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Wer reist, sündigt nicht: Jörn W. Mundt erzählt das rastlose Leben des ersten großen Reiseunternehmers Thomas Cook
All inclusive, Après-Ski, Oktoberfest, Riesling mit klassischem Konzert in Schlossanlagen, Kegelclubs mit Getränkebatterien morgens im ICE, zwölf Gänge mit Weinbegleitung, Happy Hour, Ballermann 6: Der Tourismus unterhält als fortgesetzter Feierabend und Sonntag im Alltag über alle seine Güteklassen hinweg ein freundliches Verhältnis zu Gärprodukten.
Wie merkwürdig darum, dass sein erster großer Organisator, der Brite Thomas Cook, ausgerechnet als militanter Abstinenzler darauf kam, in großem Stile Gruppenreisen zu veranstalten. Der Grund: Für Cook steigerten die außeralltäglichen Vergnügungen einander nicht, sondern eine moralisch vertretbare Unterhaltung, das Reisen hin zu Sehenswertem, sollte von einer lasterhaften, dem Trinken (wie auch den Pferdewetten), ablenken und sie ersetzen. Das Trinken war für ihn der sicherste Weg, niemals aus dem Elend herauszukommen und insofern das Gegenteil zu jener sozialen Mobilität, die sein eigenes Leben in jeder Hinsicht bestimmte.
1808 unweit von Nottingham im Herzen Englands geboren, war Cook in äußerst armen Verhältnissen aufgewachsen und erlebte schon als Lehrling, wie sich die Herren, denen er diente, Verstand und Vermögen wegsoffen. Ihm half der Glaube, standfest dagegen zu werden, er besuchte die Sonntagsschule, wurde Baptist, schließlich selbst Lehrer, Wanderprediger und Mitglied der Temperenzler-Bewegung. Für sie gab Cook Zeitschriften heraus, besuchte Aktivistentreffen und schlug eines Tages vor, einen Sonderzug zu einem solchen Treffen zu organisieren: am 5. Juli 1841 von Loughborough nach Leicester.
Von da an waren die Weichen für das bald erfolgreichste Tourismus-Unternehmen Europas gestellt. Jörn W. Mundt weist in seiner unterhaltsamen und gedankenreichen Biographie von Thomas Cook darauf hin, dass dessen Firmenarchiv fast das Quellenmonopol für die Geschichte des organisierten Reisens in England hat, weil Cooks Konkurrenten alle untergingen, seine Firma aber bis 1928 im Reisegeschäft blieb. Zugleich korrigiert Mundt einige immer wiederholte Legenden über Cook. Weder hat er die erste Gruppenreise noch die erste Pauschalreise organisiert, und er hat auch nicht den Travellerscheck erfunden. Vergnügungsausflüge von Gruppen per Bahn sind seit 1836 aktenkundig, die erste Pauschalreise im Sinne echter Vollverpflegung startete erst 1950 mit einem Flug von Gatwick nach Korsika, die Erfindung des Travellerschecks wiederum war einem Londoner Bankier im Jahr 1772 gutzuschreiben.
Was Cook dagegen einführte, war zweierlei: den Reisekatalog und die Möglichkeit, Fahrkarten für alle Teilstrecken von Reisen hin und zurück aus einer Hand zu beziehen, also fest zu buchen und entsprechende Preisnachlässe zu bekommen. "Philanthropie plus fünf Prozent" war die Motivlage für Cook, der stets sehr knapp kalkulierte, um der Weltverbesserung willen - die er als Reiseführer auch gern selbst beaufsichtigte - manches Geschäftsrisiko auf sich nahm, einmal sogar in Konkurs ging.
Ein Projekt jagte nun das nächste: Schottland-Reisen und Ruinentourismus in Irland, Fahrten zur Weltausstellung 1851 und auf dem Nil sowie "Mondscheinausflüge", morgens ins Seebad, nachts zurück: eine der Limitationen des frühen Massentourismus war, dass die Massen kaum Freizeit hatten. Schließlich findet 1872 die erste Weltreise des Unternehmens statt, nicht in achtzig, sondern in 222 Tagen. Jörn W. Mundt schildert das alles mit viel Sinn für die Organisationsprobleme des Unternehmens und für die unterschiedlichen Kontexte, die den Tourismus begünstigten: Romantik, Technik, Historismus und Wohlstand. Nur von der Abstinenz war am Ende nicht mehr die Rede. Cooks Sohn setzte den geschäftlichen Vorrang der Umsatzrendite vor dem moralischen Hobby durch, und später wurde das Motiv einfach vergessen.
JÜRGEN KAUBE
Jörn W. Mundt:
"Thomas Cook". Pionier des Tourismus.
UVK Verlag,
Konstanz 2014. 221 S., geb., 19,99 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
© Perlentaucher Medien GmbH
"Jörn W. Mundt hat die Geschichte des Reiseunternehmers Thomas Cook sachlich, aber auch unterhaltsam mit vielen interessanten historischen Details aufgezeichnet." (musenblaetter.de)
"[...]eine[...] unterhaltsame[...] und gedankenreiche[...] Biographie" (FAZ)
"Man fühlt sich glänzend unterhalten" (DIE WELT)
"Jörn W. Mundt gelingt der Spagat zwischen spannender Reiselektüre und historischen Fakten." (aus-erlesenes-aus-aller-welt.aus-erlesen.de)
"Jörn W. Mundt hat Cooks Leben sehr genau unter die Lupe genommen. Das Ergebnis präsentiert er in einem spannenden und lebendigem Sachbuch, das dabei detailreich und anschaulich ist." (rtf1.de)