One of the BBC's '100 Novels That Shaped Our World'
A worldwide bestseller and the first part of Achebe's African Trilogy, Things Fall Apart is the compelling story of one man's battle to protect his community against the forces of change
Okonkwo is the greatest wrestler and warrior alive, and his fame spreads throughout West Africa like a bush-fire in the harmattan. But when he accidentally kills a clansman, things begin to fall apart. Then Okonkwo returns from exile to find missionaries and colonial governors have arrived in the village. With his world thrown radically off-balance he can only hurtle towards tragedy.
First published in 1958, Chinua Achebe's stark, coolly ironic novel reshaped both African and world literature, and has sold over ten million copies in forty-five languages. This arresting parable of a proud but powerless man witnessing the ruin of his people begins Achebe's landmark trilogy of works chronicling the fate of one African community, continued in Arrow of God and No Longer at Ease.
'His courage and generosity are made manifest in the work' Toni Morrison
'The writer in whose company the prison walls fell down' Nelson Mandela
'A great book, that bespeaks a great, brave, kind, human spirit' John Updike
With an Introduction by Biyi Bandele
A worldwide bestseller and the first part of Achebe's African Trilogy, Things Fall Apart is the compelling story of one man's battle to protect his community against the forces of change
Okonkwo is the greatest wrestler and warrior alive, and his fame spreads throughout West Africa like a bush-fire in the harmattan. But when he accidentally kills a clansman, things begin to fall apart. Then Okonkwo returns from exile to find missionaries and colonial governors have arrived in the village. With his world thrown radically off-balance he can only hurtle towards tragedy.
First published in 1958, Chinua Achebe's stark, coolly ironic novel reshaped both African and world literature, and has sold over ten million copies in forty-five languages. This arresting parable of a proud but powerless man witnessing the ruin of his people begins Achebe's landmark trilogy of works chronicling the fate of one African community, continued in Arrow of God and No Longer at Ease.
'His courage and generosity are made manifest in the work' Toni Morrison
'The writer in whose company the prison walls fell down' Nelson Mandela
'A great book, that bespeaks a great, brave, kind, human spirit' John Updike
With an Introduction by Biyi Bandele
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.11.2000Dichter einer auseinanderfallenden Welt
Der Schriftsteller, der die Krise seines Kontinents auf den Begriff brachte: Der afrikanische Autor Chinua Achebe wird siebzig
Er habe der Welt Afrika gebracht: Kürzer und eindrücklicher könnte es kaum jemand sagen. So würdigte Nelson Mandela, der große alte Mann der afrikanischen Politik, Chinua Achebe, den großen alten Mann der Literatur seines Kontinents. Mandela berichtete, er habe als Häftling auf der Robbeninsel oft in Achebes Werk gelesen, und durch diesen seien seine Gefängnismauern gefallen. Ein Land, das einen Achebe hervorgebracht habe, könne nicht ohne Hoffnung sein, ergänzte der nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo. Seit zwei Wochen bereits wird der Schöpfer und Patriarch der modernen afrikanischen Novelle bei Symposien und Buchmessen in den Vereinigten Staaten und in seinem heimatlichen Nigeria gefeiert zu seinem siebzigsten Geburtstag am heutigen Donnerstag.
Mit seiner ersten Novelle wurde der junge Achebe mit einem Schlag berühmt. Der - einem Yeats-Gedicht entnommene - Titel "Things Fall Apart" ("Okonkwo oder Das Alte stürzt") wurde zum Schlagwort der Krise Afrikas. Mehr als zehn Millionen Exemplare wurden verkauft, Übersetzungen erfolgten in mehr als fünfzig Sprachen: Kein anderes Werk afrikanischer Literatur hat auch nur annähernd einen solchen Erfolg gehabt wie dieses zweimal ins Deutsche übersetzte Buch, das durch das afrikanisierte Englisch des Originals jeden Übersetzer vor eine große Herausforderung stellt. Noch heute, 42 Jahre nach seinem Erscheinen, ist es das meistgelesene afrikanische Werk in einer europäischen Sprache. In Afrika ist es Pflichtlektüre an Schulen und Universitäten. Es legte als erstes Werk, das den Kolonialismus aus afrikanischer Perspektive schildert, den Keim für die postkoloniale Literatur, und das noch in der Sprachweise, die Afrikaner zu nutzen pflegen.
