October 15, 1951 marks the birthday of one of the key episodes in 20th century social history: the first synthesis of a steroid oral contraceptive in a small laboratory in Mexico City - an event that triggered the development of the Pill. Carl Djerassi has been honoured worldwide for that accomplishment, which ultimately changed the life of women and the nature of human reproduction in ways that were not foreseeable. On the 50th anniversary of this pivotal event, Djerassi weaves a compelling personal narrative full of self-reflection and occasional humour on the impact this invention has had on the world at large and on him personally. He credits the Pill with radically altering his academic career at Stanford University to become one of the few American chemists writing novels and plays. This Man's Pill presents a forcefully revisionist account of the early history of the Pill, debunking many of the journalistic and romantic accounts of its scientific origin. Djerassi does not shrink from exploring why we have no Pill for men or why Japan only approved the Pill in 1999 (together with Viagra). Emphasizing that development of the Pill occurred during the post-War period of technological euphoria, he believes that it could not be repeated in today's climate. Would the sexual revolution of the 1960s or the impending separation of sex ("in bed") and fertilization ("under the microscope") still have happened? This Man's Pill answers such questions while providing a uniquely authoritative account of a discovery that changed the world.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.10.2001Djerassi-Park
Der Pillenpapst:
Carl Djerassi ist gut drauf
Früher, vor dem ganz großen Debakel des 20. Jahrhunderts, stammte der echte Berliner aus Breslau. Und so scheint auch der echte Amerikaner ein Einwanderer zu sein, der seine Heimat aufgab, um jenseits des Meeres die Hoffnung auf ein besseres Leben in das Land mit den sprichwörtlich unbegrenzten Möglichkeiten zu tragen. Nur wenige waren schon im ersten Anlauf so erfolgreich wie Djerassi, aber der unternehmende und optimistische Geist prägt die einzig verbliebene Weltmacht bis heute. Wohin zieht es die Flüchtlinge von überall her, aber auch ehrgeizige Wissenschaftler und nüchtern kalkulierende Yuppies? Nach Amerika.
Djerassi wurde 1923 in Wien geboren, in Bulgarien ging er zur Schule und kam als fünfzehnjähriger in die Vereinigten Staaten. In seinem Buch, in dem der Autor mit Informationen aus seinem Liebesleben nicht geizt, fehlen Hinweise über die Eltern. Als ob Djerassi das Bild des Selfmademan ausfüllen wollte, das auch zu den Versprechungen der Neuen Welt gehört: Aus dem Nichts kommen und am Ende reich und sogar berühmt sein.
Djerassi studierte Chemie und wurde auf Umwegen, die er in diesem Sammelband von geistreichen Plaudereien und Exkursen auch detailliert darlegt, zur „Mutter” der Pille. Warum „Mutter”? Anders als Revolutionen in den Geisteswissenschaften, haben naturwissenschaftliche Erfindungen eine Genealogie. Die Pille hat Eltern, hat, in der Gestalt von kooperierenden Kollegen und investierenden Pharmaunternehmen auch rivalisierende Geschwister und Vorarbeiter, die man füglich Großeltern nennen sollte.
Die Wiege stand in Mexiko
Schweigt sich Djerassi, um seine Größe nicht zu verkleinern, über die eigenen Eltern aus, so kompensiert er diese Schwäche mit wissenschaftssoziologischen Betrachtungen über den Hickhack in der akademischen Welt und den Autorenehrgeiz gerade von Naturwissenschaftlern, die es eigentlich besser wissen müssten. Offenbar frönen sie einem Narzissmus, der umgekehrt proportional zum Alltag des Labors und seiner splitterhaft verteilten Erkenntnisse steht. Naturwissenschaften sind ein Mannschaftssport, so muss der Laie Djerassi verstehen, der darunter leidet, dass alle Teilnehmer Starallüren entwickeln. Ihr Ego wird frustriert; denn was jeder zu sagen hat, wirft neue Fragen auf, verkündet niemals Antworten. Hat die Pille, an deren Erfindung und Vermarktung Djerassi im frischen Alter von 27 Jahren beteiligt war, die Welt verändert? Der Leser erfährt, warum gerade in Mexico City 1951 die Geburt der Pille stattfand.Dort gab es ein Unternehmen, das die Marktchancen dieses Medikaments erkannte. Es ist bemerkenswert, dass, angefangen mit der Pille, sämtliche Erfindungen auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin darauf abzielten, Gesundheitsprobleme von Frauen oder die Infertilität von Paaren zu behandeln. Aus medizinischer Nachhilfe wurde und wird aber immer noch ein Angebot zur Planung und Kontrolle und zur Überschreitung von Grenzen, mit denen für viele auch Werte fallen, an denen Humanität im moralischen Sinn hängt.
