegenwärtiges Symbol interessiert den Philosophen; im Gegenteil wird im Kontext phänomenologischer Forschung der Löwe zur Chiffre für das schwer Greifbare der Wirklichkeit. Mythische Geschichten ebenso wie philosophische Begriffe sind für Blumenberg Mittel, die Abstand verkürzen und Abwesenheit ausfüllen. Ihn hätte der Gedanke an einen Löwenverleih fasziniert, ein Unternehmen, welches das Bedürfnis nach Löwen zu befriedigen verspricht, allerdings nur auf Zeit und gegen ein Entgelt.
Im Corpus von Rothmanns sehr kurzen Geschichten haben wir es mit einer durch das Setting des Traumgesichts zugespitzten Variante des häufigsten Typus zu tun. Alle naselang schreibt Rothmann auf, dass er sich verlesen hat. Er gerät ins Staunen über ein seltsames Wort und bemerkt beim zweiten Hinsehen den Lesefehler. Statt der Obertöne in einer Frauenstimme vernimmt er Obsttöne, und den Tankgutschein im Preisausschreiben, den er als Fußgänger nicht benutzen kann, tauscht er automatisch gegen einen Krankenschein ein. Die Pedanterie, mit der er über diese Irrtümer Buch führt, ergibt einen merkwürdigen Kontrast zum Befund der Zerstreutheit.
Für sich genommen wirft das Muster der Missgeschicklichkeit keine Entzifferungsprobleme auf. Der Autor dokumentiert seine Weltfremdheit und zugleich das Erlebnis, dass sich ihm in der Sprache unwillkürlich eine andere oder wenigstens verschobene, in neue Beziehungen gebrachte Welt erschließt. Rothmann selbst studiert unter der Überschrift "Die Wahrheit der Marotten" den Zerrspiegel seines Wortverständnisses und lässt sich von der Selbstbetrachtung zu terminologischer Kreativität anregen. Aus der Mängelanzeige, wie sie in ein Zeugnis eingetragen würde, wird so etwas wie der Beweis einer Begabung: "Dass ich oft so flüchtig und dann fehlerhaft lese oder vieles dem Wortlaut nach falsch verstehe, mag Ausdruck meiner Charaktergeschwindigkeit sein."
Führt er sein Ideentagebuch in Schulheften? Er beschreibt im Vorwort die Schreibhefte nicht. Aber edles Schreibzeug würde nicht zu ihm passen. Jedenfalls fällt ihm ein Wort aus der Schulzeit ein, der Flüchtigkeitsfehler, und beim Wort genommen scheint dieses vielleicht immer nur flüchtig zur Kenntnis genommene Wort zu sagen, "dass da jemand auf der Flucht ist". Wovor? "Vor dem trostlos rationalen, alles durchwirkenden Zweckzusammenhang, will mir scheinen." Anders gewendet: Die Flucht führt heraus aus einer nach den Maßgaben autoritärer Schulweisheit eingerichteten Welt, hinein in "eine poetischere oder wenigstens humorvollere Dimension". In einer anderen Notiz offenbart sich Rothmann als der Geschlagene, den man aus seinen Ruhrgebietskindheitsromanen kennt. Er wuchs heran "unter den wütenden Hieben der Mutter mit den Holzlöffeln und denen der alten Nazi-Lehrer mit den Linealen mit Stahlkante". Es wäre wohl wieder ein Versuch der Begradigung mit der stählernen Waffe fällig gewesen, hätte der kleine Ralf im Unterricht die freche Ausflucht vorgebracht, dass die schlechte Gewohnheit des überfliegenden Lesens bei ihm ein Zeichen für angeborene Flinkheit sei. Kunde im Löwenverleih wird, wer das Fürchten lernen möchte.