In der vom Umfang her schmalen Novelle voller Bilder greift Achebe das Thema auf, das in anderer Form auch im Mittelpunkt seiner weiteren vier Novellen - darunter die Satire "A Man of the People" ("Ein Mann des Volkes", deutsch 1990) - steht: die Krise Afrikas im Umschwung von einer dörflich-traditionellen zu einer verstädterten westlichen Gesellschaft und der Verfall der Werte. Am Ende, nachdem christliche Missionare und dann Kolonialbeamte seine Heimat und seine Welt umgekrempelt haben und andere Dorfbewohner sich seinen Versuchen, sich zu wehren, nicht anschließen, begeht der Krieger und Dorfälteste Okonkwo (für die afrikanische Gesellschaft ungewöhnlich) Selbstmord.
In "Das Alte stürzt" schildert Achebe die Welt seines Volkes, der Igbo (Ibo) im Südosten Nigerias: Regen, Naturkreislauf, Ernten, Ahnen, Geschichtenerzählen. Er verklärt diese Welt nicht und verweist auch auf die altafrikanische Tradition der Gewalt gegen Gegner, gegen Frauen und gegen Außenseiter. Ende der sechziger Jahre begann mit dem Bürgerkrieg in seiner Heimat, bei dem er aktiv an der Seite Biafras stand, eine Schaffenskrise. Achebe wandte sich Essays, Gedichten, Kurzgeschichten, Kinderbüchern und Buchkritiken zu und schrieb mit "Anthills of the Savannah" ("Termitenhügel in der Savanne", 1987), einer Geschichte von Macht und Enttäuschung, nur noch einen Roman, in dem er erstmals - inspiriert vermutlich von Frau und Töchtern - die Rolle der Frau hervorhob. Seine Ferne von Afrika, dem Quell seiner Eingebung, erzwang die politische Lage, die vor zwei Jahren gestürzte Militärdiktatur, aber auch ein Autounfall in Lagos 1990, der ihn an den Rollstuhl band. Seitdem lebt er in der Nähe von New York und kehrte bislang nur einmal nach Afrika zurück.
Achebe sehnt sich nach Nigeria, auch wenn das Heimatland ihn bis vor kurzem schlecht behandelte. Noch nach fast zwanzig Jahren wird sein einleitender Satz einer Analyse zum Niedergang Nigerias oft zitiert: Der Ärger mit Nigeria sei schlicht ein Versagen seiner Führung. Auch wenn Achebe Militärherrschern, Korruption und Verfall Widerstand bot, erlag er nie ideologischen Schlagworten oder radikalen Versuchungen. In Nigeria sei es wie bei Hamlets Dänemark, sagt er: Falls der König, die Quelle der Gerechtigkeit, korrupt sei, sei auch das Volk vergiftet.
Der neuen Führung unter Obasanjo will Achebe trotz Skepsis "eine Chance" zugestehen. Zurück zu seinen Wurzeln kann er nur, falls sich dort die medizinische Versorgung nachhaltig bessert. Achebe lehrt seit knapp einem Jahrzehnt Literatur am Bard College, wo ihn zu Monatsbeginn andere Große der Literatur würdigten, darunter Toni Morrison und sein Landsmann Wole Soyinka. Beide haben jene Auszeichnung erhalten, die Chinua Achebe bisher trotz einer Fülle von Literaturpreisen und mehr als zwanzig Ehrendoktortiteln verwehrt blieb, den Nobelpreis für Literatur.
Die Schleusen für die afrikanische Literatur hat Chinua Achebe gleich zweimal geöffnet: als wegweisender Autor und als Förderer und Lektor. Achebe, der mit seiner Kunst auch erziehen will, begründete und betreute ohne Entlohnung beim britischen Heinemann Verlag die Reihe "African Writers Series", die der Literatur Afrikas das Tor zum Westen öffnete. Später gründete er selber einen Verlag und gab die Literaturzeitschrift "Okike" heraus, um jüngere afrikanische Schriftsteller, denen er stets selbstlos Hilfe anbot, zu fördern.
