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März 2011. Ein österreichischer Ingenieur, der am Bau der prestigeträchtigen Bahnlinie Trans-Maghreb in der libyschen Wüste beteiligt ist, kann sich durch Flucht außer Landes retten, nachdem der Aufstand ausgebrochen ist. Zurück in Wien erkennt er auf Fernsehbildern die Leiche des Bauträgers - eine Spurensuche beginnt. "Trans-Maghreb" ist eine Erzählung zwischen Arabischem Frühling und westlicher Arroganz. Hans Platzgumer wählt die kompakte Form der Novelle, um das gegenseitige Unverständnis zwischen europäischer und arabischer Lebensweise exemplarisch zu skizzieren.

Produktbeschreibung
März 2011. Ein österreichischer Ingenieur, der am Bau der prestigeträchtigen Bahnlinie Trans-Maghreb in der libyschen Wüste beteiligt ist, kann sich durch Flucht außer Landes retten, nachdem der Aufstand ausgebrochen ist. Zurück in Wien erkennt er auf Fernsehbildern die Leiche des Bauträgers - eine Spurensuche beginnt. "Trans-Maghreb" ist eine Erzählung zwischen Arabischem Frühling und westlicher Arroganz. Hans Platzgumer wählt die kompakte Form der Novelle, um das gegenseitige Unverständnis zwischen europäischer und arabischer Lebensweise exemplarisch zu skizzieren.
Autorenporträt
Hans Platzgumer, geboren 1969 in Innsbruck, lebt als Musiker, Komponist und Schriftsteller in München und am Bodensee. Seit 1987 veröffentlichte er weltweit über 50 LPs und CDs (u. a. mit HP Zinker oder den Goldenen Zitronen), arbeitete für Film, Theater und Hörspiel. Ausgezeichnet unter anderem mit dem Emil-Berlanda-Preis und einer Grammy- Nominierung. Bei Limbus: "Der Elefantenfuß" (2011).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2012

Novelle Als vor fast genau einem Jahr der Tsunami das AKW Fukushima zum Kollabieren brachte, verschwand die libysche Revolte von der Bildfläche. Nur mit viel Glück sah man beim Zappen noch etwas aus der arabischen Welt, und so hätte Hans Platzgumers namenloser Ich-Erzähler, ein österreichischer Ingenieur, der eben noch auf einer Baustelle in Libyen arbeitete, nun aber Bier trinkend und rauchend auf seiner Couch in der Wiener Wohnung liegt, seinen toten Chef fast übersehen: Anton Corwald ist unter den ertrunkenen Flüchtlingen, deren Leichen eher zufällig in den Blick einer BBC-Kamera geraten. Das Bild wird für ihn zum Angelpunkt, um das Erleben in Libyen und die Person Anton Corwalds zu reflektieren. Anders als dieser fand er sich dort nie zurecht, wartete eigentlich nur darauf, nach Hause zu können. Und so erklärt "Trans-Maghreb" (Limbus, 13,90 Euro) nicht etwa die Revolution und nur ein bisschen Libyen. Auf sehr elegante Weise skizziert Platzgumer aber vor aktuellem Hintergrund zwei Menschen, von denen der eine von der Sehnsucht lebt, immer dort zu sein, wo er gerade nicht ist, während der andere die große Gabe hatte, sich überall einzufinden - sei es auch nur fürs Geschäft.

kkr

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Einerseits, andererseits. Einerseits gefällt Karl-Markus Gauß die Novelle des österreichischen Musikers Hans Platzgumer gerade weil sie psychologisch eher zurückhaltend daherkommt, und der Autor seine Figur, einen österreichischen Geschäftsmann und Abenteurer, bei der Arbeit in und auf der Flucht aus Libyen so ganz eigenschaftslos darstellt. Andererseits bleibt Gauß schon Gaddafis Land zu fremd, als dass auch noch die Hauptfigur so konturlos bleiben dürfte. Gut gefallen haben ihm indes die beinahe in Echtzeit entstandenen angenehm klischeefreien Schilderungen der Diktatur und des Aufstandes, auch wenn ihm Platzgumers Figur nicht wirklich verlässlich erscheint.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.06.2012

