Wer flieht wohin?
H. E. Goodhue erschafft mit der kleinen Insel Sunset Island, der neuen Bohrinsel und dem unsympathischen Ray Weller die perfekten Voraussetzungen für eine ordentliche Ladung monströsen Schrecken. Dazu gesellen sich neben einer Menge schnell-sterblicher Nebenfiguren (man könnte sie
Kanonenfutter nennen) auch einige Charaktere, die mehr als nur eine Todeszone zugeschrieben…mehrWer flieht wohin?
H. E. Goodhue erschafft mit der kleinen Insel Sunset Island, der neuen Bohrinsel und dem unsympathischen Ray Weller die perfekten Voraussetzungen für eine ordentliche Ladung monströsen Schrecken. Dazu gesellen sich neben einer Menge schnell-sterblicher Nebenfiguren (man könnte sie Kanonenfutter nennen) auch einige Charaktere, die mehr als nur eine Todeszone zugeschrieben bekommen. Als einzige Frau im Roman tritt Big Mo auf, die burschikose Wirtin des verruchten Dry Docks. Ebenfalls findet Ray in Dubois, dem einzigen Überlebenden des Frachtschiffes, das vom Monster zerstört wurde, einen Verbündeten. Im letzten Drittel des Buchs taucht noch eine vierköpfige Gruppe von Kindern auf, die ihren Mut beweisen. Der Bürgermeister der Insel fungiert als menschlicher Antagonist, der seine Machtspiele etwas zu weit treibt und die Haie und das echsen-ähnliche Monster aus der Tiefsee tauchen als marine Widersacher auf (Wortwitz intendiert). Damit versammelt Goodhue einen nicht unbedingt diversen Trupp, der vor allem den Plot voranbringen soll. Zwar bekommen Ray und Big Mo einige Zeilen Hintergrundgeschichte (Verfloßene Ehe und Meisterschützin seit der Schulzeit), doch wirklich authentisch werden die Charaktere nicht und verbleiben eher schematisch: Der saufende, angepisste Kapitän; die burschikose, unweibliche Kneipenwirtin; die unschuldigen und vom Schreck gestählten Kinder. Selbst die Haie und das Monster sind wenig mehr als Menschenfresser.
Im Laufe der Geschichte bereise ich verschiedene Schauplätze. Nicht nur die Bohrinsel wird besucht, sondern auch die High School, die Kirche und natürlich das Dry Dock. In der Regel ist der Besuch der Orte verknüpft mit einem Schlachtfest und der Beschreibung vieler, zerfetzen Körper und einer Menge Blut. All das geschieht während eines Unwetters, weswegen sich die Lokalitäten letztlich kaum voneinander unterscheiden und ebenfalls dazu dienen, den Plot voranzutragen und die Bedrohung zu verschärfen.
Effizientes Storytelling
Wie oben bereits angedeutet: Goodhue schwafelt nicht um den heißen Brei herum! Kurze Kapitel treffen auf kurze, knackige Beschreibungen. Das Erzähltempo ist rasant und ehe ich mich versehe, sitze ich in der Springflut und muss um mein Leben bangen. Für einen Horror-Schocker nur passend, wenn auch auf Kosten von schaurig-ekeligen Bilder in meinem Kopf. Dazu kam, dass ich die eigentliche Hauptfigur des Romans, also das Monster aus der Tiefsee, irgendwie nicht recht greifen konnte. Größe, Form und Aussehen verbleiben für mich irgendwie etwas vage. Godzilla-riesig oder doch nur Alligator-winzig? Gleiches gilt für die Wetterlage. War es nun stockfinster und stürmisch-regnerisch? Oder konnte ich doch noch Sehen? Und wie hoch stand das Wasser jetzt nochmal? Das gute ist allerdings, diese Fragen bleiben fast unbemerkt unbeantwortet, einfach weil ich so schneller durch die Story getragen werde. Zum Schluss verbleiben ganz im Sinne eines Schreckens ohne Ende die wichtigsten Fragen offen. Woher und wohin geht das Monster? Gibt es noch mehr von ihnen?
Seitenopers Meinung – Wer kann zugreifen?
Gut, zugegeben, was ich bisher geschrieben habe, klingt alles nicht wie das Gelbe vom Ei. Und – Butter bei die Fische – das trifft auch zu. Mit Tidal Grave liefert Goodhue nicht den nächsten Lovecraft-Schocker, welchen Du kennen musst. ABER wenn ich das Buch genau für das nehme, dann erfüllt es, was ich von ihm wollte.: Ein knackig-kurzer Schocker und Horrortrip, der mit einer ordentlichen Menge abyssalen Monsterterror gewürzt ist, wenngleich auf Kosten einer tiefgreifenden Leseerfahrung.
Und wenn Du vielleicht gerade genau sowas suchst, dann würde ich sagen, macht Tidal Grave – Ihr hätten es nicht wecken dürfen alles richtig. Viel Spaß auf deiner Reise nach Sunset Island.