Sie zerstreuen, vervielfachen und verteilen sich auf verschiedenen Kontinenten, überall da, wo Konzerne rund um den Globus nach sicheren Orten suchen. Fünf Menschen aus verschiedenen Nationen, eine Krankenpflegerin, ein Kraftwerkarbeiter, ein Nuklearphysiker, eine Finanzberaterin und eine Linguistin gründen einen Orden und entwickeln Methoden, um das Wissen über die Gefahren des Atommülls verlässlich zu dokumentieren und von Generation zu Generation weiterzugeben. Die Vision: Kein Mensch soll durch die Strahlung eines Endlagers für nukleare Abfälle getötet werden. Ein Roman über eine uns und künftige Generationen bedrohende Materie – meisterhaft erzählt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 30.12.2022Juan S. Guse
Schriftsteller und Soziologe
Shout-out an Dorothee Elmiger, die mir „Tiefenlager“ von Annette Hug (Das Wunderhorn, Heidelberg 2021, 220 Seiten, 24 Euro) empfohlen hat. Ausgangspunkt dieses sensationellen Romans ist die Frage, wie „wir“ eine uns unbekannte Nachwelt auch noch in einer Million Jahren davor warnen können, an dieser und jener Stelle besser nicht zu graben, weil dort tonnenweise Atommüll eingelagert wurde. Wie müsste eine solche Warnung aussehen, wenn doch alle Steintafeln, Bücher und Festplatten verwittern, wenn Symbole, Sprachen und Piktogramme irgendwann unlesbar sein könnten? Der Roman erzählt die Geschichte einer Gruppe, die sich der atomsemiotischen Idee verschreibt, das Wissen über „unsere“ nuklearen Hinterlassenschaften auf einem immaterielle Medium zu speichern: Kultur. Oder viel eher noch: einer Art Religion, praktiziert und bewahrt von einem Klosterorden, den sie gründen. Die erzählerische Prämisse des Textes allein ist schon so sehr gut, aber wie Hug sie ins Werk setzt, ist nicht von dieser Welt.
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Schriftsteller und Soziologe
Shout-out an Dorothee Elmiger, die mir „Tiefenlager“ von Annette Hug (Das Wunderhorn, Heidelberg 2021, 220 Seiten, 24 Euro) empfohlen hat. Ausgangspunkt dieses sensationellen Romans ist die Frage, wie „wir“ eine uns unbekannte Nachwelt auch noch in einer Million Jahren davor warnen können, an dieser und jener Stelle besser nicht zu graben, weil dort tonnenweise Atommüll eingelagert wurde. Wie müsste eine solche Warnung aussehen, wenn doch alle Steintafeln, Bücher und Festplatten verwittern, wenn Symbole, Sprachen und Piktogramme irgendwann unlesbar sein könnten? Der Roman erzählt die Geschichte einer Gruppe, die sich der atomsemiotischen Idee verschreibt, das Wissen über „unsere“ nuklearen Hinterlassenschaften auf einem immaterielle Medium zu speichern: Kultur. Oder viel eher noch: einer Art Religion, praktiziert und bewahrt von einem Klosterorden, den sie gründen. Die erzählerische Prämisse des Textes allein ist schon so sehr gut, aber wie Hug sie ins Werk setzt, ist nicht von dieser Welt.
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»Annette Hug ist eine der interessantesten Schriftstellerinnen der Schweiz. In ihrem kühnen wie melancholischen Roman »Tiefenlager« erfindet sie einen Klosterorden mit modernen Aussteigern, die vergeblich versuchen, den Atommüll für die Ewigkeit zu sichern.« Hansruedi Kugler, CH Media.ch