Because he can't, he won't and he don't stop. Die Beastie Boys, eine der ersten und erfolgreichsten Hip-Hop-Combos, 1982 in New York gegründet, begleiten Thomas Melle seit dreißig Jahren. Der neue Band der KiWi Musikbibliothek ist ein Buch über die Schlagkraft der Jugend und die Unschärfe von Erinnerungen - eine rückblickende Momentaufnahme und eine brillante Analyse des Phänomens »Beastie Boys«. »>Melle, hör mal die neue Beastie Boys, die ist gut.< Das tat ich. Und hörte und höre sie seitdem immer wieder.« Die Musik der Beastie Boys lief stets mit im Leben von Thomas Melle. »Sure Shot« ertönte, als er aus dem Jesuiteninternat in Bad Godesberg ausgebüchst war, um tanzen zu gehen. Auf einem Festival in Bonn sah er die Beastie Boys zum ersten Mal live und hätte fast ein Mädchen geküsst, an das er heute noch gern denkt. Ein Konzert der Band in Berlin 1999 brachte ihn in Ektase und sollte das beste Konzert seines Lebens bleiben. Ein 1996 in Austin/Texas gekauftes Bandshirt gibt Anlass, auf die Suche zu gehen nach besagtem Shirt, aber auch nach einer großen Zeit. Thomas Melles Beschäftigung mit dieser revolutionären Musik ist nicht nur etwas für Hip-Hop-Aficionados. Dieses Buch erzählt ein Leben in fast forward, unterlegt mit dem genial überdrehten Sound der Beastie Boys.
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.03.2022Flucht ins
Pantheon
Thomas Melle über die
„Beastie Boys“ und seine Jugend
Thomas Melle muss erst mal ausbrechen. „Ausgebüchst“ ist er, aus dem Jesuiten-Internat, das er einst besuchte. Irgendwann Mitte der Neunziger. „Ill Communication“, das 1994 erschienene Album der Beastie Boys, das alles enthält, was diese fantastische Band so fantastisch machte (grandiose Playbacks, viele davon selbst und live eingespielt, die markantesten Stimmen des Genres, wirklich sehr guter Humor), war jedenfalls schon veröffentlicht. Und in Bonn, genauer: im dortigen Musiktheaterclub Pantheon, wohin er ausgebüchst war, hörte Melle, gerade als er in der Freiheit ankam, nun den Beastie-Boys-Hit „Sure Shot“. Vielleicht. Denn Melle ist natürlich schlau genug, um zu wissen, dass keiner von uns sich so gut an irgendein Konzert erinnern kann, wie unser Hirn uns das glauben machen will. „In Wahrheit, glaube ich jetzt, wird es irgendwann gespielt worden sein.“
Der Schriftsteller Melle, gefeiert für seine Romane „Sickster“ und „3000 Euro“ und zuletzt „Die Welt im Rücken“, ist nun also auch Teil der „KiWi Musikbibliothek“, bei der mal mehr mal weniger bekannte Fans, Experten oder Kollegen über ihre Erstbegegnungen und das folgende Leben mit Bands oder Popkünstlerinnen schreiben. Melle liefert dabei neben Betrachtungen zur Band unter anderem: eine Art Treibjagd mit den Internatsschergen, die den Ausgebüchsten bis ins Pantheon verfolgt hatten (er entkam). Und das paterliche Leviten lesen („Mein Zorn ist unendlich“) am nächsten Tag. Außerdem ist ein T-Shirt sehr wichtig. Gekauft in „meinem schönsten Jahr, damals in Austin (Texas)“. 1996 war das wiederum. Angeblich fuhr er dort ein Auto, wie es auch im Video zu „Sabotage“ vorkommt. Angeblich feierte er dort Partys, bei denen mindestens eine Frau auf dem Sofa masturbierte (wurde ihm erzählt).
