In Shakespeares Dramen geht es oft nicht zimperlich zu, denken wir nur an „Richard III“ oder „Macbeth“ - gespickt mit grausamen Morden an Familienangehörigen oder blutrünstigen Schlachtenszenen. Doch seine erste Tragödie „Titus Andronicus“ (wahrscheinlich vor 1594 entstanden) stellt in puncto
Grausamkeit alles in den Schatten.
Der römische Feldherr Titus Andronicus kehrt siegreich von einem…mehrIn Shakespeares Dramen geht es oft nicht zimperlich zu, denken wir nur an „Richard III“ oder „Macbeth“ - gespickt mit grausamen Morden an Familienangehörigen oder blutrünstigen Schlachtenszenen. Doch seine erste Tragödie „Titus Andronicus“ (wahrscheinlich vor 1594 entstanden) stellt in puncto Grausamkeit alles in den Schatten.
Der römische Feldherr Titus Andronicus kehrt siegreich von einem Feldzug gegen die Goten zurück und bringt die Gotenkönigin Tamora und deren drei Söhne als Kriegsbeute mit nach Rom. Da er die meisten seiner 25 eigenen Söhne auf dem Schlachtfeld verloren hat, lässt er Tamoras Erstgeborenen als Menschenopfer töten. Tamora schwört daraufhin blutige Rache und diese Gelegenheit ergibt sich, als der neugewählte römische Imperator Saturninus sich mit ihr vermählt. Unterstützt wird sie bei ihren Schurkentaten von dem Mohren Aaron, der auch ihr Liebhaber ist.
Zunächst wird Titus‘ Tochter Lavinia von den beiden überlebenden Söhnen Tamoras, Demetrius und Chiron, vergewaltigt und anschließend verstümmelt, damit sie die Täter nicht kundtun kann. Sie ermorden auch Lavinias Verlobten und schieben die Schuld auf Titus‘ Söhne Quintus und Martius. Die beiden werden vom Kaiser verurteilt und hingerichtet, obwohl Titus als Unterpfand eine seiner Hände opfert.
Lucius, dem letzten Sohn von Titus, gelingt schließlich die Flucht zu den Goten, wo er ein Heer aufstellt und gegen Rom zieht. Hier hat Tamora inzwischen heimlich ein schwarzes Kind geboren. Aaron soll es eigenhändig töten, doch er flieht zu den Goten. Dort wird er gefangengenommen und gesteht seine Untaten.
In Rom soll es auf Tamoras Vorschlag ein Treffen zwischen Kaiser und Lucius im Haus des Titus geben. Hier kommt es zu einem grausamen Gemetzel. Titus schlachtet die beiden Söhne der Kaiserin und macht aus ihnen eine Pastete, die er der Mutter und den anderen Gästen serviert. Dann ersticht er seine Tochter Lavinia, damit sie nicht in Schande weiterleben muss, und schließlich Tamora. Daraufhin wird er von Saturninus getötet und dieser zuletzt von Titus‘ Sohn Lucius, der dann Kaiser von Rom wird.
Die Rachetragödie, deren Figuren alle frei erfunden sind, ist eine Anfängerarbeit voller jugendlichem Feuer und ungestümer Übertreibung. Wie aus Quellen bekannt ist, war „Titus Andronicus“ zunächst ein sehr erfolgreiches Bühnenstück, wurde später jedoch als schreckliches Werk („schwarzes Schaf“ unter Shakespeares Stücken) empfunden. In den letzten Jahrzehnten hat die Kritik jedoch entdeckt, dass der junge Shakespeare „mit diesem Schauerstück großes Theater bietet“. Und so hat es zuletzt immer wieder Inszenierungen gegeben.
Die bisher gültige Übersetzung ins Deutsche stammt von Graf Baudissin, ergänzt von Ludwig Tieck (1831).Nun hat der bekannte Shakespeare-Experte und -Übersetzer eine moderne Übertragung vorgelegt. Ihm ist es weitgehend gelungen, die grausamen Extreme in einer sprachlichen Poesie, die nahe am Original ist, auszudrücken. In seiner Rubrik „Aus der Übersetzerwerkstatt“ erörtert Günther u.a. die Frage „Wie stellt man so was künstlerisch auf der Bühne dar?“ Der Philologe Werner Koppenfels geht in seinem Essay „Römischer geht’s nicht“ den Anfängen Shakespeares als Tragödienschreiber nach. Komplettiert wird die dtv-Ausgabe durch ausführliche Anmerkungen zum Text sowie einige Literaturhinweise.