Die Macht der Algorithmen
„Wir haben einen Automaten im Innersten unserer Ökonomien geschaffen, der entschlossen ist, unser Leben zu bestimmen. Der Albtraum der Menschheit, dass die Maschinen die Kontrolle über unsere Welt übernehmen, scheint jetzt schon Wirklichkeit zu werden ...“ [1]
So
dystopisch, wie Frank Schirrmacher in „Ego“, beschreibt Christoph Drösser die Verhältnisse nicht. Der…mehrDie Macht der Algorithmen
„Wir haben einen Automaten im Innersten unserer Ökonomien geschaffen, der entschlossen ist, unser Leben zu bestimmen. Der Albtraum der Menschheit, dass die Maschinen die Kontrolle über unsere Welt übernehmen, scheint jetzt schon Wirklichkeit zu werden ...“ [1]
So dystopisch, wie Frank Schirrmacher in „Ego“, beschreibt Christoph Drösser die Verhältnisse nicht. Der Zweck seines Buches ist es, die „Diskussion über die Macht der Algorithmen zu erden“. (11) Im Fokus stehen nicht die Auswirkungen verselbstständigter Ego-Strategien auf unsere Ökonomie, sondern eine eher sachliche Darstellung der Funktionsweise und Anwendungen von Algorithmen.
Ein Algorithmus ist eine Handlungsanweisung, die nach einem reproduzierbaren Schema verläuft. Autor Drösser erläutert im ersten Kapitel Eigenschaften von Algorithmen. Dabei liegt sein Fokus auf elementaren Berechnungen und verschiedenen Sortierverfahren. Letztlich geht es um strukturierte Problemlösungen, wie sie in der Informatik zum Alltag gehören.
Es folgen Beispiele aus dem Alltag der Nutzer der Informationstechnik. Hierzu gehören das patentierte Rankingsystem von Google (s.a. [2]), die Funktionsweise von Routenplanern, die Datenanalysen von amazon, netflix und facebook und die Möglichkeiten und auch Grenzen des Online-Datings. Den heiligen Gral der Partnerschaftsforschung gibt es nicht, denn ob Gegensätze oder Ähnlichkeiten Erfolg versprechen, kann niemand genau sagen.
Aus einer Koinzidenz kann nicht auf Kausalität geschlossen werden. So gibt es über fünf Jahrzehnte ähnliche Kurvenverläufe in der Entwicklung von Rocklängen und in der Entwicklung des Dow-Jones-Index. Sollen auf dieser Grundlage Prognosen erstellt werden? Die wären genauso unsicher, wie die jährlichen Prognosen der Wirtschaftsweisen.
Ein spannendes Thema, dem Schirrmacher [1] ein ganzes Buch gewidmet hat, stellt Drösser auf gerade mal 12 Seiten vor. Dabei haben die Automatismen im Börsenhandel einen enormen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen. Schirrmacher spricht in diesem Zusammenhang von einem „ökonomischem Imperialismus“. Drösser kann dem Hochfrequenzhandel auch positives abgewinnen, da „die Computerverfahren den Börsenhandel auch demokratisiert haben“. (148)
Drösser stellt in eigenen Kapiteln Verschlüsselungs- und auch Komprimierungsverfahren vor. Das macht er auf anschauliche Art und Weise. Es wird verständlich, wie eine Nachricht verschlüsselt, aber für den Empfänger lesbar, von A nach B geschickt werden kann. Wer es genauer wissen will, greift auf Fachliteratur, von z.B. Klaus Schmeh [3], zurück.
„Total berechenbar?“ ist ein verständliches Buch für eine breite Leserschaft. Die zugrunde liegenden Methoden sind Drösser so wichtig, dass er in einem Nachwort weitere gängige Algorithmen vorstellt, die im Haupttext vernachlässigt wurden. Der Autor zeigt Möglichkeiten und Grenzen der Berechenbarkeit auf. Das Fragezeichen im Titel ist berechtigt. Der Autor bewegt sich durchgängig auf einer wohltuend sachlichen Ebene.
[1] Frank Schirrmacher: „Ego“, S. 15 und 43
[2] Gerald Reischl: „Die Google Falle“
[3] Klaus Schmeh: „Kryptografie“