Die übliche Sicht auf die Reformation fokussiert sehr stark auf Luther: schließlich hat er sich ja unter einer Vielzahl von reformatorischen Bewegungen im Spätmittelalter als eine weltweit bedeutsame und wirkende Kraft durchgesetzt. Gerade in Deutschland nimmt Luther eine andere Reformatoren
überragende Stellung ein, nicht zuletzt aufgrund seiner staatstragenden Rolle (oder der Rolle, die ihm von…mehrDie übliche Sicht auf die Reformation fokussiert sehr stark auf Luther: schließlich hat er sich ja unter einer Vielzahl von reformatorischen Bewegungen im Spätmittelalter als eine weltweit bedeutsame und wirkende Kraft durchgesetzt. Gerade in Deutschland nimmt Luther eine andere Reformatoren überragende Stellung ein, nicht zuletzt aufgrund seiner staatstragenden Rolle (oder der Rolle, die ihm von daran Interessierten zugedacht worden ist).
Wie „Neu Ordnung machen in der Welt“ zeigt, ist der Zeitgenosse Luthers, der Theologe Thomas Müntzer, zwar nicht in Vergessenheit geraten, wird aber leider in einer sehr vereinfachenden Sicht auf sein Leben fast ausschließlich mit den Bauernkriegen in Verbindung gebracht. Völlig zu Unrecht.
Die Autoren (ein Historiker und ein Theologe) legen anhand der von Müntzer während seiner Lebzeiten verfassten Schriften sehr detailliert seine im Vergleich gerade zu Luther doch sehr radikale Theologie sehr deutlich dar: Christus wird nicht als Stellvertreter im Leiden für die Menschen gesehen, vielmehr ist jeder Mensch selbst aufgerufen, die Nachfolge Christi im Leiden anzutreten, „Leidensscheu“ ist Sünde. Erst durch innere und äußere Kämpfe wird das Reich Gottes erlangt.
Diese Theologie hat für Müntzer und seine Anhänger scharfe Konsequenzen: sie sind verpflichtet, die Welt neu zu ordnen, um Gottes Reich auf Erden zu verwirklichen. Dies führt dann auch zur Anwendung von Gewalt.
Die Autoren ergänzen sich mit ihren Schwerpunkten „Theologie“ und „Neuere Geschichte“ ideal.
Leider sind belastbare Quellen zur Biographie Müntzers sehr rar gesät. Die Autoren unterliegen nicht der Versuchung, fehlende Belege durch Spekulationen zu ersetzen. Sehr erfreulich.
Insbesondere die Schilderungen der Geschichte der verschiedenen Städte, in denen Müntzer wirkte, geben einen guten Einblick in die gerade auch politische Lage.
Es wird klar, wie sich geschichtliche Situation und theologische Entwicklung gegenseitig beeinflussten, bis zur Teilnahme Müntzers an den gewaltsamen Auseinandersetzungen der Bauernaufstände.
Sehr empfehlenswert, nicht zuletzt, um uns nochmals im Kontrast zu Müntzer die Rolle Luthers in der Reformationsbewegung und danach deutlich zu machen.