Achebe schreibt dicht, ironisch, voller Weisheit und Humor, und trotz allen Anspruchs einfach. Wenn er spricht - leise, bescheiden (er nennt sich selber einen "faulen Dichter"), stets begleitet von Gesten der Hände -, malt er Bilder. Er wäre zufrieden, sagt Chinua Achebe, falls seine Werke dazu beitrügen, seinen Lesern zu zeigen, daß Afrikas Vergangenheit "nicht eine lange Nacht der Barbarei" gewesen sei, von denen erst die Europäer sie befreit hätten.
ROBERT VON LUCIUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Der Schriftsteller, der die Krise seines Kontinents auf den Begriff brachte: Der afrikanische Autor Chinua Achebe wird siebzig
Er habe der Welt Afrika gebracht: Kürzer und eindrücklicher könnte es kaum jemand sagen. So würdigte Nelson Mandela, der große alte Mann der afrikanischen Politik, Chinua Achebe, den großen alten Mann der Literatur seines Kontinents. Mandela berichtete, er habe als Häftling auf der Robbeninsel oft in Achebes Werk gelesen, und durch diesen seien seine Gefängnismauern gefallen. Ein Land, das einen Achebe hervorgebracht habe, könne nicht ohne Hoffnung sein, ergänzte der nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo. Seit zwei Wochen bereits wird der Schöpfer und Patriarch der modernen afrikanischen Novelle bei Symposien und Buchmessen in den Vereinigten Staaten und in seinem heimatlichen Nigeria gefeiert zu seinem siebzigsten Geburtstag am heutigen Donnerstag.
Mit seiner ersten Novelle wurde der junge Achebe mit einem Schlag berühmt. Der - einem Yeats-Gedicht entnommene - Titel "Things Fall Apart" ("Okonkwo oder Das Alte stürzt") wurde zum Schlagwort der Krise Afrikas. Mehr als zehn Millionen Exemplare wurden verkauft, Übersetzungen erfolgten in mehr als fünfzig Sprachen: Kein anderes Werk afrikanischer Literatur hat auch nur annähernd einen solchen Erfolg gehabt wie dieses zweimal ins Deutsche übersetzte Buch, das durch das afrikanisierte Englisch des Originals jeden Übersetzer vor eine große Herausforderung stellt. Noch heute, 42 Jahre nach seinem Erscheinen, ist es das meistgelesene afrikanische Werk in einer europäischen Sprache. In Afrika ist es Pflichtlektüre an Schulen und Universitäten. Es legte als erstes Werk, das den Kolonialismus aus afrikanischer Perspektive schildert, den Keim für die postkoloniale Literatur, und das noch in der Sprachweise, die Afrikaner zu nutzen pflegen.
In der vom Umfang her schmalen Novelle voller Bilder greift Achebe das Thema auf, das in anderer Form auch im Mittelpunkt seiner weiteren vier Novellen - darunter die Satire "A Man of the People" ("Ein Mann des Volkes", deutsch 1990) - steht: die Krise Afrikas im Umschwung von einer dörflich-traditionellen zu einer verstädterten westlichen Gesellschaft und der Verfall der Werte. Am Ende, nachdem christliche Missionare und dann Kolonialbeamte seine Heimat und seine Welt umgekrempelt haben und andere Dorfbewohner sich seinen Versuchen, sich zu wehren, nicht anschließen, begeht der Krieger und Dorfälteste Okonkwo (für die afrikanische Gesellschaft ungewöhnlich) Selbstmord.
