Thomas Mann scheint Goethe heute als Nationalschriftsteller abzulösen, repräsentiert sein Werk doch den Krisenweg des 20. Jahrhunderts und die liberaldemokratische Antwort. Er wollte sein Publikum nicht nur unterhalten, sondern auch "erziehen". Dabei steht er in der platonischen Tradition des "Künstlerphilosophen", die er von Nietzsche her ergriff: Mann erkundete paradigmatische Gestalten gelingenden Lebens für die gegebenen Verhältnisse und zielte letztlich wie Platon auf die Koinzidenz des Guten und des Gerechten. Die vorliegende Sammlung skizziert dies, frühere Analysen weiterführend, für "Fiorenza" und das Romanwerk, rekonstruiert die systematische Substanz der "Betrachtungen eines Unpolitischen", erörtert die philosophischen Rezeptionen Thomas Manns durch Ernst Cassirer, Siegfried Marck und Hans Blumenberg und zeigt dann insbesondere am Spätwerk, wie konsequent Mann seine künstlerphilosophische Problemfrage auch über den "Doktor Faustus" und "Felix Krull" hinaus bedachte. Mann explorierte mit seinem Werk die Bedingungen und Möglichkeiten eines subjektiv glückenden und politisch verantwortlichen Lebens in Deutschland. Was er für die Gegenwart eher skeptisch sah, bejahte er dabei mit "Joseph und seine Brüder" als Humanitätsvision.