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Das Zeitschriftenprojekt "TransAtlantik" und die Ideengeschichte der Bundesrepublik. Ein gleichermaßen anspruchsvolles wie liberales, ironisches wie kosmopolitisches Magazin – dies stand Hans Magnus Enzensberger und seinem Freund Gaston Salvatore im Sinn, als sie Ende der siebziger Jahre ihr Konzept einer neuen Zeitschrift entwarfen. Ihr Vorbild war der "New Yorker", das Leitorgan des intellektuellen Amerika. Der Titel des im Oktober 1980 erstmals erschienenen Magazins bringt seine programmatische Westbindung auf den Punkt: "TransAtlantik". Autorinnen und Autoren waren u. a. Rainald Goetz,…mehr

Produktbeschreibung
Das Zeitschriftenprojekt "TransAtlantik" und die Ideengeschichte der Bundesrepublik. Ein gleichermaßen anspruchsvolles wie liberales, ironisches wie kosmopolitisches Magazin – dies stand Hans Magnus Enzensberger und seinem Freund Gaston Salvatore im Sinn, als sie Ende der siebziger Jahre ihr Konzept einer neuen Zeitschrift entwarfen. Ihr Vorbild war der "New Yorker", das Leitorgan des intellektuellen Amerika. Der Titel des im Oktober 1980 erstmals erschienenen Magazins bringt seine programmatische Westbindung auf den Punkt: "TransAtlantik". Autorinnen und Autoren waren u. a. Rainald Goetz, Irene Dische, Martin Mosebach und Christoph Ransmayr. Kai Sina porträtiert eine der ideengeschichtlich aufschlussreichsten publizistischen Unternehmungen der alten Bundesrepublik. Nach den revolutionären Kämpfen und ideologisch verbissenen Debatten der sechziger und siebziger Jahre sollte "TransAtlantik" ein Medium der offenen Gesellschaft sein. Geprägt war dieses Vorhaben durch den spielerischen Selbstentwurf einer mündigen Leserschaft, die – nach einem Zeitalter der Kritik und der Negation – versuchsweise "Ja" zur westlichen Moderne sagt.
Autorenporträt
Kai Sina, geb. 1981, studierte Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft, Sprachwissenschaft und Mediävistik sowie Philosophie in Kiel. Er ist Professor für Neuere deutsche Literatur und Komparatistik an der Universität Münster. Ausgezeichnet mit dem Preis der Fritz Behrens Stiftung 2016.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Kai Sina hat es sich zur Aufgabe gemacht, eines der vielen Projekte des jüngst verstorbenen Hans Magnus Enzensberger einmal näher zu beleuchten, in diesem Falle das höchstens semi-erfolgreiche Zeitschriftenprojekt "TransAtlantik", wie Ambros Waibel anekdotenreich zu berichten weiß. Nach dem Vorbild des legendären "New Yorker" wollten Enzensberger und sein Kollege eine Zeitschrift gegen den Mief der Bonner Republik, gegen das Spießertum, aber auch gegen linke Utopisten starten, die elegant, international und kulturbewusst sein sollte, wie der Rezensent aus dem Buch und einer damit verbundenen Veranstaltung in München lernt. Das kam nicht bei allen gut an, zumal die jüngere Generation sich zunehmend von Enzensberger und Konsorten als moralische Übermacht emanzipieren wollte, wie Waibel klarstellt, sodass die Auflage trotz Redaktionsmitglieder wie Jörg Fauser im Keller dümpelte. Die Ausführungen darüber und die sorgfältige Aufbereitung durch den Literaturprofessor Sina gefallen dem Rezensenten aber außerordentlich gut.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 16.12.2022

Ein „New Yorker“ für Deutschland
Hans Magnus Enzensberger und Gaston Salvatore gründeten „Transatlantik“, eine Zeitschrift,
in der Intellekt und Hedonismus zusammenkamen. Kai Sina erzählt davon in einem Buch
VON THOMAS STEINFELD
Im Oktober 1980, kurz bevor Ronald Reagan zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, erschien das erste Heft einer deutschen Monatszeitschrift mit dem Titel Transatlantik. Der Name war Programm: Das Vorbild des neuen Magazins war auf der anderen Seite des Atlantiks zu Hause, und so, wie der New Yorker die besten Autoren der Welt (es waren hauptsächlich Amerikaner) die besten Reportagen, Essays, Porträts, Kolumnen, Kritiken und Kurzgeschichten schreiben ließ, illustriert von den besten Zeichnern, so sollte Transatlantik das Zentralorgan eines urban, literarisch, großzügig und distinguiert gewordenen deutschen Geistes werden.
Hans Magnus Enzensberger, der tiefsinnige Meister der Leichtigkeit, und sein Freund Gaston Salvatore, der Dichter, Dramatiker und Journalist, hatten die Initiative ergriffen, die Zeitschrift konzipiert und gute Bekannte vor allem aus der Literatur mobilisiert. Katharina Kaerer (später:
Enzensberger), Michael Rutschky und Karl Markus Michel betrieben die Redaktion, und der Grafiker Bernd Bexte besorgte das aufwendige, aber zurückhaltende
Layout. In 150 000 Exemplaren wurde die erste Ausgabe gedruckt. Zwei Jahre später war eine Auflage von weniger als zehntausend Heften übrig. Enzensbergers und
Salvatores Verträge wurden aufgelöst.