In "Das Alte stürzt" schildert Achebe die Welt seines Volkes, der Igbo (Ibo) im Südosten Nigerias: Regen, Naturkreislauf, Ernten, Ahnen, Geschichtenerzählen. Er verklärt diese Welt nicht und verweist auch auf die altafrikanische Tradition der Gewalt gegen Gegner, gegen Frauen und gegen Außenseiter. Ende der sechziger Jahre begann mit dem Bürgerkrieg in seiner Heimat, bei dem er aktiv an der Seite Biafras stand, eine Schaffenskrise. Achebe wandte sich Essays, Gedichten, Kurzgeschichten, Kinderbüchern und Buchkritiken zu und schrieb mit "Anthills of the Savannah" ("Termitenhügel in der Savanne", 1987), einer Geschichte von Macht und Enttäuschung, nur noch einen Roman, in dem er erstmals - inspiriert vermutlich von Frau und Töchtern - die Rolle der Frau hervorhob. Seine Ferne von Afrika, dem Quell seiner Eingebung, erzwang die politische Lage, die vor zwei Jahren gestürzte Militärdiktatur, aber auch ein Autounfall in Lagos 1990, der ihn an den Rollstuhl band. Seitdem lebt er in der Nähe von New York und kehrte bislang nur einmal nach Afrika zurück.
Achebe sehnt sich nach Nigeria, auch wenn das Heimatland ihn bis vor kurzem schlecht behandelte. Noch nach fast zwanzig Jahren wird sein einleitender Satz einer Analyse zum Niedergang Nigerias oft zitiert: Der Ärger mit Nigeria sei schlicht ein Versagen seiner Führung. Auch wenn Achebe Militärherrschern, Korruption und Verfall Widerstand bot, erlag er nie ideologischen Schlagworten oder radikalen Versuchungen. In Nigeria sei es wie bei Hamlets Dänemark, sagt er: Falls der König, die Quelle der Gerechtigkeit, korrupt sei, sei auch das Volk vergiftet.
Der neuen Führung unter Obasanjo will Achebe trotz Skepsis "eine Chance" zugestehen. Zurück zu seinen Wurzeln kann er nur, falls sich dort die medizinische Versorgung nachhaltig bessert. Achebe lehrt seit knapp einem Jahrzehnt Literatur am Bard College, wo ihn zu Monatsbeginn andere Große der Literatur würdigten, darunter Toni Morrison und sein Landsmann Wole Soyinka. Beide haben jene Auszeichnung erhalten, die Chinua Achebe bisher trotz einer Fülle von Literaturpreisen und mehr als zwanzig Ehrendoktortiteln verwehrt blieb, den Nobelpreis für Literatur.
Die Schleusen für die afrikanische Literatur hat Chinua Achebe gleich zweimal geöffnet: als wegweisender Autor und als Förderer und Lektor. Achebe, der mit seiner Kunst auch erziehen will, begründete und betreute ohne Entlohnung beim britischen Heinemann Verlag die Reihe "African Writers Series", die der Literatur Afrikas das Tor zum Westen öffnete. Später gründete er selber einen Verlag und gab die Literaturzeitschrift "Okike" heraus, um jüngere afrikanische Schriftsteller, denen er stets selbstlos Hilfe anbot, zu fördern.
Achebe schreibt dicht, ironisch, voller Weisheit und Humor, und trotz allen Anspruchs einfach. Wenn er spricht - leise, bescheiden (er nennt sich selber einen "faulen Dichter"), stets begleitet von Gesten der Hände -, malt er Bilder. Er wäre zufrieden, sagt Chinua Achebe, falls seine Werke dazu beitrügen, seinen Lesern zu zeigen, daß Afrikas Vergangenheit "nicht eine lange Nacht der Barbarei" gewesen sei, von denen erst die Europäer sie befreit hätten.
ROBERT VON LUCIUS
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.06.2012Wenn ein Großmaul zwischen allen Stühlen sitzt
Ein Grundbuch der afrikanischen Literatur: Chinua Achebes Erstling „Alles zerfällt“ von 1958 gibt es jetzt in einer deutschen Neuübersetzung
Das wird schiefgehen. Mit Okonkwo, dem stolzen Krieger aus dem nigerianischen Stamm der Igbo, ist etwas faul. Auch wenn er selber glaubt, dass er der Größte und Schönste sei: er wird von ganz oben auf die Nase fallen. Geschickt lässt Chinua Achebe, dessen Welterfolg „Things fall apart“ jetzt in einer Neuübersetzung erscheint, uns eine gute Weile lang glauben, er halte die Selbstgerechtigkeit und den tölpelhaften Jähzorn dieses bedeutenden Mannes, der alles tut, um den Ruf seines Vaters vergessen zu machen, für „normal“.