Es geht in diesem Buch also auch viel um Melle selbst. Das ist typisch und konsequent für die Reihe, für die ja programmatisch ist, dass der erste Erkenntnisgegenstand von Pop hier nicht die Kunst selbst sein soll, sondern der Fan als zentrales Medium. Da rutscht man leicht ab in die Nabelschau. Sei’s drum. Wer mit den Beastie Boys aufgewachsen ist und sie liebt, hat schließlich etwas gelernt, das in dieser Welt der Selbstdarstellungen und Urteile über selbige ja immer nur noch wichtiger wird: Vergebung. Man betrachte nur den Umgang der Band mit Frauen: Für den ersten Plattenvertrag feuerten sie – der Über-Produzent Rick Rubin hatte das verlangt – noch Schlagzeugerin Kate Schellenbach, immerhin Gründungsmitglied. Kurz darauf gab’s den wohl ironisch gemeinten aber trotzdem steinblöden Song „Girls“. Dann aber 1994 eben auch „Sure Shot“ und diese Zeilen vom verstorbenen und niemals genug zu vermissenden Beastie Boy Adam Yauch alias MCA: „I want to say a little something that’s long overdue / The disrespect to women has got to be through / To all the mothers and the sisters and the wives and friends / I wanna offer my love and respect till the end.“ Melle hängt den Zeilen eine Petition an: „Wer mag, kann hier unterschreiben.“
JAKOB BIAZZA
Der erste Erkenntnisgegenstand
von Pop ist hier nicht die Kunst
selbst, sondern der Fan
Thomas Melle:
Beastie Boys.
Verlag Kiepenheuer
& Witsch, Köln 2022.
85 Seiten, 10 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Pantheon
Thomas Melle über die
„Beastie Boys“ und seine Jugend
Thomas Melle muss erst mal ausbrechen. „Ausgebüchst“ ist er, aus dem Jesuiten-Internat, das er einst besuchte. Irgendwann Mitte der Neunziger. „Ill Communication“, das 1994 erschienene Album der Beastie Boys, das alles enthält, was diese fantastische Band so fantastisch machte (grandiose Playbacks, viele davon selbst und live eingespielt, die markantesten Stimmen des Genres, wirklich sehr guter Humor), war jedenfalls schon veröffentlicht. Und in Bonn, genauer: im dortigen Musiktheaterclub Pantheon, wohin er ausgebüchst war, hörte Melle, gerade als er in der Freiheit ankam, nun den Beastie-Boys-Hit „Sure Shot“. Vielleicht. Denn Melle ist natürlich schlau genug, um zu wissen, dass keiner von uns sich so gut an irgendein Konzert erinnern kann, wie unser Hirn uns das glauben machen will. „In Wahrheit, glaube ich jetzt, wird es irgendwann gespielt worden sein.“
Der Schriftsteller Melle, gefeiert für seine Romane „Sickster“ und „3000 Euro“ und zuletzt „Die Welt im Rücken“, ist nun also auch Teil der „KiWi Musikbibliothek“, bei der mal mehr mal weniger bekannte Fans, Experten oder Kollegen über ihre Erstbegegnungen und das folgende Leben mit Bands oder Popkünstlerinnen schreiben. Melle liefert dabei neben Betrachtungen zur Band unter anderem: eine Art Treibjagd mit den Internatsschergen, die den Ausgebüchsten bis ins Pantheon verfolgt hatten (er entkam). Und das paterliche Leviten lesen („Mein Zorn ist unendlich“) am nächsten Tag. Außerdem ist ein T-Shirt sehr wichtig. Gekauft in „meinem schönsten Jahr, damals in Austin (Texas)“. 1996 war das wiederum. Angeblich fuhr er dort ein Auto, wie es auch im Video zu „Sabotage“ vorkommt. Angeblich feierte er dort Partys, bei denen mindestens eine Frau auf dem Sofa masturbierte (wurde ihm erzählt).
