Studienarbeit aus dem Jahr 1999 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,0, Ruhr-Universität Bochum (Institut für Germanistik), Sprache: Deutsch, Abstract: Johann Wolfgang von Goethe wird gemeinhin als Klassiker der deutschen Literaturgeschichte verstanden. Sein Werk wurde und wird noch heute bis ins Unendliche rezipiert, verarbeitet und erforscht, man nennt ihn ehrerbietig den „Dichterfürst“ und betrachtet sein Werk geradezu als „deutsches Kulturerbe“ – jedes Kind wird spätestens im Deutschunterricht mit dem Vermächtnis des Ausnahmeautors konfrontiert. Der Klassiker Goethe ist allgegenwärtig. In der Germanistik beschreibt der Begriff Klassik (lat. classis – Vorbild) diejenige literarische Epoche, die eine spätere Generation von Autoren und Rezipienten eben als ein Vorbild empfindet. Der Gebrauch des Terminus Klassik in unserer Zeit impliziert also offenbar eine gewisse Vorbildlichkeit Goethes, die im alltäglichen Umgang mit dem Dichter nur all zu oft zur Phrase verkommt. Doch erst über die Jahrhunderte der Rezeptionsgeschichte ist Goethe heutzutage zum Klassiker avanciert, über Goethes Werk weiß das Etikett „Klassiker“ wenig zu erzählen; die Epochen- bzw. Stilbeschreibung „Weimarer Klassik“ hingegen, letztlich auch nur ein Konstrukt der Nachwelt, kann ebenfalls höchstens als bezeichnende Annäherung an Goethes Literaturproduktion verstanden werden; sachlich und begrifflich ist die Bezeichnung sogar falsch und irreführend – Goethes Stil, seine Motivation, sein Ausdruck, seine Essenz, was auch immer sein Werk ausmachen mag, beschreibt das Wort Klassik in keiner Weise. Zu Goethes Leb- und Wirkzeiten ist der Dichter keineswegs ein Klassiker, vielmehr empfindet er selbst Autoren, die vor seiner Zeit lebten und schrieben als klassisch. Zu seiner Zeit werden Homer, Vergil und deren Zeitgenossen als Vorbilder angesehen; man orientiert sich an der Antike. Auch Goethe wird von der Art von Literatur beeinflußt, die er als „klassisch“ und damit vorbildlich empfindet. Diese Tatsache läßt Goethe als klassizistischen Autor erscheinen, doch auch diese Formel vermag der Dichter schließlich zu durchbrechen, indem er das (Weimarer) Projekt Klassizismus kritisch hinterfragt, es dem Fortschrittsglauben der Moderne gegenüberstellt, beides verbindet und so Schöpfer einer eigenen Kultur wird. Er beruft sich auf antike Vorbilder, transformiert diese aber in einen modernen Kontext und wächst somit über jegliche Klassifizierung hinaus.