Die Traumerzählung verschiebt das Schema ins Phantastische, durch Umkehrung der Leserichtung. Für Palmenverleih hat Rothmann Löwenverleih gelesen, obwohl er Palmenverleih noch gar nicht hatte lesen können. Er konnte ja nicht wissen, dass er zwei Tage nach dem Traum einem Lieferwagen mit dieser Aufschrift begegnen würde. Der Vorzeichencharakter des Traums ist ein Signum der poetischen Inspiration.
Rothmann hat den Extrakt der 36 Hefte in der chronologischen Ordnung belassen, wobei er im Detail möglicherweise Umstellungen vorgenommen hat, wenn er zwischen dem Ästhetischen als Stoff und Gegenstand wechselt und auf Impressionen passende Reflexionen folgen lässt. So spiegelt das Buch seine gesamte schriftstellerische Entwicklung, allerdings in Gestalt des Ungeschriebenen, genauer: des nicht Aus- und Fortgeschriebenen, weil es vom Inhalt der Hefte nur das Übriggebliebene wiedergibt, das nicht schon früher "in Erzählungen und Romane übertragen" wurde. Es wartet sozusagen noch auf die Kondensation, von der das Buch handeln müsste, enthielte es tatsächlich eine "Theorie des Regens". Die Einfälle, mit denen der Autor nichts anfangen konnte, sind für den Leser nicht nutzlos. Gerade sie illustrieren Rothmanns romantische Überzeugung, dass der Schriftsteller seine Arbeit nicht planen kann. Er träumt von Löwen, hat keine Palmen bestellt, und dann wird ihm plötzlich grün vor Augen. Der Dichter schöpft aus Geistesabwesenheit. Schärfer formuliert: Der Geist, der dem Lebensstoff literarische Form verpasst, ist das Abwesende am Dichter. PATRICK BAHNERS
Ralf Rothmann: "Theorie des Regens". Notizen.
Suhrkamp Verlag, Berlin 2023. 216 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.05.2023Der Kolibri im Maschinenraum
Ralf Rothmann ergründet in seinen bedrückend schönen Romanen den Kern menschlicher Existenz. Eine Würdigung zum 70. Geburtstag
Vor einigen Jahren ist Ralf Rothmann gemeinsam mit seiner Frau nach Frohnau gezogen. Es sollte der vorläufige Zielort nach einer Reihe von Versuchen sein, in Berlin eine geeignete Bleibe zu finden. Wie es in Friedrichshagen war, dem heute so teuren und leergekauften Badeort am Müggelsee, kann man in „Feuer brennt nicht“ nachlesen, Rothmanns elegischem Roman einer Schrifstellereinsamkeit und einer Liebesverzweiflung. Vom Kreuzberg der Vorwendezeit hat Rothmann in „Hitze“ erzählt und in vielen seiner so bedrückend schönen Erzählungen. In Rothmanns gerade erschienenen Aufzeichnungen „Theorie des Regens“ steht auf wenigen Zeilen soviel Genaues und jederzeit Nachempfindbares über diesen stillen Berliner Vorort, dass man mit Zitieren weiter kommt als mit der üblichen journalistischen Annäherungspoesie. Frohnau also, „ein grüner Randbezirk voller alter Bäume, eleganter Brunnen und gepflasterter Straßen, an denen die Häuser und Villen dank einer klugen, den englischen Gartenstädten nachempfundenen Bauordnung menschliches Maß selten verfehlen.“
Das menschliche Maß ist eine gute Einheit, um Ralf Rothmanns Literatur zu begreifen, die immer wieder um den Kern der Existenz kreist, der wiederum in einer mit Schmerz, Gewalt und Aufbruchsehnsucht verschütteten Vergangenheit liegt. Vielleicht auch, um die Position dieses verschwiegenen Schriftstellers einzuordnen, den man von gekonnt inszenierten Fotos her kennt, auf denen ein immer ernst und klug in die Kamera blickender Mann den Leser darauf vorzubereiten scheint, dass es in seinen Büchern um alles geht.