Es geht in diesem Buch also auch viel um Melle selbst. Das ist typisch und konsequent für die Reihe, für die ja programmatisch ist, dass der erste Erkenntnisgegenstand von Pop hier nicht die Kunst selbst sein soll, sondern der Fan als zentrales Medium. Da rutscht man leicht ab in die Nabelschau. Sei’s drum. Wer mit den Beastie Boys aufgewachsen ist und sie liebt, hat schließlich etwas gelernt, das in dieser Welt der Selbstdarstellungen und Urteile über selbige ja immer nur noch wichtiger wird: Vergebung. Man betrachte nur den Umgang der Band mit Frauen: Für den ersten Plattenvertrag feuerten sie – der Über-Produzent Rick Rubin hatte das verlangt – noch Schlagzeugerin Kate Schellenbach, immerhin Gründungsmitglied. Kurz darauf gab’s den wohl ironisch gemeinten aber trotzdem steinblöden Song „Girls“. Dann aber 1994 eben auch „Sure Shot“ und diese Zeilen vom verstorbenen und niemals genug zu vermissenden Beastie Boy Adam Yauch alias MCA: „I want to say a little something that’s long overdue / The disrespect to women has got to be through / To all the mothers and the sisters and the wives and friends / I wanna offer my love and respect till the end.“ Melle hängt den Zeilen eine Petition an: „Wer mag, kann hier unterschreiben.“
JAKOB BIAZZA
Der erste Erkenntnisgegenstand
von Pop ist hier nicht die Kunst
selbst, sondern der Fan
Thomas Melle:
Beastie Boys.
Verlag Kiepenheuer
& Witsch, Köln 2022.
85 Seiten, 10 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Rezensent Jakob Biazza scheint ansprechend zu finden, wie Thomas Melle im Rahmen der Reihe "KiWi Musikbibliothek" von seiner Beziehung zu den Beastie Boys erzählt: zuallererst und ganz im Sinne der Reihe als Fan, mit Hingabe, aber auch irgendwie locker, so klingt es jedenfalls in Biazzas Zusammenfassung. Ob Melle seinen ersten Beasty Boys-Song nun wirklich 1994 im Musiktheaterclub Pantheon in Bonn gehört hat oder doch ein anderes Mal, sei dann auch nicht so wichtig, findet Biazza. Und auch, dass das Format ein gewisses Abrutschen in die "Nabelschau" erlaube, scheint ihn nicht sonderlich zu stören - er liest gerne von Melles Flucht aus dem Jesuiten-Internat, dessen Zeit in Austin (Texas) und von den anti-misogynen Songzeilen der Beasty Boys, für die er auch selbst eine sichtliche Schwäche hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Besser als jeder bisherige Band der Reihe zeigt Thomas Melle, wie eng Pop und Leben miteinander verbunden sind.« Jens Buchholz neues deutschland 20220508
Rezensent Jakob Biazza scheint ansprechend zu finden, wie Thomas Melle im Rahmen der Reihe "KiWi Musikbibliothek" von seiner Beziehung zu den Beastie Boys erzählt: zuallererst und ganz im Sinne der Reihe als Fan, mit Hingabe, aber auch irgendwie locker, so klingt es jedenfalls in Biazzas Zusammenfassung. Ob Melle seinen ersten Beasty Boys-Song nun wirklich 1994 im Musiktheaterclub Pantheon in Bonn gehört hat oder doch ein anderes Mal, sei dann auch nicht so wichtig, findet Biazza. Und auch, dass das Format ein gewisses Abrutschen in die "Nabelschau" erlaube, scheint ihn nicht sonderlich zu stören - er liest gerne von Melles Flucht aus dem Jesuiten-Internat, dessen Zeit in Austin (Texas) und von den anti-misogynen Songzeilen der Beasty Boys, für die er auch selbst eine sichtliche Schwäche hat.
© Perlentaucher Medien GmbH
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