O.P. Zier weckt einmal mehr die schlafenden Hunde der Provinz. Die Macht, ihre Marionetten und ein Mord - und alles spricht gegen den Erzähler. Barbara Lochner ist tot, aber wer ist ihr Mörder? Alles spricht gegen Werner Burger, den Erzähler - außer die Figuren seines Romans, die nach und nach freimütig gestehen, sie würden Barbara Lochner am liebsten umbringen. Doch zur Tatzeit wartet nur er am Tatort, um sie mit den verbrecherischen Umtrieben einer von der Politik korrumpierten Bürokratie zu konfrontieren. Eines ihrer Opfer ist der rechtschaffene Erwin Lang, der sich einer Verschwörung auf der Spur wähnt und schließlich geradewegs in der Irrenanstalt landet. Ist Lang vielleicht nur ein Opfer seines Verstandes geworden? Wider Willen wird Burger zum Anwalt von dessen Kampf gegen "das geheime System" und stößt schon bald auf toll gewordene Kleinstadt-Honoratioren, welche die Jahreszeiten neu erfinden wollen ... O. P. Zier siedelt seinen Roman auf der Schattseite einer alpinen Urlaubsidylle an, in der Tristesse zwischen Hochsaison und Hochsaison. Beobachtungsgenau und mit der Unerbittlichkeit eines Ermittlers leuchtet er die Winkel aus, die vom Blitzlicht der Kameras noch nicht erhellt sind. Er erzählt dabei nicht nur einen ungemein spannenden Krimi, sondern auch einen Roman über die Fallstricke des Erzählens, in dem der Autor immer zugleich Täter und Opfer ist.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.04.2008Abgemurkste Trutschn
Die Kulturpolitikerin Barbara Lochner wird in diesem talschluchttiefen Alpenkrimi nicht einfach das Opfer einer heimtückischen Gewalttat. Zuvor hatte sie es immerhin zum Partei-Terrier ihres Landkreises gebracht: ein ausgekochtes Polit-Trampel, eine "blöde Trutschn", "eine, der ihr Leben lang alles zum Arsch getragen wurde", nicht zuletzt weil der Herr Papa, der Salzburger Landeshauptmann a.D., die Beförderung des talentlosen Töchterchens herbeigemauschelt hat. Und dann liegt sie eines Tages mit verdrehten Gliedern im Schlick vor dem Rohbau ihrer künftigen Eigentumswohnung - mitten in der tourismusschwachen "Toten Saison" eines Salzburger Wintersportorts. Verdächtigt wird gleich zu Beginn der Erzähler, der in seiner Eigenschaft als Bergschriftsteller dem Autor O.P. Zier selbst nachempfunden ist. In Gesprächsprotokollen schält er aus den Manövern zerknitterter Kleinstadt-Honoratioren eine aberwitzige Polit-Posse heraus, die ihresgleichen sucht: Kommerzial-, Land- und Hofräte treiben ihr Unwesen mit dem Wählerwillen; wegen schlechter Umfrageergebnisse veranlassen sie die Terrorisierung von Schulkindern und beschließen aus der Bierschaumgeburt einer "Wirtshausgaudi" die künstliche Absenkung der Permafrostgrenze. Geriete die Schilderung dieser klimawandlerischen Verschwörung nicht gar so protokollarisch und wären die Motive von Barbara Lochners Mörder am Ende nicht gänzlich nebenrangig für die Geschichte, fänden die virtuosen Kriminalburlesken eines Wolf Haas hier eine milieusichere Konkurrenz. (O.P. Zier: "Tote Saison". Roman. Residenz Verlag, St. Pölten/Salzburg 2007. 411 S., geb., 21,90 [Euro].) teut
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Die Kulturpolitikerin Barbara Lochner wird in diesem talschluchttiefen Alpenkrimi nicht einfach das Opfer einer heimtückischen Gewalttat. Zuvor hatte sie es immerhin zum Partei-Terrier ihres Landkreises gebracht: ein ausgekochtes Polit-Trampel, eine "blöde Trutschn", "eine, der ihr Leben lang alles zum Arsch getragen wurde", nicht zuletzt weil der Herr Papa, der Salzburger Landeshauptmann a.D., die Beförderung des talentlosen Töchterchens herbeigemauschelt hat. Und dann liegt sie eines Tages mit verdrehten Gliedern im Schlick vor dem Rohbau ihrer künftigen Eigentumswohnung - mitten in der tourismusschwachen "Toten Saison" eines Salzburger Wintersportorts. Verdächtigt wird gleich zu Beginn der Erzähler, der in seiner Eigenschaft als Bergschriftsteller dem Autor O.P. Zier selbst nachempfunden ist. In Gesprächsprotokollen schält er aus den Manövern zerknitterter Kleinstadt-Honoratioren eine aberwitzige Polit-Posse heraus, die ihresgleichen sucht: Kommerzial-, Land- und Hofräte treiben ihr Unwesen mit dem Wählerwillen; wegen schlechter Umfrageergebnisse veranlassen sie die Terrorisierung von Schulkindern und beschließen aus der Bierschaumgeburt einer "Wirtshausgaudi" die künstliche Absenkung der Permafrostgrenze. Geriete die Schilderung dieser klimawandlerischen Verschwörung nicht gar so protokollarisch und wären die Motive von Barbara Lochners Mörder am Ende nicht gänzlich nebenrangig für die Geschichte, fänden die virtuosen Kriminalburlesken eines Wolf Haas hier eine milieusichere Konkurrenz. (O.P. Zier: "Tote Saison". Roman. Residenz Verlag, St. Pölten/Salzburg 2007. 411 S., geb., 21,90 [Euro].) teut
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Judith Leister hat zwei Romane des österreichischen Autors O. P. Zier gelesen, den sie als Protokollant von "Geschichte(n) von unten" schätzt. Der Polit-Kriminalroman "Tote Saison", in dem der Schriftsteller und Fernsehautor Werner Gruber für den Mord an der Kulturpolitikerin Barbara Lochner verhaftet wird, über deren zweifelhafte Machenschaften er seit längerem recherchiert hatte, überzeugt die Rezensentin vor allem durch die brillanten Porträts der Provinzbewohner, die Gruber in der Untersuchungshaft Revue passieren lässt. Sie preist Ziers genauen Blick und seinen Humor, mit dem er die politische Verfilzung im Salzburger Land unter die Lupe nimmt, und äußert leise Zweifel, ob Ähnlichkeiten mit lebenden Personen und wahren Begebenheiten wirklich nicht beabsichtigt sind, wie der Autor in seiner Vorbemerkung betont. Leister räumt ein, dass es um die psychologische Glaubwürdigkeit nicht immer zum Besten bestellt ist und die Schilderungen aus der korrupten Politszene ihr manchmal etwas zu "langatmig" geraten sind. Alles in allem aber kann sie diesen Krimi als vielschichtig und lesenswert wärmstens empfehlen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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