Auch seine drei Frauen behandelt Okonkwo grob. Als die jüngste einen Tag lang wegbleibt, ohne sich abzumelden, verprügelt er sie im Zorn. Die beiden älteren Frauen versuchen, ihn davon abzuhalten, aber „halbe Sachen“ sind nicht Okonkwos Ding. Das heißt auch: er ist erfolgreich. Ganz anders als sein Vater, der gerne sang, trank und Schulden machte. Jede der Frauen Okonkwos hat ihre eigene Hütte, eigene Hühner. Die sollen bloß meckern, keine kann sagen, er sorge nicht für seine Familie.
Chinua Achebe, 1930 im Osten Nigerias geboren, hat 2002 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und 2007 den Booker-Prize erhalten. Wie aber kam es dazu, dass sein Erstling, der 1958 auf Englisch erschien, in fünfzig Sprachen übersetzt ist und eine Weltauflage von acht Millionen erreichte, auf Deutsch erst 1976 in einer Ausgabe im Aufbau-Verlag in der DDR erschien? Und dass es weitere zehn Jahre dauerte, bis Suhrkamp ihn in einem „editions“-Bändchen versteckte, ehe jetzt, wieder eine Generation später, eine neue Hardcover-Ausgabe erscheint?
Teils war es wohl schlicht zu früh: Ende der fünfziger Jahre war nicht die Zeit, in der eine provinzielle Postnazitrümmer- und Wirtschaftswunder-Gesellschaft, die eifrig versuchte, sich nach dem Vorbild USA zu recken, für diesen Roman aus Schwarzafrika reif gewesen wäre. Umso mehr, als es darin nicht einmal um die koloniale bis postkoloniale Gegenwart ging: „Alles zerfällt“ spielt um 1890 und markiert einen ganz anderen Übergang, der zu Beginn des Buchs noch gar nicht erkennbar ist.
Chinua Achebe erzählt beinahe ausschließlich aus afrikanisch-dörflicher Perspektive vom Ende der Stammesherrschaft und von den Anfängen des kolonialen Systems. Das bedeutet, dass auch manch heute irritierend volkstümliches Stammesleben eine Rolle spielt. Aber es wird ebenso nachvollziehbar, dass der Kolonialismus auch in der eigenen, afrikanischen Gesellschaft seine Stützen hatte. Das ist nicht unpikant. Achebe selbst verfügt über eine Herkunft, die ihn dazu prädestiniert, doppeldeutige Bücher zu schreiben: Sein Vater war Katechet, und man muss nur die Generationen hochrechnen und bemerken, dass der Buch-Okonkwo einen Sohn hat, der zu den Christen geht, um in Okonkwo die Großväter von Achebe zu vermuten.
Inwieweit Buch und Lebensverhältnisse letztlich abzugleichen sind, ist eher unwesentlich: aber die intime Kenntnis der Konflikte, in die man als Schwarzer in der damaligen Übergangszeit geraten konnte, hilft dem Roman mehr als vieles andere. Erst allmählich kommt er nämlich auf die Ebene von Weltliteratur, werden Okonkwos Schwierigkeiten mit dem Vater, dem Sohn, dem eigenen herrischen Temperament sowie seine Probleme mit den Dorfgrößen im Rahmen politischer Geschichte lesbar. Okonkwo, der vom Stamm für sieben Jahre in das Dorf der Familie seiner Mutter verbannt wird, weil er bei einer Totenfeier versehentlich ein Stammesmitglied tötet, gerät Achebe nach und nach zur ungebärdigen Repräsentativfigur eines Afrikas im Übergang. Roh und begabt, stolz und großmäulig, von vorneherein feindselig gegenüber den inzwischen eingetroffenen Missionaren, setzt er sich immer zwischen alle Stühle, passt weder in die alte noch in die neue Gesellschaft.