Aber in dieser hellen, stillen, sehr stillen Wohnung, deren Zugang zudem noch von der Straße nicht einsehbar ist, scheint der Schriftsteller Ralf Rothmann seiner öffentlichen Porträtgestalt entkommen zu sein, und man schämt sich fast ein bisschen, dass man von ihm soviel Heiterkeit, freundliches Gegenüber und lässiges Reden über Alter und Ruhm nicht erwartet hatte. Das Alter – nun es steht in Rothmanns Aufzeichnungen hübsch kokett, dass man ihm die Jahre nicht ansehe. Koketterie hin, Eitelkeit her: Es stimmt einfach, einen Mann von siebzig Jahren stellt man sich mit weniger Restspuren von Jugend vor. Andererseits gibt es für einen Schriftsteller, vorausgesetzt, er ist bedeutend genug, eine Instanz, die ihn daran erinnert, dass er in die Jahre gekommen ist, selbst wenn man es ihm nicht ansieht. Also hat auch Ralf Rothmann eine Anfrage des Deutschen Literaturarchivs in Marbach erhalten, ob er nicht anlässlich seines in Aussicht stehenden 70. Geburtstags seinen Vorlass zur Verfügung stellen wolle. Der Vorlass ist so etwas wie die Anzahlung auf den Nachruhm. Autoren, die Welt und Leben auf jede erdenkliche Weise bespielt haben, geben dort ihre gewaltigen Briefwechsel, Romanentwürfe, Tagebücher und Aufzeichnungen ab, der Rest wird dann nach dem Tod geliefert.
Ralf Rothmann hatte aber nichts zum Abliefern. Die Manuskripte seiner Romane, allesamt Handschriften, hat er stets weggeworfen, weil sie ohnehin niemand entziffern könnte. Dann fielen ihm zum Glück - nicht nur für Marbach zum Glück! - die 36 Notizbücher ein, die er über beinahe fünfzig Jahre geführt hat. Diese Aufzeichnungen sind nun als Buch bei Suhrkamp erschienen, „Theorie des Regens“, zum 70. Geburtstag des Autors.
Man kann diese kurzen, mitunter seitenlangen, gelegentlich aphoristisch knappen Texte wie eine poetische und poetologische Autobiografie Ralf Rothmanns lesen, womöglich als Einführung in das Werk dieses großen Romanschriftstellers, der das Ruhrgebiet, seine ungeliebte Kindheitsheimat, zu einem poetischen Ort umgeschrieben hat. Es ist eine stachelige Poesie, die sich in Rothmanns Erzählton entfaltet, ein Ton, in dem immer eine Spur zum letzten Geheimnis des Erzählens anklingt, dem Unaussprechbaren nämlich. Sehr bald habe er begriffen, sagt Rothmann, dass das Ruhrgebiet eine Gegend ist, in der die Leute „sich den Boden unter den Füßen weg graben, um nach oben zu kommen“.
Rothmann hat fabelhafte Allegorien für diese Gegend und ihre vom Arbeiten und Fluchen gekrümmten Seelen gefunden. Die Tauben, die in den Himmel flattern, den die Bergleute ja eher selten zu Gesicht bekamen; die „Katzenfrühe“, zu der die erste Schicht beginnt – Rothmanns Revier ist kein Soziotop mit Leuten, die das Herz am richtigen Fleck haben. Es ist ein Ort der groben Zwangsgemeinschaften, der körperlichen Schinderei, die in Form von Gewalt und Verachtung an die Kinder weiter gegeben wird. Rothmann selbst ist Maurer geworden, aber die harte Schufterei war ihm irgendwann zuviel. Mit Anfang zwanzig ging er aus Oberhausen nach West-Berlin, weil seine Freundin dorthin gezogen war. In einem Kopierladen lernte Rothmann den Dichter Christoph Meckel kennen, dessen gewaltiges lyrisches Welttheater den jungen Rothmann fasziniert und auch abgeschreckt hat.