Die Redaktion kündigte. Zwar erschien
die Zeitschrift noch bis ins Jahr 1991.
Doch waren die heroischen Zeiten vergangen.
Der Literaturwissenschaftler Kai Sina hat jetzt ein Buch zur frühen Geschichte der Zeitschrift herausgebracht, das im Kern eine akademische Abhandlung ist und sich doch als lebendig geschriebener Essay zur geistigen Lage der Nation in den frühen Achtzigern liest. Der Stoff ist reich: Transatlantik markierte einen Übergang von der Gesellschaftskritik zu einem vermeintlich weltläufigen Hedonismus, sie steht für einen ebenso vermeintlichen Abschied von der Ideologie („Die gute Sache, jede gute Sache wird falsch, sobald wir sie zu Ende denken.“), und sie propagierte einen weltoffenen, intellektuellen und an der Reportage orientierten Journalismus, wie er seitdem immer wieder beschworen wird, während man ihn zugleich unterläuft, meist durch ein Übermaß an Einfühlung.
Meinungen, davon waren die Schöpfer der Zeitschrift überzeugt, sind etwas Privates, was man weder braucht ,noch wissen will, so wie Zwischenüberschriften eine Zumutung für den intelligenten Leser darstellen. Am Ende des Buches dokumentiert Kai Sina ein langes Konzeptpapier für ein „Projekt einer Zeitschrift für das westliche Deutschland“, verfasst von Enzensberger und Salvatore im Sommer 1979, das der Gründung des Magazins vorausging. An Attraktivität hat dieser Plan wenig verloren, auch wenn man, wollte man ihn heute realisieren, vermutlich ebenso scheitern würde, wie es Enzensberger und Salvatore vor vierzig Jahren taten.
In einem späten Nachruf auf Transatlantik, den Michael Rutschky im Oktober 2000 veröffentlichte, heißt es, die westdeutsche Gesellschaft habe im Lauf der Achtziger zwar ihr „postmodernes Eleganzprogramm für die Herrenmode und die Konversation, den Speisezettel und den Städtebau“ eingelöst. Die dazu passende Zeitschrift habe man allerdings „verschmäht“. Kai Sina verfolgt diese Spur, indem er die Reklame betrachtet, die etwa ein Viertel einer jeden Ausgabe füllte: Geworben wird für Bier und Cognac, für teure Zigaretten, für Stereoanlagen der Marke Braun, für Automobile der Oberklasse und auch für Bücher. Und er verweist auf den Umgang mit Anzeigen, wie ihn zur gleichen Zeit der New Yorker betrieb. Ein Heft des amerikanischen Magazins kostete damals einen Dollar: So wichtig war es der werbetreibenden Industrie, die Leser der Zeitschrift zu erreichen (die Strategie brach dann infolge der Digitalisierung zusammen). Demgegenüber kostete ein Heft der Transatlantik acht Mark, und jede Anzeige weckte den Verdacht, es handele sich dabei um einen mäzenatischen Akt. Da es den Beiträgen aber nicht an Qualität fehlte: Warum war die Zeitschrift nicht hinreichend attraktiv?
Michael Rutschky gab eine schlichte Antwort: Die Zeitschrift sei „zu früh“ gekommen. Aufschlussreicher ist der Vergleich, den Kai Sina zwischen der Transatlantik und dem im Jahr 1986 gegründeten Magazin Tempo anstellt, das ungleich erfolgreicher wurde: Enzensberger und Salvatore hätten auf „Distinktion“ gesetzt, während Tempo die „Grenzziehung zwischen High- und Lowbrow“ habe überwinden und die „Popkultur in allen ihren Spielarten“ affirmieren wollen. „Distinktion“ bedeutet auch, dass man sich zum New Yorker stets „New York“ vorzustellen hatte, das Weltzentrum nicht nur des Geldes, nicht nur der Bildung und des Geschmacks, sondern auch der Aufmerksamkeit: den Ort, an dem man alles sah, und der von allen gesehen wurde. Wohin aber schaute das Publikum, wenn es Transatlantik las? Die Bundesrepublik sei im Ganzen als „sekundäre Metropole“ aufzufassen, heißt es im Konzeptpapier, „abhängig“ zwar von den Vereinigten Staaten, aber „doch die Nummer eins in Europa“. Die Definition ist dünn, zumal an Enzensbergers Ansprüchen auf Klarheit gemessen: Wer Distinktion will, muss Maßstäbe setzen können, und dafür reichte es offenbar nicht.
Hinter dieser Schwäche verbirgt sich ein Problem, das Enzensberger und Salvatore vielleicht nicht sehen konnten. Sie verstanden sich selbst als Kosmopoliten, keiner Nation zugehörig, ständig unterwegs, verpflichtet allenfalls einer internationalen Gemeinschaft von Gelehrten und Literaten – und erkannten also nicht, dass sich Kosmopolitismus und Ideologie keineswegs gegenseitig ausschließen.