Achebe selbst schimpft noch heute kräftig über Joseph Conrad & Co, die ein düster-dramatisches, spannendes Bild vom Leben in den Kolonien entwerfen, zu dessen Exotik es gehört, dass die Einheimischen meist eine unheimliche, gesichts- und namenlose Leerstelle bleiben. Tatsächlich gelingt Achebe schon in seinem ersten, formal keineswegs perfekt austarierten Roman, ein nichtfolkloristisches Bild einer in sich zerrissenen schwarzen Gesellschaft aus Individuen.
Die Weißen und ihre Welt spielen darin nur eine kleine Rolle. Zuerst kommt ein Missionar, der aus Lehm eine kleine Kirche baut – unterstützt von Auswärtigen, bei denen das Kolonialregime und seine Folgen früher angekommen sind. Father Brown will seinen Glauben als überzeugendes Vorbild vertreten. In den Augen der Dorfgemeinschaft bleibt er so „dumm“ wie alle Weißen, weil auch er die Regeln nicht kennt, nach denen sich das Leben hier richtet, aber er wird als Fremder akzeptiert.
Ganz anders sein Nachfolger, der nach Browns krankheitsbedingtem Tod eintrifft. Smith hat es, sagt er, nicht auf die „Masse“ abgesehen, sondern auf eine strenggläubige Elite. Er verabscheut Browns Kompromisse mit dem „heidnischen“ Glauben, und fördert unter den einheimischen Jüngern fanatische Konvertiten, die gern gleich in irgendeinen heiligen Krieg zögen.
Aber auch die Weißen zeigen bei Achebe ein doppeltes Gesicht. Einerseits bittet der District Commissioner in die Stadt, um Streit zu schlichten. Doch eine Delegation, der auch Okonkwo angehört, wird, als sie ihre Sicht eines Konflikts schildert, festgenommen. Klassischer Verrat. Nach dem Verhör verschwindet der District Commissioner. Provokant lässt Achebe offen, ob der Commissioner oder die schwarzen Helfershelfer für die anschließende Demütigung, die Kahlscherung der Gefangenen, verantwortlich sind.
Mit der Beschränkung auf die Einheimischen-Perspektive erreicht Achebe die beklemmende Illusion einer nachvollzogenen Kolonialisierung. Weiße tauchen zuerst nur wie schemenhaft im Bewusstsein der Schwarzen auf. Erst in Achebes folgenden Büchern, wie „Arrow of God“, werden sie zu gleichberechtigten Akteuren, kompliziert sich das Bild des Zusammenlebens. In „A Man of the People“ zeigt Achebe schließlich einen korrupten schwarzen Minister. Auf diese Weise werden seine Bücher, bei teils wiederkehrendem Personal, über die Jahre zu einer Art afrikanischer Chronik.
Doch was passiert mit Okonkwo? Seine Figur wird immer tragischer, problematischer. Allmählich beginnt man sich ausgerechnet in ihn, der anfangs wie ein brutaler Tölpel wirkte, einzufühlen. Was ihm auch nicht hilft. Als Abgesandte der Kolonialregierung auftauchen, kann er sich wieder nicht beherrschen.
HANS-PETER KUNISCH
CHINUA ACHEBE: Alles zerfällt. Roman. Aus dem Englischen von Uda Strätling. Mit einem Vorwort von Chinamanda Ngozi Adichi. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 237 Seiten, 19,99 Euro.
In diesem Roman entsteht das
Bild einer in sich zerrissenen
schwarzen Gesellschaft
Im Südosten Nigerias, im frühen 20. Jahrhundert: Männer aus dem Stamme der Igbo decken ein Hausdach mit Matten aus Palmblättern Foto: Bettmann/CORBIS
Chinua Achebe 2008 in New York
Foto: AP
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Ein Grundbuch der afrikanischen Literatur: Chinua Achebes Erstling „Alles zerfällt“ von 1958 gibt es jetzt in einer deutschen Neuübersetzung
Das wird schiefgehen. Mit Okonkwo, dem stolzen Krieger aus dem nigerianischen Stamm der Igbo, ist etwas faul. Auch wenn er selber glaubt, dass er der Größte und Schönste sei: er wird von ganz oben auf die Nase fallen. Geschickt lässt Chinua Achebe, dessen Welterfolg „Things fall apart“ jetzt in einer Neuübersetzung erscheint, uns eine gute Weile lang glauben, er halte die Selbstgerechtigkeit und den tölpelhaften Jähzorn dieses bedeutenden Mannes, der alles tut, um den Ruf seines Vaters vergessen zu machen, für „normal“.
