Eine Insel, auf der alle Menschen in Sicherheit leben? Wo jeder seinen Nutzen hat, zufrieden ist, und dadurch die Kriminalitätsrate auf Null reduziert wird? Das soll möglich sein in Red-Mon-Stadt, einer Insel mitten im Meer. Hier leben die Menschen abgeschnitten vom Festland, das gefährlich und von
Seuchen heimgesucht sein soll. Viele Menschen kommen voller Hoffnung nach Red-Mon-Stadt, und…mehrEine Insel, auf der alle Menschen in Sicherheit leben? Wo jeder seinen Nutzen hat, zufrieden ist, und dadurch die Kriminalitätsrate auf Null reduziert wird? Das soll möglich sein in Red-Mon-Stadt, einer Insel mitten im Meer. Hier leben die Menschen abgeschnitten vom Festland, das gefährlich und von Seuchen heimgesucht sein soll. Viele Menschen kommen voller Hoffnung nach Red-Mon-Stadt, und diejenigen, die ein Testverfahren bestehen und von Nutzen sind, dürfen bleiben. Was nach einer utopischen Lebenswelt klingt, ist in Wahrheit jedoch eine skrupellose Welt. Denn die Bewohner werden kontrolliert von einer Verwaltung, die die Medien und die Menschen nach ihrem Willen steuert.
Viele Elemente erinnern an reale Vorkommnisse der Vergangenheit und Gegenwart. Rassismus, Unterdrückung, Verfolgung von Minderheiten, Staatsgewalt und Widerstand, das sind alles bekannte Komponenten, die hier einen spannenden, futuristischen Mix ergeben. Hinzu kommen fantastische Elemente, wie die Lorca, eine Minderheit in der Bevölkerung, der nachgesagt wird, die gefährliche Seuche zu übertragen. Sie sollen ausnahmslos der Stadt verwiesen werden, doch in Wahrheit werden alle Lorca sowie Bewohner mit Status PON (Person ohne Nutzen) verfolgt und getötet. Mich hat die komplexe Story von Seite eins an in den Bann gezogen. Die Autorin wählte mit Red-Mon-Stadt ein interessantes Setting und würzte ihre Dystopie mit unerwarteten und cleveren Wendungen.
Charaktere
Ebenso komplex wie die Story sind auch die Charaktere. Rina ist eine Lorca, die ständig in Gefahr lebt, von der SDF, einer Spezialeinheit der Verwaltung, verfolgt und getötet zu werden. Jeder, dem sie sich bisher anschloss, wurde eliminiert, so dass sie immer wieder auf sich alleine gestellt ist. Dieses Schicksal hat sie zu einer Einzelgängerin gemacht. Ich konnte sofort eine Bindung zu Rina aufbauen, sie ist sympathisch und ihre Gedanken und Taten sind nachvollziehbar.
Als Protagonistin nehmen ihre Gedanken einen Großteil der Handlung ein, doch neben ihr gibt es noch weitere sehr differenzierte Charaktere. Allen voran Neel Talwar, der Totenläufer, und Tom, ein Mitglied der Rebellengruppe REKA. Beide entwickeln sich im Roman recht individuell und verfolgen vermehrt eigene Ziele. Weitestgehend waren diese Entwicklungen für mich vorhersehbar, doch das empfand ich nicht weiter als störend. Das lag daran, dass der Schwerpunkt meiner Meinung nach auf der eingehenden und ausgefeilten Darstellung der Charaktere lag – was sie antreibt, welche Gefühle sie verbergen oder unterdrücken und wie sie zueinander stehen. Dadurch entsteht innerhalb der an sich schon brisanten Story eine weitere starke Dynamik, die mir sehr gut gefiel.
Schreibstil
Der Schreibstil ist eingängig, so dass sich das Buch wunderbar lesen lässt. Ich war sehr positiv überrascht, wie pointiert Mika M. Krüger die Gefühle ihrer Charaktere mit wenigen Worten oder Beobachtungen zum Leben erwecken konnte. Auch die Stimmungen innerhalb der Stadt sowie innerhalb der Rebellengruppe werden gut transportiert. Dadurch wurde „Totenläufer“ zu einem Buch, das ich schwer aus der Hand legen konte. Vor allem ab der Mitte, wenn weitere Erzähler Rück- und Einblicke in ihre Gedankenwelt erlauben. Diese waren geschickt platziert, so dass die Story insgesamt an Komplexität gewann.
Fazit
Eine sehr spannende Dystopie mit einem äußerst kritischen Blick auf eine unterdrückte Gesellschaft mit fragwürdigen Strukturen. Mika M. Krüger greift historische und aktuelle Missstände auf und formt daraus eine beängstigende und beklemmende Zukunftsvision. Ich freue mich schon auf den Folgeband!