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Kein Superheld
Capitaine Roger Blanc, der Held aus Cay Rademachers Provence-Krimis,ist ein Ermittler, der vor allem eins ist: Mensch
"Tödliche Camargue" (DuMont) ist der zweite Fall von Capitaine Roger Blanc, der ihn noch tiefer in die dunklen Widersprüche seiner neuen Heimat eintauchen lässt. Blanc hatte seine Stelle als Topfahnder für Korruptionsfälle in Paris verloren, weil er sich mit den Mächtigen der Republik angelegt hatte.
Der Kriminalbeamte, zwanzig Jahre Berufserfahrung auf dem Buckel, landet in dem Provence-Kaff Gadet, wo er nicht nur versucht, sich in seinem neuen Job als herkömmlicher Ermittler einzurichten, sondern auch daran arbeitet, sein aus den Fugen geratenes Leben wieder in den Griff zu bekommen. Nach wie vor fährt er mit seinem alten Renault Espace durch die Gegend. Die Familienkutsche symbolisiert die Vergangenheit Blancs, als er noch mit seiner Frau und seinen beiden Kindern Eric und Astrid in der französischen Hauptstadt lebte. Seine Exfrau Geneviève tourt mit ihrem neuen Liebhaber durch die Karibik, zu seinen Kindern hält Roger Blanc nur sporadisch Kontakt. Der Vollblutermittler hat sich eben immer mehr für seinen Beruf als für seine Familie interessiert. Er sehnt sich zwar nach seinem alten Leben, kapiert aber, dass dieses unwiederbringlich vorüber ist.
In der Provence bewohnt Blanc eine alte, deutlich renovierungsbedürftige Ölmühle, die einst seinem Onkel gehörte. Während er in seinem ersten Fall "Tödlicher Mistral" (2014) noch mit seinem neuen Leben haderte, beginnt er sich in seinem zweiten Fall mit seinem Schicksal anzufreunden. Die Ölmühle soll endlich renoviert werden, der klapprige Espace wird gegen einen neuen Wagen eingetauscht. Und auch mit seinen neuen Kollegen arrangiert sich Blanc immer besser: das sind die clevere und quicklebendige IT-Expertin Fabienne und der träge Trinker Marius, der sich wie ein angeschossener Büffel durchs Leben quält. Nach wie vor pflegt Blanc eine stürmische Affäre mit der schönen Untersuchungsrichterin Aveline Vialaron-Allègre. Eine Affäre, die ihn ebenfalls an sein altes Leben bindet. Denn Aveline ist kurioserweise die Frau des Mannes, der ihn in Paris zu Fall gebracht hat.
Blanc ist ein gewiefter, mit allen Wassern gewaschener Ermittler, der das gute Essen liebt, mitunter altmodische Marotten pflegt und sich für alte Technik begeistert. Beispielsweise interessieren ihn "komplizierteste Apparate, nur mittels Federn und Zahnrädern so zu bauen, dass sie ohne Batterien und Ladegeräte und tausend Kabel funktionierten. Er hatte vom Überstundengeld einiger Nachtschichten eine alte Leicaflex SL erstanden und Schwarz-Weiß-Fotos vom Eiffelturm gemacht."
Autor Cay Rademacher hat mit Blanc einen kauzigen Kommissar ins Leben gerufen, der aber weder ein Superheld mit ungewöhnlichen Fähigkeiten ist, nochein total kaputter Fahndermit überzeichneten Macken, die den Leser enervieren. Vielmehr ist Blanc - und das ist als Vorzug zu verstehen - durch und durch Mensch, an dessen Beispiel Rademacher in gekonnter Manier einen Lebenswandel literarisch exemplifiziert.
Wer Krimis mag, die uns die Tragik der menschlichen Existenz näherbringen und verstehen lassen, der ist gut beraten, sich mit Roger Blanc auf Ermittlung begeben.