Auch seine drei Frauen behandelt Okonkwo grob. Als die jüngste einen Tag lang wegbleibt, ohne sich abzumelden, verprügelt er sie im Zorn. Die beiden älteren Frauen versuchen, ihn davon abzuhalten, aber „halbe Sachen“ sind nicht Okonkwos Ding. Das heißt auch: er ist erfolgreich. Ganz anders als sein Vater, der gerne sang, trank und Schulden machte. Jede der Frauen Okonkwos hat ihre eigene Hütte, eigene Hühner. Die sollen bloß meckern, keine kann sagen, er sorge nicht für seine Familie.
Chinua Achebe, 1930 im Osten Nigerias geboren, hat 2002 den Friedenspreis des deutschen Buchhandels und 2007 den Booker-Prize erhalten. Wie aber kam es dazu, dass sein Erstling, der 1958 auf Englisch erschien, in fünfzig Sprachen übersetzt ist und eine Weltauflage von acht Millionen erreichte, auf Deutsch erst 1976 in einer Ausgabe im Aufbau-Verlag in der DDR erschien? Und dass es weitere zehn Jahre dauerte, bis Suhrkamp ihn in einem „editions“-Bändchen versteckte, ehe jetzt, wieder eine Generation später, eine neue Hardcover-Ausgabe erscheint?
Teils war es wohl schlicht zu früh: Ende der fünfziger Jahre war nicht die Zeit, in der eine provinzielle Postnazitrümmer- und Wirtschaftswunder-Gesellschaft, die eifrig versuchte, sich nach dem Vorbild USA zu recken, für diesen Roman aus Schwarzafrika reif gewesen wäre. Umso mehr, als es darin nicht einmal um die koloniale bis postkoloniale Gegenwart ging: „Alles zerfällt“ spielt um 1890 und markiert einen ganz anderen Übergang, der zu Beginn des Buchs noch gar nicht erkennbar ist.
Chinua Achebe erzählt beinahe ausschließlich aus afrikanisch-dörflicher Perspektive vom Ende der Stammesherrschaft und von den Anfängen des kolonialen Systems. Das bedeutet, dass auch manch heute irritierend volkstümliches Stammesleben eine Rolle spielt. Aber es wird ebenso nachvollziehbar, dass der Kolonialismus auch in der eigenen, afrikanischen Gesellschaft seine Stützen hatte. Das ist nicht unpikant. Achebe selbst verfügt über eine Herkunft, die ihn dazu prädestiniert, doppeldeutige Bücher zu schreiben: Sein Vater war Katechet, und man muss nur die Generationen hochrechnen und bemerken, dass der Buch-Okonkwo einen Sohn hat, der zu den Christen geht, um in Okonkwo die Großväter von Achebe zu vermuten.
Inwieweit Buch und Lebensverhältnisse letztlich abzugleichen sind, ist eher unwesentlich: aber die intime Kenntnis der Konflikte, in die man als Schwarzer in der damaligen Übergangszeit geraten konnte, hilft dem Roman mehr als vieles andere. Erst allmählich kommt er nämlich auf die Ebene von Weltliteratur, werden Okonkwos Schwierigkeiten mit dem Vater, dem Sohn, dem eigenen herrischen Temperament sowie seine Probleme mit den Dorfgrößen im Rahmen politischer Geschichte lesbar. Okonkwo, der vom Stamm für sieben Jahre in das Dorf der Familie seiner Mutter verbannt wird, weil er bei einer Totenfeier versehentlich ein Stammesmitglied tötet, gerät Achebe nach und nach zur ungebärdigen Repräsentativfigur eines Afrikas im Übergang. Roh und begabt, stolz und großmäulig, von vorneherein feindselig gegenüber den inzwischen eingetroffenen Missionaren, setzt er sich immer zwischen alle Stühle, passt weder in die alte noch in die neue Gesellschaft.