„Ich sollte ihm Gedichte zeigen, aber nur, wenn sie gut sind.“ Aber woher hätte er das denn wissen sollen?“ Später hat Rothmann einen Roman geschrieben, in welchem er seinen Gott vom Sockel stieß. Richtig verziehen habe ihm Meckel diesen literarischen Vatermord nie, sagt Rothmann. Immerhin habe ihm Meckel, so steht es in Rothmanns neuen Notizen, „gezeigt, was innere Freiheit ist“. Und als Rothmann seine ersten Gedichte veröffentlicht hatte, sagte zuhause im Ruhrgebiet sein Vater zum Steiger: „Du, mein Sohn spinnt, der schreibt Gedichte.“ Aber der Steiger, erzählt Rothmann, sei ein Leser gewesen und habe gesagt: „Aber das ist doch ein schönes Spinnen.“ Rothmann hat seinem Vater, dem schweigsamen Jerry-Cotton-Leser, in seinen Romanen einen trotz aller harten Jahre eher freundlich angeleuchteten Platz zugewiesen.
Man könnte „Die Theorie des Regens“ Rothmanns persönlichstes Buch nennen, aber eigentlich ist es sein einziges wirklich persönliches. Anders als in seinen Ruhrgebiets-Romanen und seiner zu recht gefeierten Kriegs- und Nachkriegs-Trilogie, dessen letzter Band „Die Nacht unterm Schnee“ Rothmanns grandiose Vergegenwärtigungskunst durch realistisches Erzählen abrundet, hat sich Rothmann hier kein Romanmodell gezimmert. Er lässt sozusagen das Leben selbst sprechen, denn es geht in diesen kurzen Texten um Beobachtungen, Einfälle, Personenskizzen sowie um Reflexionen der eigenen Arbeit. Es sind Welterkundungs-Notate, die Rothmann ausgibt, entstanden auf Reisen durch Europa, Lateinamerika und die USA („Die endlose Prärie in meinen Karl-May-Büchern war faszinierender“). Wie einer, der mit unablässig scharf gestellten Armaturen Wirklichkeit filtert und in seine Sprache übersetzt. Gleichzeitig wittert Rothmann in jedem seiner gut gezimmerten Sätze die Unvollkommenheit: „Die Wörter sind oft nur der letzte Halt“, heißt es einmal und die Literatur sei, so lautet eine der schönsten Definitionen in diesem Band, „ein Kolibri in einer Maschinenhalle, schön und ohne Zweck“.
„Theorie des Regens“ ist mehr als nur eine Materialsammlung, die keinen Eingang ins belletristische Werk gefunden hat. Diese kurzen Skizzen und essayistischen Torsi sind eine Art sensitives Tagebuch und ein oft melancholisches, auch trotziges, gelegentlich sogar polemisches Munitionsarsenal: „Der Gewalttätige hat immer einen Vorsprung, jedenfalls auf kurze Sicht“ – ein Satz aus dem Frühjahr 2022, zuvor hatte Putin die Ukraine überfallen. Das passiert immer wieder in diesen Texten: Die Zwangsläufigkeit politischer Ereignisse fordern vom Schriftsteller hin und wieder Stellungnahmen, die man, jedenfalls bei Rothmann, mit größerer Aufmerksamkeit registriert als die Bekundungen von stets meinungsfertigen Autoren in Offenen Briefen. Rothmann würde da nie mitmachen. Er lebt am Rand, nicht nur geografisch.
Nachts, wenn es noch stiller ist in Frohnau als am Tag (schwer vorstellbar übrigens), schreibt Ralf Rothmann seine Geschichten. Einmal hat er in Berlin einen Autor getroffen, der ihm gesagt hat, er würde jetzt aufhören, Romane zu schreiben, wenn auch das neue Buch kein Erfolg sein würde. Für Rothmann ist das ein unbegreifliches Ultimatum: „Mir würde nie einfallen, mit dem Schreiben aufzuhören“, sagt er. „Wenn man die Gabe hat, Romane zu schreiben, ist das auch die Aufgabe.“
Es gibt einen schönen, fast hessehaften Satz in der „Theorie des Regens“: „Das Leben rächt sich an dem, der sich weigert, die Dinge mit glücklichen Augen zu betrachten.“ Vielleicht ist das ja der Auftrag, und vermutlich ist es sogar das Geheimnis von Ralf Rothmanns so faszinierender Literatur.