Wie sein amüsantes und intelligentes Buch zeigt, ist Djerassi realistisch genug, die Pille nicht zu überschätzen. 1951 wurde sie erfunden, doch begann ihre Karriere erst 1961, als sie in den Vereinigten Staaten zugelassen wurde. Ein Medikament für Gesunde hat eben strengere Prüfungen zu bestehen als eins für Kranke, bei dem man das Risiko des Schadens mit dem Nutzen verrechnen konnte. Ohne die Aufbruchstimmung der sechziger Jahre und ihren reformerischen Ehrgeiz hätte die Pille aber dennoch keine Chance gehabt. Sie schien ein ästhetisch und psychologisch perfektes Mittel, Sex und Liebesglück vom Kinderkriegen und all seinen sozialen Verwicklungen abzukoppeln. Es ist kein Zufall, dass gerade die Frauenbewegung der Pille skeptisch gegenüberstand, nicht nur, weil die ersten Ausgaben extrem schlecht und die Folgen bei Langzeiteinnahme alles weniger als unbedenklich waren.
Warum wurde das Kondom, in Zeiten von Aids dann endlich popularisiert, nicht schon damals unter die Leute gebracht? Erst 1987 erlebte Djerassi, seit langem Professor an der Stanford University, dass auf seinem Campus ein Kondomautomat installiert wurde. Die Pille, der er Ruhm und Reichtum verdankt, hat die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Djerassi guckt sich das alles an, er ist selbst ein – zugegeben, äußerst charmanter und witziger – Narziss. Der Chemie, der Forschung hat er ade gesagt – sein Ehrgeiz gilt der Popularisierung der Naturwissenschaften sowie interdisziplinären Seminaren, an denen sogar Theologen teilnehmen dürfen. Grob gesagt, bestätigt Djerassi das Vorurteil, demzufolge die Naturwissenschaften zwar exakt funktionieren, aber eigentlich nichts zu sagen haben. Den größeren Rest seines Lebens hat er schließlich auch seiner Kunstsammlung, philantropischen Unternehmungen und allerlei Debatten gewidmet. Und dem Schreiben von Romanen und Theaterstücken!
Hat die Pille Djerassi berühmt gemacht, so haben die Frauen vor allem von der Straffreiheit der Abtreibung profitiert. Der weiblichen Freiheit, die Djerassi nebenher fördern wollte, war damit besser geholfen als mit einem Medikament.
KATHARINA RUTSCHKY
CARL DJERASSI: This man’s Pill. Sex, Kunst und Unsterblichkeit. Aus dem Amerikanischen von Ursula-Maria Mössner. Haymon Verlag, Innsbruck 2001. 236 Seiten, 39,80 Mark.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
Der Pillenpapst:
Carl Djerassi ist gut drauf
Früher, vor dem ganz großen Debakel des 20. Jahrhunderts, stammte der echte Berliner aus Breslau. Und so scheint auch der echte Amerikaner ein Einwanderer zu sein, der seine Heimat aufgab, um jenseits des Meeres die Hoffnung auf ein besseres Leben in das Land mit den sprichwörtlich unbegrenzten Möglichkeiten zu tragen. Nur wenige waren schon im ersten Anlauf so erfolgreich wie Djerassi, aber der unternehmende und optimistische Geist prägt die einzig verbliebene Weltmacht bis heute. Wohin zieht es die Flüchtlinge von überall her, aber auch ehrgeizige Wissenschaftler und nüchtern kalkulierende Yuppies? Nach Amerika.
Djerassi wurde 1923 in Wien geboren, in Bulgarien ging er zur Schule und kam als fünfzehnjähriger in die Vereinigten Staaten. In seinem Buch, in dem der Autor mit Informationen aus seinem Liebesleben nicht geizt, fehlen Hinweise über die Eltern. Als ob Djerassi das Bild des Selfmademan ausfüllen wollte, das auch zu den Versprechungen der Neuen Welt gehört: Aus dem Nichts kommen und am Ende reich und sogar berühmt sein.
Djerassi studierte Chemie und wurde auf Umwegen, die er in diesem Sammelband von geistreichen Plaudereien und Exkursen auch detailliert darlegt, zur „Mutter” der Pille. Warum „Mutter”? Anders als Revolutionen in den Geisteswissenschaften, haben naturwissenschaftliche Erfindungen eine Genealogie. Die Pille hat Eltern, hat, in der Gestalt von kooperierenden Kollegen und investierenden Pharmaunternehmen auch rivalisierende Geschwister und Vorarbeiter, die man füglich Großeltern nennen sollte.
