Drei Autoren suchen eine Antwort auf die Frage, ob die Lessingsche Formel der Toleranz auch gegenwärtig noch praktizierbar, ob sie in der heutigen Welt tatsächlich lebbar ist. Mit Gotthold Ephraim Lessings dramatischem Gedicht »Nathan der Weise" verbinden sich die aufklärerischen Ideen der Erziehung des Menschengeschlechts zur Toleranz und der Kampf gegen eine engstirnige Theologie und für die Emanzipation der Juden. Die Erzählung der Ringparabel ist einer der meistinterpretierten Texte, an dem sich der Begriff und das Verhalten praktizierter Toleranz zeigen und diskutieren lassen. Die Frage der drei Kurzessays in diesem Band lautet: Läßt sich diese Lessingsche Formel der Toleranz, beispielhaft gehofft für die Toleranz der jüdischen, christlichen und islamischen Gläubigen gegeneinander und untereinander, auch heute noch verkünden? Läßt sie sich wirklich praktizieren - ist sie lebbar in unserer gegenwärtigen Welt? Oder hat die Erfahrung sie längst entwertet? Drei Autoren: Angelika Overath, Navid Kermani und Robert Schindel, setzen sich mit Nathans Erzählung vom Ring aus ihrer Perspektive des Jahres 2003 auseinander - alle drei mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen.
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Der Göttinger Wallstein-Verlag macht sich auf unakademische Weise um Gotthold Ephraim Lessing und die Germanistik verdient. Neben Karl S. Guthkes Ausführungen über "Lessings Horizonte" erscheint nun im gleichen Verlag ein essayistisch angehauchtes Bändchen, das sich in drei persönlich gehaltenen Aufsätzen der Ringparabel aus "Nathan der Weise" annimmt. Sowohl für Navid Kermani als auch für Angelika Overath spielt die Tatsache des Mediums Märchen eine große Rolle, erläutert Kronauer. Nathan erzähle das Märchen, um sich zu retten, und würde damit, zitiert Kronauer Kermani, zum "ersten Makler der Humanität". Der Despot wiederum sonne sich in seiner Mitmenschlichkeit, insofern habe Lessing die Rezeption seines Stückes bereits vorweggenommen, pflichtet Kronauer dem Autor bei. Für Overath hänge die Botschaft Lessings noch enger mit dem Medium Märchen zusammen, da gerade die poetische Form den utopischen Gehalt frei formulieren und als Anspruch offen halten könne. Robert Schindel hingegen reagiert eher düster, aber in eindringlichen poetischen Bildern auf die Ringparabel, berichtet Kronauer, eine Bestandsaufnahme humanistischen Denkens kurz vor Ausbruch des Irakkrieges, die den Verlust humanistischer Utopien ahnen lasse.
© Perlentaucher Medien GmbH
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