HILMAR KLUTE
Er würde nie bei offenen Briefen
mitmachen. Er lebt am Rand,
auch geografisch
Auf den gut inszenierten Fotos blickt Ralf Rothmann immer ernst, als bereite er seine Leser vor, dass es in seinen Büchern um alles geht.
Foto: Gerhard Leber/Imago
Ralf Rothmann: Theorie des Regens. Suhrkamp-Verlag, Berlin 2023.
215 Seiten, 24 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ralf Rothmann ergründet in seinen bedrückend schönen Romanen den Kern menschlicher Existenz. Eine Würdigung zum 70. Geburtstag
Vor einigen Jahren ist Ralf Rothmann gemeinsam mit seiner Frau nach Frohnau gezogen. Es sollte der vorläufige Zielort nach einer Reihe von Versuchen sein, in Berlin eine geeignete Bleibe zu finden. Wie es in Friedrichshagen war, dem heute so teuren und leergekauften Badeort am Müggelsee, kann man in „Feuer brennt nicht“ nachlesen, Rothmanns elegischem Roman einer Schrifstellereinsamkeit und einer Liebesverzweiflung. Vom Kreuzberg der Vorwendezeit hat Rothmann in „Hitze“ erzählt und in vielen seiner so bedrückend schönen Erzählungen. In Rothmanns gerade erschienenen Aufzeichnungen „Theorie des Regens“ steht auf wenigen Zeilen soviel Genaues und jederzeit Nachempfindbares über diesen stillen Berliner Vorort, dass man mit Zitieren weiter kommt als mit der üblichen journalistischen Annäherungspoesie. Frohnau also, „ein grüner Randbezirk voller alter Bäume, eleganter Brunnen und gepflasterter Straßen, an denen die Häuser und Villen dank einer klugen, den englischen Gartenstädten nachempfundenen Bauordnung menschliches Maß selten verfehlen.“
Das menschliche Maß ist eine gute Einheit, um Ralf Rothmanns Literatur zu begreifen, die immer wieder um den Kern der Existenz kreist, der wiederum in einer mit Schmerz, Gewalt und Aufbruchsehnsucht verschütteten Vergangenheit liegt. Vielleicht auch, um die Position dieses verschwiegenen Schriftstellers einzuordnen, den man von gekonnt inszenierten Fotos her kennt, auf denen ein immer ernst und klug in die Kamera blickender Mann den Leser darauf vorzubereiten scheint, dass es in seinen Büchern um alles geht.
Aber in dieser hellen, stillen, sehr stillen Wohnung, deren Zugang zudem noch von der Straße nicht einsehbar ist, scheint der Schriftsteller Ralf Rothmann seiner öffentlichen Porträtgestalt entkommen zu sein, und man schämt sich fast ein bisschen, dass man von ihm soviel Heiterkeit, freundliches Gegenüber und lässiges Reden über Alter und Ruhm nicht erwartet hatte. Das Alter – nun es steht in Rothmanns Aufzeichnungen hübsch kokett, dass man ihm die Jahre nicht ansehe. Koketterie hin, Eitelkeit her: Es stimmt einfach, einen Mann von siebzig Jahren stellt man sich mit weniger Restspuren von Jugend vor. Andererseits gibt es für einen Schriftsteller, vorausgesetzt, er ist bedeutend genug, eine Instanz, die ihn daran erinnert, dass er in die Jahre gekommen ist, selbst wenn man es ihm nicht ansieht. Also hat auch Ralf Rothmann eine Anfrage des Deutschen Literaturarchivs in Marbach erhalten, ob er nicht anlässlich seines in Aussicht stehenden 70. Geburtstags seinen Vorlass zur Verfügung stellen wolle. Der Vorlass ist so etwas wie die Anzahlung auf den Nachruhm. Autoren, die Welt und Leben auf jede erdenkliche Weise bespielt haben, geben dort ihre gewaltigen Briefwechsel, Romanentwürfe, Tagebücher und Aufzeichnungen ab, der Rest wird dann nach dem Tod geliefert.