Die Wiege stand in Mexiko
Schweigt sich Djerassi, um seine Größe nicht zu verkleinern, über die eigenen Eltern aus, so kompensiert er diese Schwäche mit wissenschaftssoziologischen Betrachtungen über den Hickhack in der akademischen Welt und den Autorenehrgeiz gerade von Naturwissenschaftlern, die es eigentlich besser wissen müssten. Offenbar frönen sie einem Narzissmus, der umgekehrt proportional zum Alltag des Labors und seiner splitterhaft verteilten Erkenntnisse steht. Naturwissenschaften sind ein Mannschaftssport, so muss der Laie Djerassi verstehen, der darunter leidet, dass alle Teilnehmer Starallüren entwickeln. Ihr Ego wird frustriert; denn was jeder zu sagen hat, wirft neue Fragen auf, verkündet niemals Antworten. Hat die Pille, an deren Erfindung und Vermarktung Djerassi im frischen Alter von 27 Jahren beteiligt war, die Welt verändert? Der Leser erfährt, warum gerade in Mexico City 1951 die Geburt der Pille stattfand.Dort gab es ein Unternehmen, das die Marktchancen dieses Medikaments erkannte. Es ist bemerkenswert, dass, angefangen mit der Pille, sämtliche Erfindungen auf dem Gebiet der Reproduktionsmedizin darauf abzielten, Gesundheitsprobleme von Frauen oder die Infertilität von Paaren zu behandeln. Aus medizinischer Nachhilfe wurde und wird aber immer noch ein Angebot zur Planung und Kontrolle und zur Überschreitung von Grenzen, mit denen für viele auch Werte fallen, an denen Humanität im moralischen Sinn hängt.
Wie sein amüsantes und intelligentes Buch zeigt, ist Djerassi realistisch genug, die Pille nicht zu überschätzen. 1951 wurde sie erfunden, doch begann ihre Karriere erst 1961, als sie in den Vereinigten Staaten zugelassen wurde. Ein Medikament für Gesunde hat eben strengere Prüfungen zu bestehen als eins für Kranke, bei dem man das Risiko des Schadens mit dem Nutzen verrechnen konnte. Ohne die Aufbruchstimmung der sechziger Jahre und ihren reformerischen Ehrgeiz hätte die Pille aber dennoch keine Chance gehabt. Sie schien ein ästhetisch und psychologisch perfektes Mittel, Sex und Liebesglück vom Kinderkriegen und all seinen sozialen Verwicklungen abzukoppeln. Es ist kein Zufall, dass gerade die Frauenbewegung der Pille skeptisch gegenüberstand, nicht nur, weil die ersten Ausgaben extrem schlecht und die Folgen bei Langzeiteinnahme alles weniger als unbedenklich waren.
Warum wurde das Kondom, in Zeiten von Aids dann endlich popularisiert, nicht schon damals unter die Leute gebracht? Erst 1987 erlebte Djerassi, seit langem Professor an der Stanford University, dass auf seinem Campus ein Kondomautomat installiert wurde. Die Pille, der er Ruhm und Reichtum verdankt, hat die in sie gesetzten Hoffnungen nicht erfüllt. Djerassi guckt sich das alles an, er ist selbst ein – zugegeben, äußerst charmanter und witziger – Narziss. Der Chemie, der Forschung hat er ade gesagt – sein Ehrgeiz gilt der Popularisierung der Naturwissenschaften sowie interdisziplinären Seminaren, an denen sogar Theologen teilnehmen dürfen. Grob gesagt, bestätigt Djerassi das Vorurteil, demzufolge die Naturwissenschaften zwar exakt funktionieren, aber eigentlich nichts zu sagen haben. Den größeren Rest seines Lebens hat er schließlich auch seiner Kunstsammlung, philantropischen Unternehmungen und allerlei Debatten gewidmet. Und dem Schreiben von Romanen und Theaterstücken!
Hat die Pille Djerassi berühmt gemacht, so haben die Frauen vor allem von der Straffreiheit der Abtreibung profitiert. Der weiblichen Freiheit, die Djerassi nebenher fördern wollte, war damit besser geholfen als mit einem Medikament.
KATHARINA RUTSCHKY
CARL DJERASSI: This man’s Pill. Sex, Kunst und Unsterblichkeit. Aus dem Amerikanischen von Ursula-Maria Mössner. Haymon Verlag, Innsbruck 2001. 236 Seiten, 39,80 Mark.
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