In Bruce Chatwin und Irene Dische, Christoph Ransmayr und Jane Kramer (allesamt Autoren der Transatlantik) mag die alte, aber eben doch auch mehr oder minder imperiale Weltläufigkeit noch geleuchtet haben. Dann ging sie in den Fortschritten der Globalisierung zugrunde. Nicht „zu früh“ kam also die Transatlantik, sondern zu spät und am falschen Ort.
In einem autobiografischen Essay aus den späten Neunzigern erinnert sich Enzensberger daran (ohne Salvatore zu nennen), wie er fast zwanzig Jahre zuvor eine Monatszeitschrift gründete: „Ich wollte die verlorene Kunst der anspruchsvollen Reportage wiederbeleben.“ Zu Recht weist er darauf hin, dass die Transatlantik damals Autoren fand, die später, in der Literatur wie im Journalismus, berühmt wurden: Rainald Goetz, Martin Mosebach, Eva Demski, Bodo Kirchhoff, Hanns-Josef Ortheil, alle damals zwischen Mitte zwanzig und Anfang dreißig und kaum beschriebene Blätter. „Die Zeitschrift ging nach ein paar Jahren ein“, stellt Enzensberger in einem lakonischen Satz fest, der gewiss auch richtig ist, mit dem er aber die Bedeutung untertreibt, die das Magazin nicht nur für die spätere Entwicklung der Literatur, sondern auch innerhalb einer Neuorientierung der Publizistik besaß, mit Folgen bis auf den heutigen Tag.
Und in einem im Jahr 2011 erschienenen Sammelessay mit dem Titel „Meine Lieblings-Flops“ nennt Enzensberger auch die Transatlantik. Die Zeitschrift und das Possessivpronomen gehen aber schlecht zusammen. Sie war kein persönliches Buch, das erfolglos blieb, schon gar nicht die Liebhaberei eines einzelnen Autors, sondern eines der ehrgeizigsten Projekte in der deutschen Publizistik der vergangenen Jahrzehnte: Diese Bedeutung zu veranschaulichen und zu erklären, darin liegt das Verdienst von Kai Sinas Buch.
Überzeugung der Schöpfer:
Zwischenüberschriften
sind eine Zumutung
„Die Zeitschrift ging nach
ein paar Jahren ein“,
stellt Enzensberger fest
Eine Intellektuellenfreundschaft: Hans Magnus Enzensberger (links) und Gaston Salvatore im Jahr 1981.
Foto: Isolde Ohlbaum/Bayerische Staatsbibliothek/Bildarchiv
Kai Sina: Transatlantik. Hans Magnus Enzensberger, Gaston Salvatore und ihre Zeitschrift für das westliche Deutschland. Wallstein Verlag, Göttingen 2022. 220 Seiten,
20 Euro.
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»Der Autor erzählt die Geschichte von TransAtlantik nicht allein auf der Grundlage ihrer Programmschriften oder ihrer Rezeption, sondern liest sie gleichsam im Ganzen. (...) Sinas perspektivenreicher Blick auf die Zeitschrift macht (...) ihre besondere Stellung in der zeitgenössischen Medienöffentlichkeit sichtbar.« (Erika Thomalla, der Freitag, 20.10.2022) »klug( ) und verblüffend( )« (Hendrikje Schauer, Tagesspiegel, 26.10.2022) »eine brillante kleine Studie« (Marc Reichwein, Die Welt, 28.11.2022) »Packende Ideengeschichte einer deutschen Intellektuellen-Klasse, sich im amerikanischen Freiheitsideal spiegelnd.« (Mara Delius, Die Welt, 04.12.2022) »Sina hat die TransAtlantik-Hefte einem aufschlussreichen close reading unterzogen und dabei nicht nur Entwicklung und Niedergang dieses bemerkenswerten journalistischen Unterfangens skizziert, sondern auch dessen Ort in der ideengeschichtlichen Landschaft der alten Bundesrepublik mit akribischem Scharfsinn kartografiert.« (Marianna Lieder, ZEIT Online, 07.12.2022) »Sina hat (...) ein Buch zur frühen Geschichte der Zeitschrift herausgebracht, das im Kern eine akademische Abhandlung ist und sich doch als lebendig geschriebener Essay zur geistigen Lage der Nation in den frühen Achtzigern liest.« (Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung, 16.12.2022) »(Die TransAtlantik war) eines der ehrgeizigsten Projekte in der deutsche Publizistik der vergangenen Jahrzehnte: Die Bedeutung zu veranschaulichen und zu erklären, darin liegt das Verdienst von Kai Sinas Buch.« (Thomas Steinfeld, Süddeutsche Zeitung, 16.12.2022) »Minutiös und beispielhaft analysiert Kai Sina nicht nur die einzelnen Beiträge der ersten Ausgabe, sondern setzt sie darüber hinaus verblüffend einleuchtend ins Verhältnis zu den stilbewussten Werbeanzeigen.« (Christoph Schröder, DLF Büchermarkt, 20.01.2023)…mehr