Ralf Rothmann hatte aber nichts zum Abliefern. Die Manuskripte seiner Romane, allesamt Handschriften, hat er stets weggeworfen, weil sie ohnehin niemand entziffern könnte. Dann fielen ihm zum Glück - nicht nur für Marbach zum Glück! - die 36 Notizbücher ein, die er über beinahe fünfzig Jahre geführt hat. Diese Aufzeichnungen sind nun als Buch bei Suhrkamp erschienen, „Theorie des Regens“, zum 70. Geburtstag des Autors.
Man kann diese kurzen, mitunter seitenlangen, gelegentlich aphoristisch knappen Texte wie eine poetische und poetologische Autobiografie Ralf Rothmanns lesen, womöglich als Einführung in das Werk dieses großen Romanschriftstellers, der das Ruhrgebiet, seine ungeliebte Kindheitsheimat, zu einem poetischen Ort umgeschrieben hat. Es ist eine stachelige Poesie, die sich in Rothmanns Erzählton entfaltet, ein Ton, in dem immer eine Spur zum letzten Geheimnis des Erzählens anklingt, dem Unaussprechbaren nämlich. Sehr bald habe er begriffen, sagt Rothmann, dass das Ruhrgebiet eine Gegend ist, in der die Leute „sich den Boden unter den Füßen weg graben, um nach oben zu kommen“.
Rothmann hat fabelhafte Allegorien für diese Gegend und ihre vom Arbeiten und Fluchen gekrümmten Seelen gefunden. Die Tauben, die in den Himmel flattern, den die Bergleute ja eher selten zu Gesicht bekamen; die „Katzenfrühe“, zu der die erste Schicht beginnt – Rothmanns Revier ist kein Soziotop mit Leuten, die das Herz am richtigen Fleck haben. Es ist ein Ort der groben Zwangsgemeinschaften, der körperlichen Schinderei, die in Form von Gewalt und Verachtung an die Kinder weiter gegeben wird. Rothmann selbst ist Maurer geworden, aber die harte Schufterei war ihm irgendwann zuviel. Mit Anfang zwanzig ging er aus Oberhausen nach West-Berlin, weil seine Freundin dorthin gezogen war. In einem Kopierladen lernte Rothmann den Dichter Christoph Meckel kennen, dessen gewaltiges lyrisches Welttheater den jungen Rothmann fasziniert und auch abgeschreckt hat.
„Ich sollte ihm Gedichte zeigen, aber nur, wenn sie gut sind.“ Aber woher hätte er das denn wissen sollen?“ Später hat Rothmann einen Roman geschrieben, in welchem er seinen Gott vom Sockel stieß. Richtig verziehen habe ihm Meckel diesen literarischen Vatermord nie, sagt Rothmann. Immerhin habe ihm Meckel, so steht es in Rothmanns neuen Notizen, „gezeigt, was innere Freiheit ist“. Und als Rothmann seine ersten Gedichte veröffentlicht hatte, sagte zuhause im Ruhrgebiet sein Vater zum Steiger: „Du, mein Sohn spinnt, der schreibt Gedichte.“ Aber der Steiger, erzählt Rothmann, sei ein Leser gewesen und habe gesagt: „Aber das ist doch ein schönes Spinnen.“ Rothmann hat seinem Vater, dem schweigsamen Jerry-Cotton-Leser, in seinen Romanen einen trotz aller harten Jahre eher freundlich angeleuchteten Platz zugewiesen.