Der Fernseh-Tote
Hans Platzgumers Novelle „Trans-Maghreb“ erzählt vom
Umbruch in Libyen – aus der Perspektive des Eisenbahnbaus
Wie findet die Gegenwart in einen Roman, in eine Erzählung oder ein Gedicht? Welche Aktualitäts-Partikel lagern sich warum und vor allem wie in Geschichten und Sätzen ab? Und was ist das überhaupt, unsere Gegenwart? Mit diesen Fragen plagen sich womöglich weniger die Autoren selbst, die sich einer gewissen Zeitgenossenschaft im Text gar nicht entziehen können, als vielmehr Kritiker und Literaturwissenschaftler, die etwas über die Gegenwärtigkeit unserer Gegenwartsliteratur herausfinden möchten.
Schriftstellern fliegen die Erzählungen des unmittelbaren Jetzt sogar zuweilen auf merkwürdigen Flugbahnen zu, im Falle von Hans Platzgumers „Trans-Maghreb“ geschah die Anverwandlung so: Die österreichische RP Projektentwicklung GmbH, ein Bauträger aus Deutsch-Wagram, fragte bei dem 1969 in Innsbruck geborenen, in München lebenden Musiker und Literaten an, ob er nicht für die Kunden des Unternehmens eine Geschichte schreiben würde. Just zur selben Zeit kehrte der Schwager Platzgumers aus Libyen zurück, wo er als einer von vielen europäischen Ingenieuren an einem Mammutprojekt mitarbeitete: Man baute dem damaligen Staatschef Muammar al-Gaddafi eine Eisenbahnlinie, die die maghrebinischen Staaten miteinander verbinden sollte. Die Bautätigkeiten sind durch die historischen Umwälzungen zum Erliegen gekommen.
Die Koinzidenz von Auftragsarbeit und schwägerlicher Zeitzeugenschaft aber hat ein literarisches Ergebnis hervorgebracht, das nun unter dem Titel „Trans-Maghreb“ zu lesen ist. Das Buch erscheint – wie schon Platzgumers „Tschernobyl“-Roman „Elefantenfuß“ – auf den ersten Blick wie gut recherchierte Reportageliteratur, bei genauerer Betrachtung aber handelt es sich um einen dicht gestrickten, lang nachwirkenden Text über Wahrnehmungsstörungen und Wirklichkeitsverzerrung. Die „Novelle vom Bauträger Anton Corwald“, so der Untertitel, ist ein Spiel mit der Unmöglichkeit, trotz der auf uns einströmenden Informationen das gerade eben Geschehende richtig einordnen oder gar kontrollieren zu können.
Die Geschichte spielt im arabischen Frühling 2011. Einem österreichischen Ingenieur, beteiligt am Bau der bereits erwähnten Bahnlinie Trans-Maghreb, gelingt während des Bürgerkriegs in Libyen im letzten Moment die Ausreise. Zurück in Wien verfolgt er die blutigen Ereignisse am Fernsehen und glaubt, in einem Bericht der BBC seinen Chef Anton Corwald zu entdecken – inmitten von Leichen, die an der Küste der östlichen Provinz Libyens angespült wurden. Das Bild prägt sich dem Erzähler ein, aber er kann keine weiteren Meldungen, keinen Beweis für das Gesehene finden, und so verstrickt er sich immer tiefer in die Erinnerungen an den geheimnisumwitterten Bauträger Corwald, denkt zurück an die wenigen Begegnungen und die Wochen und Monate, die er in Libyen zubrachte. Die Rückblenden sind zwar präzise, zugleich aber auch geprägt von flüchtigen, flirrenden Eindrücken. Oft ist die Rede von rasanten Autofahrten durch libysche Städte, von Geisterfahrern, als sei hier schon in den Monaten vor dem Beginn der Revolution etwas unaufhaltsam in Bewegung, in Aufruhr geraten.
Platzgumer bedient sich eines sachlichen Stils, spickt seinen Text mit vielen Fakten, was zunächst darüber hinwegtäuschen mag, dass hier über etwas kaum Fassbares, etwas Brodelndes gesprochen wird. Dass es aber gerade um Unschärfen geht, um das Undurchschaubare der Situationen und Stimmungen, in die sich der Ingenieur plötzlich geworfen sieht, erkennt man an kleinen Details. Immer herrscht nämlich eine Fremdheit zwischen dem Erzähler und seiner Umgebung.
Die europäischen Techniker und Arbeiter leben in einem Camp, und die wenigen Kontakte zur Außenwelt sind von Missverstehen geprägt, von einer Sprachlosigkeit, die nicht nur auf mangelnde Kenntnisse des Arabischen zurückzuführen sind. Die stärksten Passagen von Platzgumers Novelle beschreiben das Eingeschlossensein im Lager, die zunehmende Bedrohung durch das sich rundum abspielende kriegerische Tun, das fast abstrakt bleibt. Im Zentrum des Orkans herrscht zwar Angst, aber doch ist es gespenstisch ruhig. „Alles in meinem Blickfeld ist dem Krieg geweiht, der heute von beiden Seiten auf diese Stadt zurollt. Nur wir entkommen ihm.“ Was geschieht, bleibt kryptisch.
Aber auch Anton Corwald, der Unternehmer, dessen Lebensgeschichte so mysteriös wie glorios zu sein scheint, erweist sich als ein Schemen. Die wenigen persönlichen Treffen zwischen dem Erzähler und Corwald sind einsilbige Angelegenheiten; der Selfmademan ist nicht zu fassen, er huscht über den Wahrnehmungsschirm des Erzählers wie er auch auf dem Fernsehschirm als Toter nur einen Sekundenauftritt hat. Bis zum Ende gewinnt man keine Gewissheit, ob der Ich-Erzähler tatsächlich die Leiche des Bauträgers gesehen hat oder doch nur einer Fantasie aufgesessen ist, die sich um eine Gestalt wie Corwald automatisch rankt und ihm selbst noch einen spektakulären Tod zugestehen möchte.
Die Wirklichkeit ist eine Schimäre; den Bildern ist nicht recht zu glauben. Hans Platzgumers formal strenge, in sprödem Ton erzählte Novelle ist ein Reflex auf unsere unübersichtliche Gegenwart. Und eine erzählerische Reflexion darüber, wie man vom Gegenwärtigen erzählen kann, obwohl man der eigenen Wahrnehmung misstraut. ULRICH RÜDENAUER
HANS PLATZGUMER: Trans-Maghreb. Novelle vom Bauträger Anton Corwald. Limbus Verlag, Innsbruck 2012. 119 Seiten, 13,90 Euro.
Die europäischen Techniker
leben in einem Camp, mit nur
wenigen Kontakten zur Außenwelt
„Alles in meinem Blickfeld
ist dem Krieg geweiht, der heute
auf diese Stadt zurollt“
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