Achebe selbst schimpft noch heute kräftig über Joseph Conrad & Co, die ein düster-dramatisches, spannendes Bild vom Leben in den Kolonien entwerfen, zu dessen Exotik es gehört, dass die Einheimischen meist eine unheimliche, gesichts- und namenlose Leerstelle bleiben. Tatsächlich gelingt Achebe schon in seinem ersten, formal keineswegs perfekt austarierten Roman, ein nichtfolkloristisches Bild einer in sich zerrissenen schwarzen Gesellschaft aus Individuen.
Die Weißen und ihre Welt spielen darin nur eine kleine Rolle. Zuerst kommt ein Missionar, der aus Lehm eine kleine Kirche baut – unterstützt von Auswärtigen, bei denen das Kolonialregime und seine Folgen früher angekommen sind. Father Brown will seinen Glauben als überzeugendes Vorbild vertreten. In den Augen der Dorfgemeinschaft bleibt er so „dumm“ wie alle Weißen, weil auch er die Regeln nicht kennt, nach denen sich das Leben hier richtet, aber er wird als Fremder akzeptiert.
Ganz anders sein Nachfolger, der nach Browns krankheitsbedingtem Tod eintrifft. Smith hat es, sagt er, nicht auf die „Masse“ abgesehen, sondern auf eine strenggläubige Elite. Er verabscheut Browns Kompromisse mit dem „heidnischen“ Glauben, und fördert unter den einheimischen Jüngern fanatische Konvertiten, die gern gleich in irgendeinen heiligen Krieg zögen.
Aber auch die Weißen zeigen bei Achebe ein doppeltes Gesicht. Einerseits bittet der District Commissioner in die Stadt, um Streit zu schlichten. Doch eine Delegation, der auch Okonkwo angehört, wird, als sie ihre Sicht eines Konflikts schildert, festgenommen. Klassischer Verrat. Nach dem Verhör verschwindet der District Commissioner. Provokant lässt Achebe offen, ob der Commissioner oder die schwarzen Helfershelfer für die anschließende Demütigung, die Kahlscherung der Gefangenen, verantwortlich sind.
Mit der Beschränkung auf die Einheimischen-Perspektive erreicht Achebe die beklemmende Illusion einer nachvollzogenen Kolonialisierung. Weiße tauchen zuerst nur wie schemenhaft im Bewusstsein der Schwarzen auf. Erst in Achebes folgenden Büchern, wie „Arrow of God“, werden sie zu gleichberechtigten Akteuren, kompliziert sich das Bild des Zusammenlebens. In „A Man of the People“ zeigt Achebe schließlich einen korrupten schwarzen Minister. Auf diese Weise werden seine Bücher, bei teils wiederkehrendem Personal, über die Jahre zu einer Art afrikanischer Chronik.
Doch was passiert mit Okonkwo? Seine Figur wird immer tragischer, problematischer. Allmählich beginnt man sich ausgerechnet in ihn, der anfangs wie ein brutaler Tölpel wirkte, einzufühlen. Was ihm auch nicht hilft. Als Abgesandte der Kolonialregierung auftauchen, kann er sich wieder nicht beherrschen.
HANS-PETER KUNISCH
CHINUA ACHEBE: Alles zerfällt. Roman. Aus dem Englischen von Uda Strätling. Mit einem Vorwort von Chinamanda Ngozi Adichi. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 237 Seiten, 19,99 Euro.
In diesem Roman entsteht das
Bild einer in sich zerrissenen
schwarzen Gesellschaft
Im Südosten Nigerias, im frühen 20. Jahrhundert: Männer aus dem Stamme der Igbo decken ein Hausdach mit Matten aus Palmblättern Foto: Bettmann/CORBIS
Chinua Achebe 2008 in New York
Foto: AP
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