Man könnte „Die Theorie des Regens“ Rothmanns persönlichstes Buch nennen, aber eigentlich ist es sein einziges wirklich persönliches. Anders als in seinen Ruhrgebiets-Romanen und seiner zu recht gefeierten Kriegs- und Nachkriegs-Trilogie, dessen letzter Band „Die Nacht unterm Schnee“ Rothmanns grandiose Vergegenwärtigungskunst durch realistisches Erzählen abrundet, hat sich Rothmann hier kein Romanmodell gezimmert. Er lässt sozusagen das Leben selbst sprechen, denn es geht in diesen kurzen Texten um Beobachtungen, Einfälle, Personenskizzen sowie um Reflexionen der eigenen Arbeit. Es sind Welterkundungs-Notate, die Rothmann ausgibt, entstanden auf Reisen durch Europa, Lateinamerika und die USA („Die endlose Prärie in meinen Karl-May-Büchern war faszinierender“). Wie einer, der mit unablässig scharf gestellten Armaturen Wirklichkeit filtert und in seine Sprache übersetzt. Gleichzeitig wittert Rothmann in jedem seiner gut gezimmerten Sätze die Unvollkommenheit: „Die Wörter sind oft nur der letzte Halt“, heißt es einmal und die Literatur sei, so lautet eine der schönsten Definitionen in diesem Band, „ein Kolibri in einer Maschinenhalle, schön und ohne Zweck“.
„Theorie des Regens“ ist mehr als nur eine Materialsammlung, die keinen Eingang ins belletristische Werk gefunden hat. Diese kurzen Skizzen und essayistischen Torsi sind eine Art sensitives Tagebuch und ein oft melancholisches, auch trotziges, gelegentlich sogar polemisches Munitionsarsenal: „Der Gewalttätige hat immer einen Vorsprung, jedenfalls auf kurze Sicht“ – ein Satz aus dem Frühjahr 2022, zuvor hatte Putin die Ukraine überfallen. Das passiert immer wieder in diesen Texten: Die Zwangsläufigkeit politischer Ereignisse fordern vom Schriftsteller hin und wieder Stellungnahmen, die man, jedenfalls bei Rothmann, mit größerer Aufmerksamkeit registriert als die Bekundungen von stets meinungsfertigen Autoren in Offenen Briefen. Rothmann würde da nie mitmachen. Er lebt am Rand, nicht nur geografisch.
Nachts, wenn es noch stiller ist in Frohnau als am Tag (schwer vorstellbar übrigens), schreibt Ralf Rothmann seine Geschichten. Einmal hat er in Berlin einen Autor getroffen, der ihm gesagt hat, er würde jetzt aufhören, Romane zu schreiben, wenn auch das neue Buch kein Erfolg sein würde. Für Rothmann ist das ein unbegreifliches Ultimatum: „Mir würde nie einfallen, mit dem Schreiben aufzuhören“, sagt er. „Wenn man die Gabe hat, Romane zu schreiben, ist das auch die Aufgabe.“
Es gibt einen schönen, fast hessehaften Satz in der „Theorie des Regens“: „Das Leben rächt sich an dem, der sich weigert, die Dinge mit glücklichen Augen zu betrachten.“ Vielleicht ist das ja der Auftrag, und vermutlich ist es sogar das Geheimnis von Ralf Rothmanns so faszinierender Literatur.
HILMAR KLUTE
Er würde nie bei offenen Briefen
mitmachen. Er lebt am Rand,
auch geografisch
Auf den gut inszenierten Fotos blickt Ralf Rothmann immer ernst, als bereite er seine Leser vor, dass es in seinen Büchern um alles geht.
Foto: Gerhard Leber/Imago
Ralf Rothmann: Theorie des Regens. Suhrkamp-Verlag, Berlin 2023.
215 Seiten, 24 Euro.
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»... trotzig und zärtlich versöhnt sich der große Ralf Rothmann mit der Welt.« Sylvie-Sophie Schindler der Freitag 20230601